28. Juli 2023, 5:56 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Gegründet vor über 1100 Jahren von zwölf Mönchen, wurde die Abtei von Cluny eine der mächtigsten Institutionen des Mittelalters. Das Wahrzeichen des Ortes war die über 300 Jahre lang größte Kirche des gesamten Christentums. Doch auf dem Höhepunkt der Macht begann auch der Verfall der Abtei – bis sie schließlich als Steinbruch endete.
Wer heute die Kleinstadt Cluny in der französischen Region Burgund besucht, würde wohl kaum vermuten, dass dieser Ort einst über Jahrhunderte die Geschicke der westlichen Welt prägte. Und noch viel weniger, dass sich hier mehr als 300 Jahre lang die größte Kirche der gesamten Christenheit befand. Von dem „Maior Ecclesia“ genannten Prunkbau steht heute jedoch nur noch ein kleiner Teil. Und doch vermittelt er einen Eindruck von der Macht, den die bis ins 18. Jahrhundert bestehende Abtei von Cluny einst besaß.
Laut der offiziellen Seite der Abtei von Cluny wurde das Kloster bereits im Jahr 910 von Wilhelm dem Frommen, Graf von Aquitanien, gegründet. Damals lebten hier gerade einmal zwölf Benediktiner-Mönche. Sie wollten die Regeln ihres Ordens, besonders das Armutsgebot, wieder strenger befolgen, und suchten darum in Cluny die Isolation. Sie ahnten nicht, dass ihre Abtei schon bald die mächtigste der ganzen Welt werden sollte. Der Grundstein für den märchenhaften Aufstieg: Cluny war nicht wie sonst üblich weltlichen Gewalten unterstellt, sondern wurde direkt von den Mönchen verwaltet.
Die mächtigste Abtei der Welt
Dieses Modell erwies sich als derart erfolgreich, dass sich schnell der Orden der Cluniazenser gründete. Schon bald hatte die Abtei von Cluny etliche Klöster in ganz Europa neu gegründet bzw. unter seine Verwaltung gebracht. Auf dem Höhepunkt ihrer Macht herrschten die Brüder von Cluny über mehr als 1400 andere Klöster und bis zu 20.000 Mönche. So wurde die Abtei „Atlas Obscura“ zufolge auch die reichste der gesamten westlichen Welt. Die hier lebenden Mönche widmeten ihre Zeit ausschließlich dem Gebet – und ihrem immer ausschweifenderen Lebensstil.
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In völliger Perversion des ursprünglichen Armutsgebotes schmückten sie ihre Kirchen mit Gold und Edelsteinen, trugen selbst die teuersten Gewänder und genossen exklusive Delikatessen im Überfluss. Doch die Krönung der Abtei von Cluny stand da erst noch bevor: Der Bau der größten Kirche, die das Christentum bis dahin je gesehen hatte. Im Jahr 1088 begann laut offizieller Webseite die Konstruktion der „Maior Ecclesia“. Die Deckengewölbe 30 Meter hoch und mit einer Länge von 187 Metern, wurde sie auch zum gewaltigsten jemals im romanischen Stil erbauten Gotteshaus. Im Jahr 1130 feierte man schließlich die Einweihung.
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Ein Ende als Steinbruch
Doch die Kirche war trotz ihrer Dimensionen nur eine unter vielen religiösen Attraktionen. In der Abtei von Cluny waren dem „Spiegel“ zufolge auch zahlreiche Reliquien ausgestellt, die Pilger in Scharen anlockten. Sogar Päpste besuchten mit ihrem gesamten Gefolge das Kloster, das auch die Wissenschaften förderte. Zwei seiner Äbte sprach man später heilig. Und so profitierte vom Aufschwung des Klosters die gesamte Region Burgund wirtschaftlich. Bis im Jahre 1506 die Bauarbeiten am Petersdom in Rom begannen, hielt die „Maior Ecclesia“ den Ehrentitel als größte Kirche der Christenheit.
Der Niedergang der Abtei von Cluny begann allerdings schon viel früher. Laut „Atlas Obscura“ verlor das Kloster bereits im 13. Jahrhundert seine Unabhängigkeit. Der französische König besetzte fortan den Posten des Abtes, also des Klostervorstandes, mit ihm ergebenen Personen. Das endgültige Ende des einst mächtigsten Klosters der Welt kam mit der Französischen Revolution 1789. Die Besitztümer der Abtei wurden beschlagnahmt, der Orden aufgelöst. Besonders hart traf es die „Maior Ecclesia“, die man kurzerhand zum Steinbruch umfunktionierte. Der Seite „Burgund Tourismus“ nach kaufte ein Unternehmer die gesamte Abtei. Und zerstörte sie großflächig durch Sprengungen.
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Und so sind heute von der einst so mächtigen Abtei von Cluny nur noch ein paar Mauern und Türme geblieben. Von der „Maior Ecclesia“ sind nur der Grundriss und einzelne Stümpfe von Pfeilern und Kapitellen erhalten. Anlässlich des 1100-jährigen Jubiläums des Klosters ließ der französische Staat die Überreste für etwa 17 Millionen Euro wieder instand setzen. Seitdem kann man als Besucher auf einem schwenkbaren 3D-Bildschirm nachvollziehen, wie die Abtei einst ausgesehen haben muss. Gut erhalten sind auch die Klostergebäude aus dem 18. Jahrhundert. Mehr als 100.000 Besucher pro Jahr zeugen davon, dass die Abtei von Cluny auch mehr als 1100 Jahre nach ihrer Erbauung nichts von ihrem Reiz verloren hat.