15. April 2023, 6:04 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Kennecott in Alaska existierte nur 27 Jahre lang, ist heute eine Geisterstadt. Dennoch trug der Ort wie kaum ein anderer zu Amerikas rasantem Fortschritt bei. TRAVELBOOK erzählt die Geschichte einer einzigartigen Boomtown.
Es ist der Sommer des Jahres 1900, als die beiden Glücksritter Clarence Warren und Jack Smith in den Weiten Alaskas unterwegs sind. Als sie den Kennecott-Gletscher untersuchen, machen sie einen unglaublichen Fund. Sie entdecken nicht weniger als die reichsten Kupfervorkommen, die es zum damaligen Zeitpunkt weltweit gibt. Es ist die Geburtsstunde von Kennecott (auch Kennicott) , Amerikas vergessener Industriestadt.
Laut der Reiseseite „Alaska“ hat das Metall einen Reinheitsgrad von 70 Prozent, und so finden Warren und Smith schnell potente Investoren, die das Kupfer abbauen wollen. Unter ihnen ist zum Beispiel J.P. Morgan, nur einer der Superreichen, die sich an dem neu gegründeten „Alaska-Syndikat“ beteiligen. 1911 ist nach vier Jahren harter Arbeit eine Eisenbahnstrecke in die unwirtliche Gegend verlegt, und Kennecott beginnt zu florieren.
Märchenhafte Gewinne
Die ebenfalls neu gegründete „Kennecott Copper Corporation“ lockt Arbeiter mit höheren Löhnen, als sie anderswo gezahlt werden. Schon bald arbeiten laut der Seite der amerikanischen Nationalparkverwaltung 600 Menschen in Kennecott rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. Denn das Kupfer wird hier nicht nur dem Berg entrissen, sondern auch gleich vor Ort verarbeitet. Kennecott hat zu diesem Zeitpunkt bereits ein eigenes Krankenhaus, eine Schule und eine Molkerei. Zu den weiteren Annehmlichkeiten gehören eine Eislaufbahn und Tennisplätze.
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Dafür leben die Arbeiter in Baracken, schuften bei Temperaturen von bis zu -40 Grad, um das Kupfer abzubauen. Der Hunger Amerikas nach dem Metall kennt keine Grenzen, seit die Elektrizität Einzug gehalten hat, es Autos und Telefone gibt. Für all diese Errungenschaften braucht man Kupferdrähte, und so schreibt „BBC“, Kennecott habe Amerika quasi elektrisiert. Der Lohn dafür: Die Mine macht in den kurzen 27 Jahren ihrer Existenz einen geradezu märchenhaften Gewinn von damals 200 Millionen Dollar.
Alkohol gab es nur im Nachbarort
Laut „Atlas Obscura“ verdankt auch der Nachbarort McCarthy seine kurze Existenz dem Kupferboom. Denn dort gab es alles, was in Kennecott streng verboten war, namentlich vor allem Alkohol und Prostituierte. Hier brachten die Bergleute nachts das Geld durch, das sie tagsüber in den Minen verdient hatten. Auch dieser Ort hatte bald ein eigenes Krankenhaus und eine Schule, ist jedoch heute ebenfalls eine Geisterstadt.
Der Stern von Kennecott beginnt bereits Ende der 1920er-Jahre zu sinken, als die Kupfervorkommen in den Minen immer mehr ausgebeutet sind. Die „Kennecott Copper Corporation“ verlegt ihre Geschäfte auf andere amerikanische Minen und nach Chile, und 1938 ist es endgültig vorbei mit Amerikas elektrischer Boomtown. Das Kupfer ist alle, die Eisenbahnlinie macht dicht, wenig später sind nur noch ein paar Dutzend Einwohner übrig.
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Ein Stück Geschichte
Mitte der 1950er-Jahre ist der Ort völlig verlassen, 1960 verkauft die „Kennecott Copper Corporation“ das Land. 1988 erwirbt es die US-amerikanische Nationalparkverwaltung, denn Kennecott gilt auch heute noch als eine der am besten erhaltenen Minenstädte Amerikas. Heute leben hier wieder eine Handvoll Menschen von dem zarten Tourismus in der Gegend. Kennecott profitiert dabei von seiner Lage im Wrangell-St.Elias-Nationalpark.
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Wer den weiten Weg auf sich nimmt, kann hier unter anderem das alte Postamt sowie das Büro der Minenbosse besichtigen. Auch die alte Schule ist noch erhalten und für Besucher geöffnet. Die hauptsächlich in rot gestrichenen Ruinen der Häuser erheben sich auch heute noch fast trotzig gegen die Berge in ihrem Rücken, denen einst so viel Kupfer entrissen wurde. Die Nationalparkverwaltung arbeitet mit der Hilfe von Freiwilligen stetig an der Erhaltung des historischen Ortes. Denn Kennecott mag zwar eine Geisterstadt sein, aber es ist auch ein Stück amerikanische Geschichte.