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Passagiere mit Fensterplatz dürfen zuerst einsteigen

Jetzt gilt das neue Boarding-System bei Lufthansa, Swiss und Austrian Airlines

Lufthansa will Zeit sparen und das Boarding beschleunigen
Lufthansa will Zeit sparen und das Boarding beschleunigen Foto: dpa Picture Alliance
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TRAVELBOOK Redaktion

5. November 2019, 10:53 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Bei Lufthansa, Austrian Airlines und Swiss soll das Boarding künftig schneller über die Bühne gehen: Ab sofort werden die Passagiere der drei Airlines nach dem sogenannten „Wilma-System“ ins Flugzeug einsteigen. Aber ist das neue System auch wirklich gerecht? TRAVELBOOK hakte nach.

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Entsprechende Tests sind am Frankfurt Airport bereits durchgeführt worden.

Nach der Boardingtechnik „Wilma“ gehen die Passagiere in einer festgelegten Reihenfolge an Bord: als erstes Passagiere mit Fensterplätzen, anschließend die mit Mittelplätzen und zum Schluss mit Plätzen am Gang. Für Eltern mit Kindern, Paare und Gruppen sollen Ausnahmeregelungen gelten, ebenso für Business-Class-Passagiere, die nach wie vor zuerst einsteigen dürfen.

Das Verfahren des Einsteigens nach dem Prinzip Fenster-Mitte-Gang hat sich als effizienteste Methode bestätigt und unterstützt darüber hinaus einen pünktlicheren Abflug“, sagt Lufthansa-Sprecherin Anja Steger zu TRAVELBOOK.

Ist das neue System wirklich gerecht?

Dass der Abflug mit dem neuen Boarding-Prozess pünktlicher wird, ist natürlich durchaus zu begrüßen. Allerdings wirft das System auch die Frage auf, ob es hinsichtlich des zu verstauenden Handgepäcks nicht zu Unstimmigkeiten unter den Passagieren kommen könnte. Denn diejenigen mit Fensterplatz, die zuerst einsteigen dürfen, können auch ihre Koffer und Taschen als Erste im Gepäckfach verstauen und die Passagiere mit Gangplatz ganz zuletzt. Das könnte vor allem für diejenigen ärgerlich sein, die bewusst nur mit Handgepäck fliegen, um den Flughafen so schnell wie möglich verlassen zu können – vor allem dann, wenn sie gezwungen sind, ihr Handgepäck am Gate doch noch aufzugeben.

Lufthansa weicht aus

Die Lufthansa-Sprecherin reagierte auf Nachfrage von TRAVELBOOK zu diesem Thema ausweichend. „Allem voran steht das Ziel, den Einsteigevorgang für unsere Gäste in Zukunft geordneter und damit komfortabler zu gestalten. Verbindet man den strukturierten Einsteigevorgang noch mit der strikten Einhaltung der Handgepäckregeln, schafft dies wertvolle Zeit und unterstützt einen pünktlichen Abflug.“ Grundsätzlich sei die Mitnahme von acht Kilo Handgepäck mit den Maßen von 55 x 40 x 23 Zentimeter sowie eine kleinere Tasche mit 30 x 40 x 10 Zentimetern Größe an Bord erlaubt.

Damit die Gepäckfächer in der Flugzeugkabine nicht überfüllt seien, bitte man die Fluggäste bereits am Check-in, auch das Handgepäck mit aufzugeben. „Darüber hinaus werden bei gut ausgelasteten Flügen auf ausgewählten Strecken vorab E-Mails an die Passagiere geschickt, ebenfalls mit dem Angebot, das Handgepäck kostenlos am Check-in-Schalter aufzugeben“, sagt die Sprecherin weiter. „Diese direkte Kommunikation mit den Kunden hatte nachweislich den größten Erfolg.“

Im November soll der neue Boarding-Prozess zunächst auf allen Europaflügen eingeführt werden. Zu einem späteren Zeitpunkt soll die Regelung auch auf Langstrecken eingeführt werden. 

Standard-Methode am langsamsten

Bisher setzen die meisten Fluggesellschaften beim Boarding auf die klassische Methode: Fluggäste in den hinteren Sitzreihen steigen zuerst ein, später folgen Passagiere, die weiter vorn sitzen. Dass diese Art des Boardings, die von den meisten Airlines angewandt wird, aber bei Weitem nicht die schnellste ist, haben laut einem Bericht des Nachrichtenportals Vox.com diverse Tests gezeigt. Unter anderem hat ein Fernsehteam der US-Sendung „Mythbuster“ verschiedene Arten des Boardings in einem Experiment erprobt. Dazu bauten sie eine Flugzeugkabine nach und ließen 173 Freiwillige nach unterschiedlichen Methoden einsteigen. Das erstaunliche Ergebnis: Die Standard-Methode ist die mit Abstand langsamste! Erst nach fast 25 Minuten saßen alle Passagiere auf ihren Plätzen.

Das nachfolgende Video zeigt in einer Simulation, weshalb es bei diesem Verfahren zum Stau kommt, obwohl die Passagiere mit Plätzen im hinteren Teil des Flugzeugs zuerst einsteigen. Weil viele Leute gleichzeitig versuchen, wenige Reihen zu besetzen, verbringen die Passagiere viel Zeit mit Warten auf dem Gang. Hat sich jemand schon auf einen Gangplatz gesetzt, muss er womöglich nochmals aufstehen, um den Passagier in der Mitte und am Fenster durchzulassen.

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Zufalls-Prinzip am schnellsten

Alle fünf weiteren Boarding-Methoden, die von den „Mythbuster“-Redakteuren getestet wurden, erwiesen sich im Vergleich zur Standardvorgehensweise als je fast 10 Minuten schneller. Mit nur 14 Minuten Gesamtzeit am schnellsten ist ein Verfahren, das bei Ryanair noch bis Anfang dieses Jahres praktiziert wurde und heute nur noch von der US-amerikanischen Billigfluggesellschaft Southwest Airlines angewendet wird: die freie Sitzplatzwahl, bei der den Passagieren im Vorfeld kein fester Platz zugewiesen wird. Allerdings ist das Umfragen zufolge nicht unbedingt die Methode, die von den Fluggästen bevorzugt wird.

Als fast genauso schnell erwies sich im Test die „Outside-in“-Methode, bei der wie beim „Wilma-Boarding“ zuerst die Passagiere mit Fensterplatz ins Flugzeug steigen, dann die mit den mittleren Sitzplätzen und zuletzt die Passagiere mit Gangplatz.

Theoretisch geht es noch schneller

Eine zumindest in der Theorie noch schnellere Variante, die bislang aber noch von keiner Airline angewendet wird, ermittelte der US-Physiker Jason Steffen anhand von Computermodellen. Das Prinzip ist ähnlich wie bei der „Outside-in“-Methode, allerdings steigen nicht alle Passagiere mit Fensterplatz gleichzeitig ein, sondern zuerst die mit Fensterplatz auf der einen Seite des Flugzeugs, danach die mit Fensterplatz auf der anderen Seite. Um Stau zu vermeiden, ist die Folge der Sitzreihen dabei versetzt, also steigen beispielsweise Gäste mit Sitzplatznummer 36A, 34A und 32A zuerst ein, dann folgen 35A, 33A, und 31A.

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Zwei verschiedene Tests haben laut Vox.com gezeigt, dass das Boarding bei Steffens Methode noch um einiges schneller abgeschlossen ist als etwa beim Zufallsprinzip. Jedoch müssten die Passagiere in einer genau festgelegten Reihenfolge einsteigen, was sich in der Praxis am Gate als schwierig erweisen dürfte. Auch könnten zum Beispiel Familien mit Kindern, die nebeneinander sitzen, nicht mehr gemeinsam ihre Plätze einnehmen.

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Warum stellen nicht alle Airlines um?

Wenn es offenkundig gleich sechs schnellere Boarding-Methoden als die klassische gibt, wieso steigen die Airlines dann nicht um? Das US-Wirtschaftsmagazin „Bloomberg Businessweek“ mutmaßt, es liege wohl hauptsächlich daran, dass die Fluggesellschaften nicht darauf verzichten wollten, etwa mit dem Verkauf von Express-Boarding-Tickets (der Passagier zahlt dafür, dass er zuerst an Bord darf) Geld zu verdienen.

Die schnellere Zufalls-Variante ohne vorherige Sitzplatzvergabe ist zudem bei Passagieren unbeliebt, weil Paare oder Familien oft keine gemeinsamen Plätze bekommen. Auch wollten viele einfach vorher wissen, wo sie sitzen – und das gegebenenfalls beeinflussen.

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