12. Mai 2023, 17:18 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Ab Sonntagabend wird (mal wieder) bei der Deutschen Bahn gestreikt. Noch immer sind sich der Konzern und die EVG uneinig, welche Gehälter angemessen für die Angestellten sind. Ein letztes Ultimatum der Gewerkschaft schlug die DB wieder aus. Läge es an betrieblichen Sparmaßnahmen, könnte man eventuell noch Verständnis aufbringen. Doch das kann es nicht sein, wie eine weitere Nachricht aus dieser Woche zeigte. Ein Kommentar zum aktuellen Bahn-Irrsinn.
Es gibt seit Monaten Uneinigkeit bei der Deutschen Bahn. Der Grund: die Gehälter der Mitarbeiter. Dabei geht es unter anderem um einen Inflationsausgleich, konkret werden mindestens 650 Euro mehr pro Monat oder zwölf Prozent bei höheren Gehältern gefordert, und um den gesetzlichen Mindestlohn, den einige Mitarbeiter bislang nur über Zulagen erhalten. Bei letzterem Punkt bleibt man sich uneinig. Auch eine kurzfristig anberaumte Verhandlungsrunde am heutigen Freitag blieb ohne Übereinkommen. So entschied sich die EVG für einen weiteren Streik, der 50 Stunden andauern soll. Ein Ärgernis für alle, die, wie auch ich, in den kommenden Tagen Zug fahren müssen. Das sieht auch die Deutsche Bahn so, zumindest Personalvorstand Martin Seiler. Es sagte laut „Süddeutscher Zeitung“, es handele sich „quasi um einen Vollstreik ohne Urabstimmung. Millionen Reisende kommen nicht dahin, wo sie hinwollen, zur Schule, zur Arbeit, zu ihren Lieben.“ Doch wer hat daran Schuld?
Die Deutsche Bahn sagt, es sei die EVG. Man sei nicht zu Verhandlungen bereit, man verhalte sich wie eine Schulklasse, überhaupt seien die Streiks unnötig. Die EVG hingegen wirft der Bahn vor, dass die bisherigen Angebote, die etwa den Mindestlohn betreffen, nicht für alle Mitarbeiter gleich gültig seien. Sie seien „inakzeptabel“ und der Konzern verhalte sich unsozial. Harte Worte. Doch tatsächlich fragen sich auch Kunden aktuell, was genau eigentlich das Problem der DB ist. Denn neben dem Bahn-Streik gab es vor einigen Tagen eine weitere Nachricht aus dem Konzern: Im vergangenen Jahr seien Millionen-Boni an Führungskräfte ausgezahlt worden für „Erfolge“. Es handele sich um ein übliches Verfahren, so ein Unternehmenssprecher. Doch um welche Erfolge geht es hier eigentlich? Immerhin war die Bahn 2022 so unpünktlich wie lange nicht mehr.
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Die Krux bei den Boni, die bei Führungskräften bis zu 10.000 Euro betragen, liegt in den Faktoren, die als Erfolge genannt werden. Denn wer meint, die Pünktlichkeit oder Kundenzufriedenheit würden eine Rolle spielen, irrt. Laut „Focus“ haben diese Aspekte kaum Anteil an den Bonus-Berechnungen. Ein Schelm, wer vermutet, dass das angesichts der seit Jahren katastrophalen Pünktlichkeitswerte Absicht sein könnte. Nicht nur mich persönlich macht dieses Selbst-Geschenk für schlechten Service wütend – auch Claus Weselsky, Vorsitzender der Lokführergewerkschaft GDL, spricht von einer „Unverschämtheit“. Ich frage mich, wie diese Nachricht wohl bei den Mitarbeitern ankam, die nun wieder in den Streik treten.
Verwundert bin ich zumindest nicht, dass es nun wieder zu Arbeitsniederlegungen kommt. Und ich vermute, auch bei der DB selbst hat man sich schon denken können, dass die Mitarbeiter gerade kaum zufrieden sind. Aber das scheint, ebenso wie die Kundenzufriedenheit, zweitrangig zu sein. Sonst hätte man ja auch die Boni in dreistelliger Millionenhöhe nehmen und damit den Mindestlohn der eigenen Mitarbeiter aufstocken können. Vielleicht hätte sich so der erneute 50-Stunden-Streik noch abwenden lassen. Aber: Prioritäten werden, so wird mal wieder deutlich, bei der Bahn wohl anders gesetzt.