10. Mai 2023, 17:47 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Höher, schneller, weiter: Seit den 2000er-Jahren jagt man in Dubai Rekord nach Rekord. Und das nicht nur in der Mega-Metropole selbst, sondern auch vor ihrer Küste – die berühmte wie umstrittene künstliche Inselgruppe „The Palm Jumeirah“ ist nur eines der spektakulären „Meeres-Projekte“. Nun geht Dubai wieder auf Superlativ-Jagd im Persischen Golf. Mit den „Dubai Reefs“ soll nicht nur ein schwimmendes „lebendes Labor“ für Meeressanierung entstehen, sondern auch das größte künstliche Riff der Welt. Was es ausmacht und warum man auch bei einem solchen Projekt die VAE nicht glorifizieren sollte – ein Überblick.
Vor dem „Burj Khalifa“, dem höchsten Gebäude der Welt, tanzen mit den „Dubai Fountains“ die „choreografierten Wasserfontänen“ des größten aufeinander abgestimmten Springbrunnensystems der Welt. Im Schatten des 162-stöckigen und 828 Meter hohen „Burj Khalifa“ steht mit der „Mall of the Emirates“ die weltweit größte Shopping-Mall. Sie ist in etwa so groß wie 50 Fußball-Plätze und sogar eine 85 Meter hohe Indoor-Skipiste sowie eine Eislaufbahn passen locker in das Luxus-Shopping-Center. Dubai ist auf der ganzen Welt bekannt für seinen Gigantismus. Auch das Konsumrad dreht sich auf höchstem Niveau. Eine Erhebung basierend auf Daten aus dem Jahr 2022 zeigt: In Dubai geben Urlauber mit fast 27,15 Milliarden von allen Städten der Welt mit Abstand am meisten aus (TRAVELBOOK berichtete). Somit dürfte es für das von dem Architekturbüro „URB“ am 9. Mai vorgestellte nächste Rekord-Projekt „Dubai Reefs“ an Geld nicht mangeln.
Wenn Gigantismus auf Nachhaltigkeit treffen soll – TRAVELBOOK kennt die Details des ambitionierten Projekts, das mehr als 30.000 Arbeitsplätze schaffen soll.
„Dubai Reefs“: Leben, forschen, wohnen und Urlaub machen
Die „Dubai Reefs“ sollen eine „nachhaltige, schwimmende Gemeinschaft für Meeresforschung, Regeneration und Ökotourismus“ werden, heißt es auf der Webseite des Architekturbüros URB. Das Projekt umfasst Wohnungen, Gastronomie, Einzelhandel, Bildungs- und Forschungseinrichtungen – Meer und Stadt sollen „im Gleichgewicht gedeihen“. Auch 100 Millionen Mangrovenbäume will man pflanzen.
„Die Gesundheit unserer Städte ist untrennbar mit der Gesundheit unserer Ozeane verbunden“, erklärt Baharash Bagherian, der Geschäftsführer der Architekturbüros URB. „,Dubai Reefs‘ soll nicht nur ein einzigartiges, widerstandsfähiges Reiseziel für Ökotourismus und Meeresforschung werden, sondern auch eine Blaupause für das Leben im Meer und gleichzeitig die Auswirkungen des Klimawandels abmildern.“
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Mit verschiedenen schwimmenden „Öko-Lodges“ will man „Meeres-Ökotourismus“ bieten. Die Lodges sollen ausschließlich mit erneuerbarer Energie, vor allem aus Solar- und Wasserkraft, betrieben werden. Dazu gehören auch Wellenfarmen, die saubere Energie für die wachsende Bevölkerung Dubais erzeugen sollen. Auch auf die regenerative Meereslandwirtschaft, eine klimafreundliche Methode der Nahrungsmittelproduktion, will man setzen.
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Das größte künstliche Riff der Welt
Immer wieder wird auf der Webseite von URB die Nachhaltigkeit des Projekts „Dubai Reefs“ betont. So soll das Meeresinstitut das Herzstück des Projekts werden. Hier will man sich für einen besseren Schutz der Meeres- und der Küstenumwelt Dubais einsetzen und auf einer Fläche von 200 Quadratkilometern das größte künstliche Riff der Welt erschaffen. Das Riff soll Heimat für mehr als eine Milliarde Korallen werden.
Mit den „Dubai Reefs“ will man Dubai als Öko-Destination etablieren, die soziale, ökologische und wirtschaftliche Vorteile haben soll. Ob es sich bei der Nachhaltigkeit um ein Marketing-Instrument oder echten Fokus handelt, bleibt abzuwarten. Zu konkreten Zeitplänen für die „Dubai Reefs“ ist bisher noch nichts bekannt.
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Das absolutistische System hinter glitzernden Fassaden
Dass die Glitzer-Metropole Dubai nun auch ein Öko-Reiseziel werden will, steht ebenso im Kontrast wie der Wüstensand zu den berühmten Rekord-Gebäuden. So modern und ambitioniert die Pläne klingen: Hinter den glänzenden Fassaden der Superlativ-Bauten verbirgt sich noch immer ein autoritäres System. Zwar führt Dubai weiter die Tripadvisor-Liste der beliebtesten Reiseziele 2023 an, doch landen die Vereinigten Arabischen Emirate im „Demokratie-Index“ mit nur 2,9 von möglichen 10 Punkten nur auf Platz 133 von 167.
Auch Amnesty International kritisiert die VAE scharf wegen der Menschenrechtsverletzungen. So gebe es noch immer willkürliche Inhaftierungen und eine grausame und unmenschliche Behandlung von Gefangenen. Dazu seien die Rechte auf freie Meinungsäußerung sowie auf die Privatsphäre in den VAE weiterhin enorm verletzt worden. Dazu heißt es: „Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) verweigerten staatenlosen Personen weiterhin das Recht auf Staatsangehörigkeit, was ihren Zugang zu einer Reihe von Dienstleistungen beeinträchtigte. Gerichte fällten Todesurteile, und es gab Berichte über Hinrichtungen.“ Die sexuelle Aktivität außerhalb der heterosexuellen Ehe ist in den VAE illegal – genau wie die Homosexualität. Ein freies Leben für die LQBTQI+-Community ist daher weiterhin in den Emiraten nicht möglich.
Allen lobenswerten Umwelt-Bestrebungen zum Trotz sollte man sich deshalb immer darüber bewusst sein, dass es sich bei den Vereinigten Arabischen Emirate um ein nicht demokratisches, autoritäres Regime handelt, dessen „Rechtssystem“ vornehmlich auf der Scharia beruht.