2. April 2020, 4:31 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Im eigenen Boot um die Welt segeln: Ist das in Corona-Zeiten die letzte Möglichkeit des Reisens? Leider nein. Zwei Segler aus Österreich erzählen, wie es ihnen ergangen ist – und vom Leben auf dem Meer.
Das weltweite Reisen ist zum Stillstand gekommen – sogar auf den Weltmeeren, dem vermeintlich letzten Ort der Freiheit. Die Österreicher Doris Renoldner, 52, und Wolfgang Slanec, 64, liegen derzeit in Französisch-Polynesien vor Anker. Seenomaden nennen sich die beiden: 1989 machten sie sich zur ersten Weltumsegelung auf, 2002 folgten weitere sieben Jahre auf dem Ozean. Über ihre Erlebnisse schreiben sie auf dem Blog www.seenomaden.at.
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Bootsquarantäne in der Südsee
Doch die große Freiheit ist erst einmal passé: Bootsquarantäne in der Südsee. Im Interview sprechen die zwei Abenteurer über diese besondere Zeit, ihre Ängste – und darüber, wie es ist, als Dauerreisende auf einem kleinen Boot unterwegs zu sein.
Sie sind im Februar von San Diego zu den Marquesas gefahren. Wo sind Sie gerade genau, und wie geht es Ihnen?
Seenomaden: „Wir liegen im Hafen von Atuona, auf der Insel Hiva Oa, wo Paul Gaugin und Jacques Brel ihre letzten Lebensjahre verbrachten. 20 Tage dauerte unsere Überfahrt zu den vielleicht schönsten Inseln der Südsee. Aber das Coronavirus hat die Welt und auch unser Leben in den letzten beiden Wochen gravierend verändert. Seit dem 21. März haben wir Bootsarrest. Das heißt, wir dürfen unser schwimmendes Zuhause nicht verlassen. Quarantäne herrscht also auch hier.“
Wie erleben Sie diese Zeit gerade?
„Hier sind wir auf sieben Quadratmeter Wohnraum eingesperrt und dürfen nicht an Land. In der Kajüte hat es tagsüber stickig heiße 35 Grad Celsius. Alle Inselstaaten und Häfen rund um uns haben dicht gemacht, keiner will mehr Segler aufnehmen. Es gibt auch keine Flüge zurück nach Europa. Zum ersten Mal sind wir Lichtjahre entfernt von der großen Freiheit. Obwohl uns alle um unser ‘Exil‘ beneiden, wären wir jetzt lieber in Österreich. In unserer kleinen Wohnung mit Minigarten in den Bergen könnten wir uns freier bewegen.“
Wie ist die Stimmung auf den Inseln gerade?
„Die Marquesas sind hohe Vulkaninseln, ursprünglich. Sechs Inseln im Archipel sind bewohnt, sie gehören zu Französisch-Polynesien. Es ist üppig, mit Mangos, Papayas, Bananen, Grapefruits, Orangen, Zitronen, Avocados. Die Einheimischen sind bis jetzt sehr nett zu uns. Auch wenn sie Sorgen haben, wissen sie, dass von uns Seglern nicht wirklich Gefahr ausgeht. Jeder, der hier ankommt, war mindestens 20 Tage auf See und somit in Quarantäne.“
Derzeit könnte man meinen: Wer segeln kann, ist als Reisender klar im Vorteil. Ist das Meer das letzte Stück Freiheit und Sicherheit?
„Auf dem Meer ist man sicher noch frei von Viren, aber zurzeit darf man kaum noch in Häfen im Pazifik anlegen. Generell ändern sich die Bestimmungen gerade täglich. In Französisch-Polynesien ist Weitersegeln derzeit untersagt. Die Polynesier fürchten sich sehr vor einer Katastrophe. Solange wir keinen Virus erwischen, ist alles okay. Wenn wir aber ärztliche Hilfe benötigen würden, wären wir in der Heimat besser aufgehoben. Hier gibt es kein Krankenhaus.“
Wie lange könnten Sie auf Ihrer „Nomad“ überleben, ohne an einem Hafen festmachen zu müssen?
„Essen haben wir derzeit für circa vier Monate an Bord, Wasser ist bei uns eher das Problem. Wir haben einen Wassertank von 250 Litern, dazu Kanister, insgesamt vielleicht 350 Liter Wasser an Bord. Aber wir können Regenwasser auffangen.
Wie schaffen Sie es, Ihre Reisen zu finanzieren?
„Unsere erste Reise haben wir mit Jobs unterwegs finanziert. Arbeiten auf anderen Booten, Weinlese in Frankreich und so weiter. Das war in den 1980er, 1990er Jahren kein Problem. Heute ist das schwieriger geworden, und wir sind älter. Wir nehmen ab und zu Mitsegler an Bord. Und in Österreich halten wir Vorträge und haben bis dato drei Bücher geschrieben. Wir leben sehr sparsam.“
Gibt es eine Nachricht, die Sie in der jetzigen Situation aus der Ferne gern mitgeben würden?
„Durchhalten, positiv denken, sich nicht unterkriegen lassen. Wir hoffen alle, dass sich die Ausnahmesituation bald entspannt und Normalität einkehren wird – auch wenn es sich anders anfühlen wird als vor der Corona-Krise.“