24. März 2023, 8:19 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Costa Rica gilt als das „grüne Paradies“ Mittelamerikas und besticht durch die landschaftliche Vielfalt und eine sichere politische Lage. Allerdings sind die Einnahmen aus dem Tourismus noch relativ gering und machten im Jahr 2019, also vor Ausbruch der Corona-Pandemie, nur 6,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus. Doch das Land mit seiner überschaubaren Größe und knapp 5 Millionen Einwohnern hat in dieser Hinsicht große Pläne. Darüber sprach TRAVELBOOK mit William Rodriguez, dem Tourismusminister von Costa Rica.
TRAVELBOOK: Costa Rica hat 2022 den TRAVELBOOK-Award als bestes Fernreiseziel gewonnen. Herzlichen Glückwunsch! Wie sehen Ihre Pläne aus, um die Qualität des Tourismus in Costa Rica auch in Zukunft zu gewährleisten?
William Rodríguez: „Ich denke, wir sollten das, was funktioniert, beibehalten. Das sind: Abenteuerurlaub, Naturerlebnisse, Nachhaltigkeit. Warum etwas ändern, das erfolgreich ist? Daneben werden wir in Zusammenarbeit mit den nationalen Ausbildungseinrichtungen gezielt Tourismusbeschäftigte in Regionen schulen, welche die Zukunft des costa-ricanischen Tourismus darstellen.“
Welche sind das?
„Die südliche Pazifikküste und die karibische Seite. Es gibt für beide Regionen Konzepte, um Investoren anzuziehen. Allerdings stehen dort noch nicht ausreichend Fachkräfte für beispielsweise die Hotellerie zur Verfügung. Das ist allerdings notwendig, bevor wir weitere Schritte unternehmen. Entsprechend liegt unser Fokus auf die Schulung und Ausbildung von Personal. Dafür haben wir gemeinsam mit nationalen Ausbildungseinrichtungen Programme entwickelt. Das umfasst den Bereich Tourismusservice, aber auch Computer- und Sprachtraining, etwa in Englisch, Deutsch oder Chinesisch.“
Besuchen denn derzeit viele Chinesen Costa Rica?
„Tatsächlich haben wir sehr wenige chinesische Touristen, aber es ist ein riesiger Markt, für den wir entsprechend ausgebildete Mitarbeiter benötigen.“
»Wir wollen nicht wie Cancún oder die Dominikanische Republik sein
Sie haben die Küstenregionen erwähnt. Könnten dort Massentourismus-Hotspots wie im mexikanischen Cancún entstehen?
„Wir wollen kein Reiseziel sein wie Cancún oder die Dominikanische Republik, das sind Massen-Reiseziele. Wir wissen, dass wir ein sehr gutes Produkt haben, das auf Natur und Abenteuer basiert und wollen dieses im vergangenen Jahr so erfolgreiche Konzept nicht kaputt machen.“
Dennoch wollen Sie die Zahl der Touristen signifikant steigern. Während es 2022 noch rund 2,35 Millionen waren, sollen es 2027 schon 3,8 Millionen sein. Ist dieses schnelle Wachstum kein Widerspruch zum Ziel der Nachhaltigkeit?
„Nein. Wir wollen perspektivisch – irgendwann in den 2030er-Jahren – so viele Besucher wie Einwohner haben. Das sind 5 Millionen. Mehr sollen es nicht sein. Diese Zahl basiert auf dem Service und den Ressourcen, etwa Wasser und Elektrizität, die wir pro Einwohner bereitstellen. Unsere Rechnung ist: pro Einwohner ein Besucher. Im Vergleich zu 2021 haben wir 2022 ein Wachstum von 72 Prozent bei den Touristenzahlen erreicht. Und für dieses Jahr haben wir uns 42 Prozent vorgenommen, um wieder an die Zahlen von 2019 anzuknüpfen.“
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Haben Sie nicht die Befürchtung, dass die Abhängigkeit von Tourismus irgendwann zu groß sein könnte?
„Glücklicherweise sind wir nicht abhängig vom Tourismus. Aktuell entfallen acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf diesen Sektor, in etwa so viel wie in der Gesundheitsbranche. Dennoch wollen wir den Tourismus auch weiter ausbauen und so die Lebensbedingungen der Menschen in den Regionen verbessern. So gibt es bereits in Zentral-Costa-Rica sogenannte ‚Freizonen‘ mit einem reduzierten oder teils auch bei null liegendem Steuersatz. Dieses Konzept wollen wir auch auf die ländlichen Gegenden und Küstenregionen ausweiten.“
Deutschland ist derzeit der drittwichtigste Tourismusmarkt für Costa Rica, nach den USA und Kanada. Was unterscheidet die Deutschen von den Nordamerikanern?
„Wir beobachten, dass die Europäer – nicht zwingend nur die Deutschen – umweltbewusster sind und sehr viel Wert auf die Bewahrung der Natur legen. Das unterscheidet sie von Besucher anderer Länder. Wir haben festgestellt, dass die Europäer das, was Costa Rica bietet, sehr genießen: die Natur, das Abenteuer und letztlich unser nachhaltiges Konzept.“
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Wenn man sich Lateinamerika anschaut, stellt Costa Rica in vielerlei Hinsicht eine Ausnahme dar. Es ist unter anderem im Vergleich zu den anderen Ländern sehr sicher. Was machen Sie anders?
„Ich denke, dafür gibt es viele Gründe. Erstens, wir haben seit 1948 keine Armee mehr. Indem wir vermeiden, Geld in Waffen und Soldaten zu stecken, fördern wir unsere Eigenverantwortung, denn es gibt schließlich keine Armee, die uns verteidigt. Ich hebe das immer hervor, weil es ein großer Unterschied im Vergleich zu unseren Nachbarländern ist. Ein weiterer Faktor ist unser Gesundheitssystem. 1944 haben wir eine umfassende Sozialversicherung eingeführt, die der von Schweden und anderen nordischen Staaten ähnelt.“
Mit Nicoya haben Sie sogar eine der fünf sogenannten „Blue Zones“ des Planeten, wo Menschen überdurchschnittlich alt werden …
„Tatsächlich ist die Lebenserwartung in Costa Rica eine der höchsten weltweit. Zudem haben wir auch ein starkes Bewusstsein dafür, dass wir uns selbst um unsere Bildung und letztlich um uns selbst kümmern müssen.“
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Costa Rica ist auch auf Platz eins beim „Happy Planet Index“. Was ist der Grund dafür, dass Costa Ricaner so glücklich sind?
„Auch hier: Unser Bildungs- und Gesundheitssystem und dass wir keine Armee haben, macht wirklich einen großen Unterschied. So wie die Tatsache, dass wir im Vergleich zu anderen Ländern, vor allem in Südamerika, ein sehr sicheres Land sind. Obwohl wir natürlich auch unsere Probleme haben, das ist nicht zu leugnen.“
Welche Probleme gibt es, wenn man sich den Tourismusbereich anschaut?
„Wir müssen die Zahl der angebotenen Produkte steigern. Denn fünf von zehn Besuchern kommen wieder und sie wollen beim zweiten Mal etwas anderes sehen. Wir wollen außerdem, dass die Zahl der Tage pro Besuch noch weiter steigt. Schon jetzt kommen wir auf 14 Tage pro Besuch – das ist fast so viel wie Australien und Neuseeland mit 16 Tagen.“
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Neue Flughäfen sollen den Tourismus in Costa Rica ankurbeln
Das liegt auch daran, dass Costa Rica, wie auch Australien und Neuseeland, nur mit einer langwierigen Flugreise erreichbar ist. Ihr Land ist schon aufgrund der Lage sehr abhängig vom Luftverkehr. Nun planen Sie auch neue Flughäfen …
„Für die Karibikküste haben wir den Bau eines neuen Airports angekündigt. Ebenso für die südliche Pazifikküste an der Grenze zu Panama. Das ist eine Region mit außergewöhnlichen Attraktionen, aber sie ist von San Jose aus nicht so leicht zu erreichen. Darum bauen wir dort einen neuen internationalen Flughafen für Schmalrumpfflugzeuge wie die Boeing 737. Aber der Karibik-Airport wird zuerst fertig.“
Sind neue Flughäfen nicht ein Risiko, wenn es nicht genug Verbindungen gibt, die sie ansteuern?
„Um von Europa nach Costa Rica zu fliegen, sind Großraumflugzeuge nötig – und die sind für die Airlines gerade nicht kurzfristig zu beschaffen. Außerdem haben die Fluglinien derzeit Probleme beim Personal: Viele Mitarbeiter haben sich während der Pandemie auf dem Arbeitsmarkt umorientiert, und nun ist es schwierig, diese Lücken zu schließen. Das wird sicher noch drei bis vier Jahre andauern. Aber das betrifft die ganze Welt.“
Korrekt. Viele Reiseziele buhlen derzeit um die Flugkapazitäten der Airlines …
„Wir haben mit Lufthansa gesprochen. Aktuell fliegen sie dreimal die Woche nach Costa Rica. Wir würden gern, dass sie wenigstens einen zusätzlichen Flug machen – hier könnten wir in wirtschaftlicher Sicht etwas unterstützen. Aber sie haben nicht die notwendige Ausrüstung und das Personal.“
Zum Abschluss noch was zum Wegträumen: Welche weniger bekannten Orte in Costa Rica sollten Urlauber unbedingt einmal besuchen?
„Ganz klar die Karibikküste und dort Cahuita und Puerto Viejo. Außerdem die südliche Pazifikküste mit der Halbinsel Osa.“