27. Juni 2021, 13:03 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Der Urlaub mit Reisemobil oder Wohnwagen liegt im Trend. Reisebeschränkungen in der Corona-Pandemie haben der Entwicklung noch einmal einen kräftigen Schub verliehen. Doch nicht jeder möchte auf dicht gefüllten Campingplätzen stehen.
Entspannt liegt Labrador Tristan zu Füßen seines Besitzers und hechelt im Schatten der Bäume die frühsommerliche Hitze weg. An die großen Vögel, die nur wenige Meter entfernt über die Wiese stolzieren, hat sich der Hundeveteran schon gewöhnt. „Ich war auf der Suche nach Ruhe und Abgeschiedenheit. Das habe ich gefunden. Und einen Anblick, den man hier nicht erwartet hätte“, sagt der 38-jährige IT-Programmierer Hendrik. Camping auf dem Bauernhof – eine etwas andere Art des Urlaubs.
Mit seinem Wohnmobil hat der Informatikfachmann aus Sachsen Station gemacht auf der Straußenfarm Riederfeld im mecklenburgischen Lübz. Von seinem bequemen Liegestuhl aus kann er das geschäftige Treiben der Straußenvögel in der von hohen Zäunen umgebenen Koppel gut beobachten. Wie Hendrik nutzen immer mehr Reisende mit Wohnmobil und Wohnwagen Angebote von Bauernhöfen, Weingütern oder Tierfarmen, um dort kurz Halt zu machen.
Camping auf Bauernhof, Tierfarm oder beim Winzer – so geht’s
Für die Routenplanung greifen viele auf die Vorschläge von „Landvergnügen“ zurück, einem bundesweit agierenden Stellplatzvermittler. „Unser Reise- und Genussführer ist regelmäßig ausverkauft. In diesem Jahr trotz erhöhter Auflage schon weit vor Saisonbeginn“, berichtet Geschäftsführer Ole Schnack.
Zunächst habe der Katalog knapp 230 Betriebe aufgelistet, die Reisenden mit Wohnmobilen kostenlos für eine Nacht Stellplätze gewähren. Im Gegenzug werde erwartet, dass die Gäste dann auch im Hofladen oder im Weingeschäft einkaufen. Auf diese Weise sei ein Gastgebernetzwerk entstanden, das inzwischen bundesweit etwa 1300 Höfe unterschiedlichster Ausrichtung umfasse.
Camping auf dem Bauernhof – oder neben Alpakas
Auf einer Alpakafarm beobachten Herbert und Sabine Wisböck das Treiben der frisch geschorenen Lama-ähnlichen Tiere. Sie haben mit ihrem selbst ausgebauten Wohnmobil auf der Rückreise nach Bayern einen Zwischenstopp in Gerbstedt, einer Kleinstadt in Sachsen-Anhalt gemacht. Über den kostenpflichtigen Anbieter „Alpaca-Camping“ haben sie ihren Stellplatz in freier Natur gebucht.
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„Es ist die Zufriedenheit und Ruhe, die man hier spürt. Man kann von der Arbeit abschalten und am Abend den Sonnenuntergang genießen“, sagte Herbert Wisböck. Auf rund 18 Hektar Fläche bietet Alexandra Scheffler ihre Wiese als Stellplatz an – direkt neben dem Alpakahof auf einem Hügel mit weitläufiger Aussicht auf Wälder und Ackerflächen.
Das Konzept ähnelt dabei dem von „Landvergnügen“: Statt im Hofladen einzukaufen, zahlen Gäste pro Nacht einen festen Preis. „Wir wollen den Campern ein schönes Erlebnis bieten, draußen in freier Natur übernachten zu können und gleichzeitig können Gastgeber sich etwas für ihre ungenutzten Flächen dazuverdienen“, sagte einer der Gründer der Plattform Dominik Quambusch. Rund 700 Plätze werden deutschlandweit angeboten.
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Plätze haben gute Buchungslage
Der Deutsche Tourismusverband sieht diese Entwicklung mit einigem Wohlwollen. „Das Angebot wird damit breiter. Und eine Konkurrenz zu den herkömmlichen Campingplätzen sehen wir nicht. Die Plätze haben eine gute Buchungslage und die Betreiber richtig viel zu tun“, konstatiert Verbandspräsident Reinhard Meyer. Rund 36 Millionen Übernachtungen würden auf den Plätzen jährlich gezählt, Tendenz steigend.
Monika Helfrich, die zusammen mit ihrem Mann auf dem platten Land zwischen Schwerin und Waren an der Müritz eine Straußenfarm aufgebaut hat, bietet Stellplätze an den Koppeln. Rund 100 Tiere, vom Küken bis zum altgedienten Hahn, tummeln sich auf dem weitläufigen Gelände in verschiedenen Gehegen.
Vor allem Tagesausflügler aus Hotels in der Seenplatte kämen im Sommer häufiger zu Besuch, um die bis zu 2,5 Meter großen Laufvögel zu bewundern und im Hofladen einzukaufen. Caravan-Reisende seien anfangs eher die Ausnahme gewesen, bis im Vorjahr die Corona-Pandemie die eigene Heimat verstärkt in den Fokus des deutschen Reisevolks gerückt habe. „Wir dachten, das überrollt uns“, erinnert sich Monika Helfrich an den großen Zuspruch im Sommer 2020.
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Camping-Urlaub beim Winzer
In Oberheimbach am Rhein in Rheinland-Pfalz gewährt Winzer Tobias Korn auf seinem Hof ebenfalls Caravan-Reisenden Platz zum Übernachten. „Zwei Stellplätze für kleinere Fahrzeuge haben wir auch direkt im Weinberg. Da wollen die Leute gar nicht wieder weg“, sagt Korn. Mit den Stellplatzangeboten würden Besucher auch in Orte gelockt, an denen Touristen üblicherweise vorbeifahren.
„Es sind vor allem Städter, die das Höfe-Hopping für sich entdecken oder einfach am Wochenende auf Entdeckungstour gehen“, sagt Ole Schnack von „Landvergnügen“. Die Beschränkungen während der Corona-Pandemie, in der Auslandsreisen lange kaum möglich waren, hätten den Trend zum Reisen im Land noch verstärkt. „Ohne Corona wäre ich jetzt in Norwegen unterwegs“, sagt Informatiker Hendrik wie zur Bestätigung.
Und auch das bayerische Paar auf der Alpakafarm, das schon seit 30 bis 40 Jahren campt und von Skandinavien bis nach Italien sämtliche Länder durchreist hat, hatte ursprünglich andere Pläne: „Wir hatten es uns eigentlich immer aufgeschoben in Deutschland Urlaub zu machen, weil wir gesagt hatten, das können wir auch machen, wenn wir älter sind“, erzählt Sabine Wisböck. Durch Corona seien sie viel mehr in Deutschland unterwegs, „denn normalerweise wären wir jetzt in Namibia“, fügte Herbert Wisböck hinzu.
Der Wohnmobil-Tourismus erlebt nach Angaben des Caravaning Industrie Verbandes e. V. seit Jahren einen steten Anstieg. Der Verband verweist auf Erhebungen des Marktforschungsinstituts GfK, nach denen fast jeder vierte Erwachsene in Deutschland erwägt, in den nächsten fünf Jahren einen Caravaning-Urlaub zu unternehmen. Die Zahl der Neuzulassungen steigt, gebremst nur durch Lieferengpässe der Hersteller. Laut Kraftfahrtbundesamt wurden 2020 in Deutschland etwa 76.000 Wohnmobile zugelassen, ein Plus zum Vorjahr von gut 40 Prozent.