21. Oktober 2023, 13:31 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
In Rudolstadt lernte der Dramatiker Friedrich Schiller zwei Frauen kennen, die seine Leidenschaft entfachten. Eine davon wurde seine Frau. Heute vermarktet sich die Stadt als „Schillers heimliche Geliebte“. Ein Rundgang.
War es Zufall, Fügung? Oder ein schlichter Umweg auf dem Weg nach Weimar, der Friedrich Schiller am 6. Dezember 1787 nach Rudolstadt führte? Auf jeden Fall war die Stadt im Südosten Thüringens für den jungen Dichter Neuland: „Die Gegend um Rudolstadt ist außerordentlich schön. Ich hatte nie davon gehört und bin sehr überrascht worden“, schrieb er zwei Tage später an seinen Freund Gottfried Körner.
Nichts weiter als einen Tagesausflug also unternahm der Dramatiker, und doch sind gewisse Folgen 236 Jahre später überall in der Stadt lebendig. Das gilt besonders für das Haus, das Schiller damals besuchte und das heute das „Schillerhaus“ ist.
Hochzeit nach zwei Jahren
„Eine Frau von Lengenfeld lebt da mit einer verheiratheten und einer noch ledigen Tochter. Beide Geschöpfe sind (ohne schön zu seyn) anziehend und gefallen mir sehr“, schrieb der Dichter an Körner.
Um es kurz zu machen: Die ledige Tochter hieß Charlotte von Lengefeld, sie wurde nur gut zwei Jahre später Schillers Ehefrau. Die verheiratete Tochter hieß Caroline von Beulwitz. Für sie war der ausgedehnte Sommer, den Schiller im Folgejahr in Rudolstadt verlebte, ebenfalls eine glückliche Zeit.
Eine Dreiecksbeziehung, wie sie 2014 im Spielfilm „Die geliebten Schwestern“ Dominik Graf skizzierte? „Ich war ja nicht dabei“, sagt Christian Hofmann, Leiter des im Haus untergebrachten Schiller-Museums. Er hält sich lieber an die überlieferten Fakten. Etwa, dass der Wohnort der Schwestern auch Treffpunkt von literarisch interessierten Bürgerlichen und Adligen war, darunter Goethes Freundin Charlotte von Stein.
Das Museum bleibt auf seiner Website mindestens zweideutig: „Vor allem während des ersten längeren Aufenthaltes Schillers in der kleinen Residenzstadt wurde seine Leidenschaft für die noch unverheiratete Charlotte und ihre ältere Schwester geweckt.“
Schiller trifft Goethe
Seinem Vorbild Goethe begegnete Schiller hier zum ersten Mal persönlich. „Auch wenn das damals noch keine fruchtbare Arbeitsbeziehung war“, sagt Hofmann. Sondern eher ein flüchtiges Kennenlernen. So vermittelt es die Ausstellung im Museum.
Die Büsten Schillers und Goethes stehen sich gegenüber, der Audioguide überträgt gegenseitige Ressentiments aus Briefen. Doch dass es auch positive Berührungspunkte gab, illustriert eine Ellipse im Holzparkett. „Das deutet die geistige Schnittmenge an“, so der Museumsleiter.
Ein Anfang war gemacht und der „Rudolstädter Sommer“ für Schiller offenbar kaum zu unterschätzen: „Ein Lebenswendepunkt, vorher war er immer auf der Flucht gewesen“, resümiert Hofmann. Für den Dichter fand Charlotte zunächst ein Zimmer beim Kantor im Dorf Volkstedt, heute ein Ortsteil von Rudolstadt. Es bedeutete allerdings auch eine halbe Stunde Fußweg durch die Felder rund um das Saaleknie bis zu den Lengefelds. Deshalb sei Schiller zum Herbst in den Gasthof „Güldene Gabel“ umgezogen.
Beide Unterkünfte gibt es heute nicht mehr, dafür aber hinter der heutigen Schillerbrücke über die Saale eine fast 200 Jahre alte Naturgedenkstätte im Buntsandstein: Ein schwarzer Abguss der berühmten Schiller-Büste blickt gen Volkstedt. Die einst prächtige Aussicht schmälert hoher Pflanzenbewuchs.
Für gute Ausblicke muss man in Rudolstadt höher hinauf. Am besten vorbei an der dreischiffigen Hallenkirche St. Andreas, in der Schiller 1788 das Grab der „heldenmütigen Katharina“ besuchte. Sie war Gräfin zu Schwarzburg und furchtlose Lutheranerin.
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Schiller-Zitate allerorten
Und wurde vom Historiker Schiller verewigt. Er porträtierte sie in der Anekdote „Herzog von Alba bei einem Frühstück auf dem Schlosse zu Rudolstadt, im Jahr 1547“. Wiederum an seinen Freund Gottfried Körner schrieb er, die „Gegend um Rudolstadt mit dem weissen, großen Schlosse auf dem Berg“ habe ihn angenehm überrascht.
Auch heute noch ist Schloss Heidecksburg Wahrzeichen der Stadt. Drinnen bekommen Besucher Einblicke in Porzellankunst und Rokoko-Säle und damit in die Repräsentationsbedürfnisse der Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt. Draußen gibt es den erwähnten Ausblick: auf Altstadt und Neubausünden, auf die Ausläufer des Thüringer Waldes.
Noch besser wird es nur, wenn man die Saaleseite wechselt, die Anhöhen des Ortsteils Cumbach erklimmt und damit das Schloss selbst in den Blick nimmt. Einst wollte Charlotte ihren Schiller in der fürstlichen Gärtnerei unterbringen, verzichtete aber wegen der vielen lauten Gartenfeste darauf.
Noch heute präsent sind der Klassiker und sein Umfeld überall in der Residenzstadt, die sich als „Schillers heimliche Geliebte“ vermarktet – mit Zitaten auf neu gestrichenen Häuserfassaden, in Form von Büsten oder Erinnerungstafeln.
Mehrfach besuchte Schiller die ehemalige Glockengießerei, auch wenn sein „Lied von der Glocke“, eines der bekanntesten deutschen Gedichte, über dessen Entstehung er Goethe brieflich unterrichtete, erst zehn Jahre später fertig wurde.
Schiller-Wanderweg
Wer Schillers Wohn- und Wirkungsstätten, Rudolstadts Umgebung und das Ufer der Saale zusammen erleben möchte, kann sich auf den Schiller-Wanderweg begeben – knapp zwölf Kilometer geht es im Rund. Ein Schillerverein wurde mittlerweile wieder aufgelöst.
Vielleicht ist das Grund dafür, dass sowohl der Weg als auch die Naturgedenkstätte „Schillershöhe“ an seinem Rand, einst beliebtes Ausflugsziel des Dichters, wenig gepflegt wirken. „Es kommen keine jungen Leute nach“, sagt Gabi Pfeifer, die selbst Vereinsmitglied war und auch der örtlichen Goethe-Gesellschaft angehört.
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Dichten und Sterben in Weimar
Nördlich von Rudolstadt trifft man zudem auf den Goethe-Wanderweg. Die 29 Kilometer lange Strecke zwischen Weimar und Großkochberg will der Dichter in vier Stunden bewältigt haben – was mehr Dichtung als Wahrheit sein dürfte, aber für die Sehnsucht nach dem „Schloss hinter den Bergen“ steht: Wasserschloss Kochberg.
Der Landsitz der Familie Charlotte von Stein war Treffpunkt vieler Künstler, darunter auch Schiller. Immer noch ist hier die Kultur zu Hause – ein „Liebhabertheater“ wurde wiederbelebt. Das gilt allerdings nicht für die Gastronomie, die in der Region häufig wegen Personalmangel schließen muss.
1799, das Jahr in dem „Das Lied von der Glocke“, aber auch das Drama „Wallenstein“ fertig wurden, zog Schiller nach Weimar. Spätestens in Weimar wird auch Schillers Charlotte wieder lebendig: Das ehemalige Wohnhaus der Familie, das Schiller erwarb, ist heute ein Museum.
Hier arbeitete Schiller und verstarb 1805. Goethes Wohnhaus hat allerdings mehr Besucher. „Schiller kommt in Weimar häufig ein wenig zu kurz“, sagt eine Sprecherin der für den Tourismus zuständigen Weimar GmbH. Aber dafür gibt es ja Rudolstadt.
Schillers Rudolstadt – weitere Informationen
Anreise
Rudolstadt liegt etwa eine Autostunde südöstlich von Thüringens Landeshauptstadt Erfurt. Der Bus 113 verbindet beide Städte in knapp anderthalb Stunden miteinander.
Unterwegs vor Ort
Der Schiller-Rundwanderweg beginnt und endet am Festplatz Bleichwiese. Für die 11,5 Kilometer sollte man ca. 3 Stunden einplanen. Über die Anhöhen im Ortsteil Cumbach führt auch der Saaleradweg.
Museen
Das Schillerhaus hat dienstags bis sonntags von November bis März zwischen 10 und 17 Uhr geöffnet, in den übrigen Monaten bis 18 Uhr. Der Eintritt kostet 6 Euro und ist für Kinder und Schüler frei. Schloss Heidecksburg hat die gleichen Öffnungszeiten und kostet 9 Euro Eintritt, Kinder bis 14 Jahre zahlen nichts. Die Kombikarte „Heidecksburg und Schillerhaus“ kostet 8 Euro.