19. Mai 2023, 12:44 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Vor mehr als 100 Jahren sank die Titanic, erst rund 70 Jahre später wurde das Wrack des Luxusliners vor der Küste Kanadas entdeckt. Jetzt ist es Forschern erstmals gelungen, die Überreste der Titanic in fast 4000 Metern Tiefe mittels Tausender 3D-Bilder zu scannen. Die Aufnahmen zeigen das Wrack so detailliert wie nie. Die Wissenschaftler erhoffen sich dadurch neue Erkenntnisse über den dramatischen Untergang, der immer noch Rätsel aufwirft.
Es war in den frühen Morgenstunden des 15. April 1912, als der luxuriöse Ozeandampfer der Reederei White Star Line südöstlich von Neufundland mit einem Eisberg kollidierte und innerhalb kürzester Zeit sank. 1517 der insgesamt 2224 Menschen an Bord starben. Erst im Jahr 1985 entdeckte man das Wrack der Titanic in mehr als 3800 Metern Tiefe am Meeresgrund. Seitdem ist es mithilfe von Tauchrobotern oder im Rahmen von Tauchexpeditionen ausgiebig erforscht worden. Allerdings war es in der großen Tiefe bislang immer nur gelungen, einzelne Teile des riesigen Schiffswracks zu fotografieren. Die jetzt von der britischen „BBC“ veröffentlichten Aufnahmen zeigen die gesunkene Titanic erstmals in ihrer vollen Größe.
Gelungen sind die faszinierenden Aufnahmen laut „BBC News“ mittels Tiefseekartierungen. Hierfür haben Tauchboote, die von einem Team an Bord eines Spezialschiffs ferngesteuert wurden, mehr als 200 Stunden damit verbracht, die Länge und Breite des Wracks zu vermessen und zu scannen. Dabei wurden mehr als 700.000 Bilder aus allen Blickwinkeln aufgenommen und eine genaue 3D-Rekonstruktion des Titanic-Wracks erstellt.
3D-Fotos zeigen erstaunliche Details des Titanic-Wracks
Gerhard Seiffert von Magellan Ltd, der die Planung der Expedition leitete, erklärte gegenüber „BBC News“, dies sei das größte Unterwasser-Scanning-Projekt gewesen, das er je durchgeführt habe. „Die Tiefe von fast 4000 Metern stellt eine Herausforderung dar. Außerdem gibt es dort Strömungen, und wir durften nichts berühren, um das Wrack nicht zu beschädigen“, sagte er.
Die Fotos zeigen sowohl den Maßstab des Titanic-Wracks als auch winzige Details, wie etwa die Seriennummer auf einem der Schiffspropeller. Der Bug ist auch 111 Jahre nach dem Untergang des Schiffes noch gut zu erkennen. Oben befindet sich das Bootsdeck – dort, wo einst die große geschwungene Treppe stand, klafft ein großes Loch. Das Heck ist dagegen ist schon damals beim Untergang in sich zusammengestürzt, als es auf dem Meeresboden aufprallte.
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Schuhe und ungeöffnete Champagner-Flaschen
Das Wrack ist umgeben von Schlamm und Trümmern. Die Aufnahmen zeigen unter anderem verzierte Metallarbeiten des Schiffs, Statuen und sogar ungeöffnete Champagnerflaschen. Zu erkennen sind auch viele persönliche Gegenstände der Menschen, die damals an Bord waren, darunter Dutzende Schuhe.
Die Wissenschaftler hoffen, dass die detaillierten Aufnahmen dabei helfen, der genauen Ursache des Schiffsuntergangs näherzukommen, sagte der Titanic-Experte Parks Stephenson zu „BBC News“. „Es gibt immer noch Fragen, grundlegende Fragen, die über das Schiff beantwortet werden müssen. Wir verstehen nicht wirklich, wie die Kollision mit dem Eisberg genau ablief. Wir wissen nicht einmal, ob die Titanic ihn an der Steuerbordseite getroffen hat, wie es in allen Filmen gezeigt wird. Sie könnte auch auf dem Eisberg aufgelaufen sein.“ Die Untersuchung des Hecks könnte zudem Aufschluss darüber geben, wie das Schiff auf den Meeresboden aufgeschlagen sei.
Was die neuen 3-D-Fotos des Titanic-Wracks auch zeigen, ist dessen fortschreitender Verfall. So ist der Bug inzwischen mit Roststalaktiten besetzt, Mikroben zerfressen den Rumpf. Durch den Scan konnte jetzt immerhin der aktuelle Zustand des Wracks für die Ewigkeit „eingefroren“ werden – und die Forscher hoffen, dass sie die letzten Rätsel um das berühmteste Schiffswrack der Welt vielleicht doch noch lösen können.