1. September 2023, 15:00 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Die wenigsten wissen, dass der weltberühmte Abenteuer-Roman „Robinson Crusoe“ zumindest in Teilen auf einer wahren Geschichte basiert. Sogar eine chilenische Insel ist nach dem Abenteurer benannt. TRAVELBOOK erzählt ihre bewegte Geschichte.
Im Jahr 1719 ereignete sich in England eine literarische Sensation, als der Autor Daniel Defoe seinen Roman „Robinson Crusoe“ veröffentlichte. Heute gehört das Buch zu den meistgelesenen aller Zeiten, ist in unzählige Sprachen übersetzt. Generationen von Lesern träumten sich seitdem mit dem berühmtesten Schiffbrüchigen der Welt auf die Insel, auf der er seine unglaublichen Abenteuer erlebte. Was aber wohl nur die wenigsten wissen: Robinson Crusoe hatte vermutlich ein reales Vorbild.
Wie unter anderem „BBC“ berichtet, handelte es sich dabei um den schottischen Seemann Alexander Selkirk, der tatsächlich viereinhalb Jahre lang in völliger Isolation auf der Insel Màs a Tierra lebte, die heute zu Chile gehört, und seit 1966 offiziell den Namen Isla Robinson Crusoe trägt. Historiker streiten sich, was damals im Jahre 1704 tatsächlich passierte. Demnach hatte Selkirks Schiff auf Màs a Tierra angelegt, fuhr jedoch ohne ihn wieder ab.
Viereinhalb Jahre in völliger Einsamkeit
Überliefert ist, dass Selkirk die Weiterreise mit seinem Schiff verweigerte, da er nicht mehr an dessen Seetüchtigkeit glaubte. Er sollte recht behalten, denn auf der Rückreise sank das Boot tatsächlich, wobei die Hälfte der Besatzung ertrank. Selkirk selbst war sich sicher, er würde innerhalb der nächsten Wochen oder schlimmstenfalls Monate von der Insel gerettet werden, denn englische Schiffe kamen zu dieser Zeit häufiger in die Gewässer vor Chiles Küste. Er vertat sich jedoch um viereinhalb Jahre.
Solange dauerte es, bis ihn im Jahr 1709 die Besatzung eines britischen Schiffs fand und wieder mit nach Hause nahm – bis dahin hatte er von Fisch, Beeren und den wilden Ziegen gelebt, die die Insel bevölkerten, zudem gab es reichlich Süßwasser-Quellen. Um die menschliche Sprache nicht zu verlernen, las er sich selbst laut aus der Bibel vor. Als man ihn fand, beschrieb der Kapitän des rettenden Schiffes ihn folgendermaßen: „Ein Mann gekleidet in Ziegenhäute, der wilder aussah als die ursprünglichen Ureinwohner.“
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Zwischen Fakten und Fiktion
Zurück in London wurden Selkirk und seine Geschichte schnell eine kleine Sensation, die in den Salons der feinen Gesellschaft wie ein Lauffeuer die Runde machte – und so kam sie dann vermutlich auch dem Autor Defoe zu Ohren, der sie zu seinem Weltbestseller verarbeitete. Dabei nahm er sich allerdings sehr viele stilistische Freiheiten, wie „National Geographic“ rekonstruiert hat. So verlegte er unter anderem die Geschichte auf eine Karibik-Insel und gab seinem Robinson den Begleiter Freitag an die Seite – Selkirk selbst aber hatte ganz allein gelebt.
Literatur-Wissenschaftler glauben daher mittlerweile, dass Selkirk doch nicht das literarische Vorbild für Robinson Crusoe gewesen sein könnte, bzw. zumindest nicht er allein. „National Geographic“ nennt an dieser Stelle als andere mögliche Inspiration den Seemann Robert Knox, der 20 Jahre auf Sri Lanka gefangen gehalten worden war – in dem Buch lebt Robinson Crusoe 28 Jahre allein auf der Insel. Wie dem auch immer sei, 1966 änderte die chilenische Regierung den Namen der Insel, auf der Selkirk einst viereinhalb Jahre lebte, von Màs a Tierra in Isla Robinson Crusoe. Böse Zungen behaupten, dass dies hauptsächlich der Befeuerung des Tourismus gedient habe.
Liegt auf der Insel Robinson Crusoe ein gewaltiger Schatz vergraben?
Heute leben auf der Insel noch etwa 800 Menschen. Hauptsächlich bestreiten sie ihren Lebensunterhalt mit Fischfang und Tourismus, wie „BBC“ berichtet. Mehrmals die Woche wird die Isla Robinson Crusoe vom chilenischen Festland, von dem sie 700 Kilometer entfernt ist, angeflogen. Es gibt eine einfache Landebahn. Eine tragische Parallele gibt es dennoch zwischen dem Buch und der Realität: Der fiktive Robinson Crusoe erlebt auf „seiner“ Karibik-Insel ein Erdbeben und einen anschließenden Tsunami. Genau das Gleiche ereignete sich 2010 auf der Isla Robinson Crusoe. 16 Menschen verloren damals ihr Leben.
Doch nicht nur als vermeintliche Roman-Vorlage fasziniert die Insel bis heute Menschen auf der ganzen Welt: Hier soll ein gewaltiger Piraten-Schatz vergraben liegen, laut dem „Guardian“ bis zu zehn Milliarden Dollar wert. Unter den Preziosen soll sich unter anderem auch eine Halskette der Frau des legendären Inka-Königs Atahualpa befinden. Zudem 800 Fässer mit Gold- und Silbermünzen, erbeutet und versteckt von dem spanischen Freibeuter Esteban Ubillo y Echeverría.
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Protest gegen die Schatzsuche
1761 sei der Schatz demnach schon einmal von der britischen Marine gehoben worden. Doch ein aufkommender Sturm zwang die voll beladenen Schiffe schließlich zur Umkehr. Der Kommandant der Mission, Cornelius Webb, entschied sich schließlich, die Beute nochmals zu verbuddeln und zu einem späteren Zeitpunkt zu heben. Zu diesem Zweck fertigte er zwei Schatzkarten an. Eine davon erwarb schließlich 1998 der niederländisch-amerikanische Textilmagnat Bernard Keiser von einem chilenischen Politiker. Seitdem sucht er nach dem Schatz, mittlerweile mehr als 20 Jahre.
2019 wurde die Geschichte schließlich noch einmal von den Medien aufgegriffen. Denn Keiser hatte die Erlaubnis erhalten, auf einem Gebiet der Insel danach zu graben, das sowohl als Nationalpark als auch als Unesco-Biosphärenreservat ausgezeichnet ist. Daraufhin brach ein Sturm des Protestes unter Archäologen, Umweltschützern und nicht zuletzt den Inselbewohnern los. Pikant: Kurz zuvor war der Direktor der Behörde, die die Erlaubnis schließlich gab, und der ein entschiedener Gegner der Schatzsuche war, entlassen worden. Laut einer Stellungnahme der chilenischen Regierung hatten die beiden Ereignisse aber keine Relation.
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Vor allem Archäologen warfen der Behörde vor, eine Entscheidung getroffen zu haben, die „überhaupt nicht in ihrem Kompetenzbereich liegt“, wie die spanischsprachige Zeitung „Expreso“ wiedergibt. Solche sensiblen Ausgrabungen, noch dazu in einem Schutzgebiet, müssten von Profis durchgeführt werden. Weiter hieß es: „Das Anliegen von Herrn Keiser ist nicht wissenschaftlich, sondern rein kommerziell“. Die Zeitung berichtet auch, Keiser habe sich bereits wiederholt über Auflagen hinweggesetzt, die an die Erlaubnis geknüpft waren.
Auf der Jagd nach dem Vermögen hat Keiser bereits einen Teil seines eigenen ausgegeben, laut Schätzungen etwa fünf Millionen Dollar. Sollte er den Schatz eines Tages wirklich finden, dürfte er aber nur 25 Prozent davon behalten. Der Rest ginge an die chilenische Regierung. Das letzte Kapitel in der Geschichte der Isla Robinson Crusoe ist also noch lange nicht geschrieben. Und auch wenn der schottische Seemann Alexander Selkirk gar nicht wirklich das Vorbild für die Romanfigur gewesen sein sollte, ist er selbst doch unsterblich geworden. Denn eine kleine Insel, 170 Kilometer von der Isla Robinson Crusoe entfernt, trägt heute seinen Namen: Isla Alejandro Selkirk.