22. August 2023, 15:12 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
„Brügge sehen und sterben“ – der mittlerweile 15 Jahre alte Film hat die belgische Stadt nicht nur weltberühmt gemacht, sondern auch zu einem Ort, der auf der Bucket List vieler Menschen steht. Das führt immer wieder zu Problemen. Erst jüngst beklagten Einwohner wieder den Massentourismus. TRAVELBOOK-Redaktionsleiterin Larissa Königs war vor ein paar Wochen in Brügge – wie sie die Stadt als Urlauberin wahrgenommen hat.
Alte Backsteinhäuser mit weißen Fensterläden und bunten Blumenkästen, mittelalterliche Pflasterstraßen, die zu gepflegten Parks, imposanten Marktplätzen oder entlang der vielen Grachten führen, die sich durch die Stadt ziehen: Die kleine Stadt Brügge ist vollkommen zu Recht eine der meistbesuchten Städte in Belgien.
Spätestens seit dem Kinofilm „Brügge sehen und sterben“ ist die pittoreske Stadt im flämischen Teil von Belgien weltweit bekannt. Schon lange vor Corona stiegen die Besucherzahlen immer weiter an, teilweise um eine Million pro Jahr. Im Schnitt kommen etwa 8 Millionen Besucher jährlich. Auch 2023 zeigte sich wieder, wie sehr die kleine Stadt von Urlaubern weltweit geliebt wird.
Brügge besonders von Massentourismus betroffenen
Tatsächlich zählt Brügge sogar zu den überfülltesten Orten in Europa. Das ergab erst unlängst eine Analyse des Ferienhausportals „Holidu“, nach der die Stadt auf dem dritten Platz nach Dubrovnik und Venedig landete. Wie auch bei den anderen Städten wird Brügge vor allem von Tagestouristen überrannt. Im Fall der belgischen Stadt kommen sie vielfach auch von Kreuzfahrtschiffen, die im nahen Zeebrügge anlegen. Das führt zu der großen Überzahl von Urlaubern: Dem sogenannten „Overtourism-Index“ zufolge kommen in Brügge 21 Touristen auf einen einzigen Einwohner.
Wenig verwunderlich, dass viele der 120.000 Bewohner Brügges den Besucheransturm kritisch sehen. „Es ist viel zu viel“, sagt Anwohner Kurt van der Pieter der Nachrichtenagentur AFP, wie unter anderem der „Standard“ berichtet. Der Ansturm führe zu vielen Problemen. Und Arnout Goegebuer, ebenfalls Anwohner Brügges, betont: „Es ist jetzt wirklich eine Grenze erreicht.“
Doch wie ist es aktuell, als Tourist in Brügge zu sein? Ist entspannter Urlaub in den Menschenmassen überhaupt noch möglich? Und wie reagieren die Einwohner auf Besucher? Ein Besuch.
Zu voll für einen schönen Urlaub? So ist es aktuell in Brügge
Brügge stand auch schon lange auf meiner persönlichen Bucketlist. Die vielen Fotos in den sozialen Netzwerken hatten nicht unwesentlich dazu beigetragen. Natürlich wusste ich, dass die Stadt sehr beliebt ist, was mich aber nicht von einem Tagesausflug abhielt. Dabei wurde ich zunächst positiv überrascht, als wir ohne lange Suche direkt einen Parkplatz nahe der Innenstadt fanden. Auch der mittelalterliche Charme der Stadt begeisterte mich sofort.
Gut zahlende Touris, genervte Ladenbesitzer
Neben der traumhaften Architektur von Brügge und den vielen Brücken und Grachten, wegen der die Stadt auch mitunter „Venedig des Nordens“ genannt wird, war noch etwas anderes auf den ersten Blick ersichtlich: Brügge ist das Gegenteil von einem Geheimtipp. Jeder kleine Laden in der Haupteinkaufsstraße in der Innenstadt ist auf Tourismus und Konsum ausgelegt. Zwar sehen viele Geschäfte für Belgische Waffeln oder Belgische Schokolade wirklich bezaubernd aus – aber die schiere Masse erschlägt einen fast.
Zwischen den Geschäften für belgischen Süßkram finden sich zudem zahlreiche Souvenirläden, die Mitbringsel feilbieten. In einem der Läden, die etwas unscheinbarer wirken, entdeckte ich einen kleinen Kühlschrankmagneten, den ich kurzerhand als Andenken kaufte.
Beim Weg von der Kasse nach draußen machte mich mein Freund am Ausgang dann noch auf ein anderes Highlight aufmerksam: Ein fürchterlich kitschiges Geschirrtuch, auf dem ein Hund abgebildet ist, der unserem eigenen frappierend ähnlich sieht. Ich war begeistert und machte direkt ein Foto. Noch bevor ich entscheiden konnte, ob ich neben dem Magneten auch ein Tuch mitnehmen soll, kam jedoch die Ladenbesitzerin (bei der ich gerade noch den Magneten gekauft habe) und scheuchte uns mit den Worten „Buy! Not only pictures!“ fort. Ich war etwas vor den Kopf gestoßen. Allerdings vermute ich, dass die Frau nicht ohne Grund so drastisch reagiert hat. Vermutlich hat sie schon häufiger dreiste Urlauber erlebt.
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Eine halbe Stunde warten am Waffelstand
Dreist sind teilweise auch die Preise, die in Brügge für Essen verlangt werden. Eine belgische Waffel mit Sahne und Eis kostet bis zu 10 Euro. Insofern dauerte es etwas, bis wir, während wir uns an Touri-Gruppen vorbei durch die Gassen schieben, passende Stände für unsere Waffel- bzw. Pommeslust gefunden hatten. Dann warteten wir noch einmal gut eine halbe Stunde – zunächst, um unsere Bestellung aufzugeben und dann auf die warme Waffel.
Einen Sitzplatz gab es nicht mehr. Schließlich haben wir uns auf dem Großen Markt im Schatten niedergelassen und, abseits der Massen, den Blick auf das Treiben und den weltberühmten Platz genossen.
Für klassische Brügge-Fotos wird’s voll, Highlights gibt es abseits
Am Grote Markt versuchte ich mich auch noch an einem hübschen Urlaubsfoto – und scheiterte grandios. Die zahlreichen Menschen gehören zwar an diesem Samstagnachmittag zum Stadtbild dazu, machten sich aber nicht so schön auf dem Bild.
Wir wanderten weiter und kamen an vielen schönen Brücken mit traumhaftem Blick auf die kleinen Grachten vorbei. Doch auch hier war es überall so voll, dass man regelrecht Schlange stehen musste für ein schönes Foto.
Doch dann die Überraschung: Als wir in eine Seitenstraße abseits der großen Sehenswürdigkeiten abbogen, wirkte die Stadt auf einmal wie ausgestorben. Der Trubel der Menschenmengen verlor sich im Hintergrund und Brügge konnte endlich seinen ganzen Charme entfalten. Wir schlenderten entspannt durch die Gassen zu einem kleinen Park und ließen den Tag gemütlich ausklingen.
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Fazit: Lohnt sich ein Besuch in Brügge trotz des Overtourism?
Auch heute bin ich immer noch begeistert von Brügge, einer wirklich traumhaft schönen Stadt – aber auch ein wenig desillusioniert. Die hohe Anzahl der Urlauber, die sich teils ohne Rücksicht auf Verluste und vor allem der Anwohner durch Brügge schieben, zerstört vor allem vor den größten Sehenswürdigkeiten ein wenig den Charme der Stadt. Insofern ist der Frust der Anwohner wegen des Massentourismus in Brügge durchaus verständlich und es kann vorkommen, dass man sich an besucherstarken Tagen auch mal eher unerwünscht vor Ort fühlt.
Wer allerdings abseits der extrem vollen Wochenenden zur Sommerferienzeit und nicht (nur) wegen der schönsten Instagram-Fotos nach Brügge kommt, sondern die Stadt auch fernab der altbekannten Pfade erkunden möchte, sollte sich vom Massentourismus nicht abschrecken lassen. Immer unter der Voraussetzung, dass man sich den Anwohnern gegenüber adäquat verhält – aber das gilt eigentlich für jeden Ort.