24. April 2023, 7:36 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Lange war Albanien für Urlauber ein nicht zu erreichender Ort. Denn der winzige Balkanstaat schottete sich zwischen 1944 und 1990 aufgrund des brutalen kommunistischen Regimes unter Diktator Enver Hoxha hermetisch von der Außenwelt ab. Doch schon seit einigen Jahren gilt Albanien als Trendziel und erfreut sich wachsender Beliebtheit und steigender Urlauberzahlen. Albanien sieht im Tourismus großes Potenzial und verbessert die touristische Infrastruktur, vor allem durch den Bau neuer (Flug-)Häfen, Autobahnen und Hotels. Was Reisende von einem Albanien-Urlaub erwarten können und worauf sich das Land fokussiert, wenn es um den aktuellen sowie den Tourismus der Zukunft geht – darüber hat TRAVELBOOK mit der Umwelt- und Tourismusministerin gesprochen.
Bereits zum 18. Mal hat „Lonely Planet“ die besten Reiseziele ernannt: Unter den „Best in Travel 2023“ ist auch Albanien vertreten. Statt wie bisher jedoch die Top Ten der Städte, Länder und Regionen zu küren, wählte der beliebte Reiseführer 30 Trend-Urlaubsziele in verschiedenen Kategorien, wie etwa „Essen“ und „Entspannen“. In der Kategorie „Kontakte knüpfen“ ist Albanien als einziges europäisches Land vertreten. Auch Mirela Kumbaro, Albaniens Umwelt- und Tourismusministerin, betonte die Freundlichkeit und Gastfreundschaft in dem Land am Ionischen und Adriatischen Meer. Dazu erwarten Urlauber pittoreske Dörfer, zerklüftete Berglandschaften mit faszinierenden Stauseen, Flusstälern und großen Schluchten sowie natürlich ein langer Küstenstreifen – alles noch nicht von Touristen überlaufen. Ein Massenurlaubsziel will man auch nicht werden, obwohl man sich in Albanien viel vom Tourismus verspricht. Wie man einen „nachhaltigen Tourismus“ ankurbeln will, erklärt Kumbaro im TRAVELBOOK-Interview.
TRAVELBOOK: Albanien hat sich auf der ITB mit dem Slogan „All you need is here“ („Alles, was Sie brauchen, ist hier“) präsentiert. Was genau meinen Sie mit „alles“?
Mirela Kumbaro: „Albanien ist ein kleines Land, und wenn man eine Werbung konzipiert, kann es sinnvoll sein, nur einen Aspekt zu wählen. Aber das fiel uns sehr schwer. Albanien entwickelt sich gerade zum Trendreiseziel und alle kommen, um es zu entdecken. Und da gibt es in der Tat sehr vieles, da das Land so vielfältig ist. Es ist wie ein großer Tisch mit wundervollem und leckerem Essen – man weiß nicht, womit man starten oder enden soll …“
Zum Beispiel mit…?
„Da ist zum einen das wunderbare Essen in Albanien, und ich meine nicht nur die traditionelle Küche. Wir haben viele neue, junge Köche, die etwa in Italien oder Frankreich waren, und dann zurückkommen und ihr modernes Know-how mit typischen albanischen Gerichten kombinieren. Und nicht zu vergessen: Albanien hat nach Italien den zweitbesten Espresso der Welt. Alleine wegen des Essens lohnt es sich, nach Albanien zu kommen.“
Aber nicht nur …
„Viele kommen wegen der unberührten Strände. Wir haben mehr als 400 Kilometer Küste, zahlreiche Abschnitte sind noch in einem ursprünglichen Zustand. Aber dieser Tourismus beschränkt sich hauptsächlich auf den Sommer. Das reicht uns nicht.“
Dass viele Urlauber gern an den Strand gehen, ist bekannt. Was bietet Albanien abseits des Mittelmeers?
„Drei Viertel des Landes besteht aus Bergen, Flüssen und Wäldern. Die meisten wissen das nicht. Und wenn sie dann mal kommen, sind sie überrascht. Die Vjose in Südalbanien ist einer der letzten wilden Flüsse Europas und gerade zum Nationalpark erklärt worden. Leonardo DiCaprio war sogar einer der Unterstützer des Vorhabens. Außerdem haben wir ein großes kulturelles Erbe. Egal, wo Sie sind, überall gibt es antike Ruinen – aus der hellenistischen Epoche und der Zeit der Römer. Albanien hat insgesamt vier Unesco-Welterbestätten, darunter Butrint, Berat und Gjirokastra sowie der Ohridsee zwischen Albanien und Nordmazedonien, der übrigens der älteste See Europas ist. Außerdem haben wir mit dem Gesangsstil Iso-Polyphonie auch ein immaterielles Welterbe.“
Premierminister Edi Rama sprach auch von der legendären Gastfreundlichkeit der Albaner.
„Als relativ neues Reiseziel haben wir vielleicht nicht alle internationalen Hotelketten mit den entsprechenden Standards bei uns, aber dies wird durch die Gastfreundlichkeit kompensiert. Man muss einfach kommen, es fühlen und selbst erleben.“
Wie Sie bereits sagten, ist Albanien als Reiseziel noch relativ neu. Das liegt auch daran, dass das Land Jahrzehnte lang abgeschottet war. Wie stark ist dieser Einfluss noch zu spüren?
„Die Diktatur ist ein wichtiger Teil unserer Geschichte. Das einzige Land, das vergleichbar ist mit Albanien zwischen dem Zweiten Weltkrieg bis in die 1990er-Jahre, ist Nordkorea. Und jetzt stellen Sie sich mal ein Land wie Nordkorea vor, das mehr als ein halbes Jahrhundert abgeschottet war, und jetzt für alle offen ist und einen Tourismusboom erlebt – das ist irre, das muss man selbst erleben.“
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„Wir wollen Touristen, die länger bleiben und mehr ausgeben“
Ein wichtiger Faktor für den Tourismus-Boom in Albanien ist allerdings auch, dass bei Ihnen so günstig ist, wie auch der Espresso-Index von TRAVELBOOK zeigt. Könnten die Touristen wegbleiben, wenn die Preise in Albanien irgendwann anziehen?
„Vor fünf Jahren war Low-Cost-Tourismus etwas, das aus Sicht von Albanien Sinn ergab. Jetzt ist es immer noch nicht teuer, aber es nicht das, für das wir stehen wollen. Günstig ist nicht immer nachhaltig. Wir wollen Quantität über Qualität stellen und setzen auf Wertigkeit statt auf Masse.“
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Was heißt das?
„Wir wollen Touristen, die länger bleiben und mehr ausgeben. Darum tätigen wir derzeit sehr große Investitionen in die Infrastruktur: Straßen, Autobahnen, Airports und Häfen. Mithilfe von Investoren aus Dubai bauen wir derzeit den größten Jachthafen im Balkan.“
Sie haben eben Nachhaltigkeit angesprochen. Aber Albanien hat noch immer ein Müll-Problem.
„Nicht mehr in dem Umfang wie vor drei Jahren. Als Tourismus- und Umweltministerin von Albanien kann ich es sagen: Es ist weiterhin nicht einfach. Aber darum arbeiten wir jeden Tag daran – und wir beteiligen alle Albaner daran.“