23. Oktober 2018, 9:05 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
55 Kilometer lang und gut 17 Milliarden Euro teuer – in China eröffnet heute die „Hong Kong-Zhuhai-Macao Bridge“, die damit ab sofort die längste Seebrücke der Welt ist. Nach knapp 10 Jahren Bauzeit verbindet sie nun die drei Metropolen Hong Kong, Macau und Zhuhai über das Südchinesische Meer.
Damit schafft sie die Grundlage für einen neuen Mega-Wirtschaftsraum in China: Die Reisezeiten zwischen den drei Städten verkürzen sich zum Teil drastisch, so geht es beispielsweise von Hong Kong zum Zhuhai International Airport dann mehr als viermal so schnell wie bisher (45 Minuten im Vergleich zu etwa vier Stunden vorher).
Doch so groß der Jubel in China über das neue Giga-Projekt auch ist, so wurde es doch überschattet von diversen Verzögerungen, Skandalen und sogar Todesfällen: Wie die „South China Morning Post“ berichtet, kamen laut Schätzungen einer Menschenrechtsorganisation mindestens 10 Arbeiter beim Bau um, 600 wurden verletzt. Zudem explodierten die Kosten für den Bau der Brücke, so dass sie am Ende deutlicher teurer wurde als ursprünglich geplant. Auch werde befürchtet, dass sich die Brücke zu einem sogenannten „Weißen Elefanten“, also einer Fehlkalkulation, entwickeln könnte: So wurden die Erwartungen für das tägliche Verkehrsaufkommen über die Brücke bereits vor der Einweihung drastisch gesenkt.
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Verschätzt: Jeden Tag gibt es gut 12 Prozent weniger Fahrzeuge als gedacht
Kommt eine Studie von 2008 noch auf eine Schätzung von 33.100 Fahrzeugen und 171.800 Menschen täglich, so errechnet eine aktuellere Bestandsaufnahme von 2016 „nur noch“ 29.100 Fahrzeuge und 126.000 Fußgänger – ein beachtliches Minus von gut 12 bzw. 26 Prozent. Konkurrenz bekommt das Projekt zudem von einer anderen Megabrücke, die ab 2024 die Metropolen Shenzhen und Zhongshan verbinden soll, sowie auch durch den von der chinesischen Regierung massiv betriebenen Ausbau des landesweiten Schienennetzes.
Zudem überschatteten diverse Korruptionsskandale den Bau: So wurden, wohl mehrfach, die Ergebnisse von Beton-Belastungstests gefälscht, ein Verantwortlicher dafür zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Auch seien Ergebnisse am Computer verfälscht worden. 2016 wurden dann auch technische Probleme bekannt, als eine riesige künstliche Arbeitsinsel ungeplant abdriftete. Und auch die Umwelt wird wohl unter der neuen Mega-Brücke zu leiden haben, wie Tierschützer befürchten – so sei die ohnehin empfindliche Delfin-Population in der Gegend bereits größtenteils verschwunden.
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Die chinesische Regierung greift nach Hong Kong
China-Kritiker sehen hinter dem Bau der neuen Brücke noch einen ganz anderen Grund: Peking wolle vor allem das bislang liberale Hong Kong stärker ans Festland binden, wie „Foreign Policy“ berichtet – und damit auch mehr dem Diktat der alles bestimmenden Volkspartei unterwerfen. Als Hong Kong 1997 von Großbritannien an China zurück gegeben wurde, hatte man dem Stadtstaat ursprünglich eine Art Autonomie bis 2047 zugesichert – in Hong Kong gibt es eine freie Presse und Seiten wie Google und Facebook, die für Chinesen gesperrt sind, kann man hier problemlos besuchen, ohne Repressalien fürchten zu müssen.
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Das alles, befürchten nun manche, könne zukünftig sukzessive eingedämmt werden. Ein Zeichen dafür ist auch ein neuer Hochgeschwindigkeitszug: Er verbindet die Stadt mit der Stadt Shenzhen auf dem Festland. Doch um dorthin zu gelangen, müssen Passagiere eine Grenzkontrolle über sich ergehen lassen, da Hong Kong ja de facto noch ein eigener Staat ist. Das Personal an der Grenze in Hong Kong setzt sich jedoch ausschließlich aus chinesischen Beamten zusammen, was Kritiker als einen Autoritätsverlust gegenüber der chinesischen Regierung sehen.