28. Dezember 2021, 12:36 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Immer wieder sind Flugzeuge als besonders umweltschädliches Verkehrsmittel in der Kritik. Umso entsetzter dürfte manch einer sein, dass bei der Lufthansa aktuell vermehrt Flieger ohne einen einzigen Passagier an Bord abheben. Wie kann das sein? TRAVELBOOK erklärt, was es mit den „Slots“ am Flughafen auf sich hat.
Grundsätzlich gibt es an Flughäfen für Airlines eine begrenzte Anzahl von Zeitfenstern, in denen Flieger starten und landen dürfen. Diese Zeitfenster werden als „Slots“ bezeichnet und folgen genauen Vorgaben. So ist die Regel der Europäischen Union (EU) bezüglich der Slot-Vergabe an Flughäfen normalerweise so, dass 80 Prozent Auslastung gefordert ist. Ansonsten verliert die Airline den Slot. Das hat nun eine, angesichts der Klimaerwärmung absurde, Folge: Die Lufthansa muss mit leeren Flugzeugen fliegen.
Denn nachdem die Regelung zu Beginn der Corona-Pandemie außer Kraft gesetzt wurde, hatte die EU-Kommission im August 2021 beschlossen, dass für den Winterflugplan wieder eine Auslastung von mindestens 50 Prozent verlangt werden könne. Erfüllen die Airlines diese Auslastung nicht, laufen sie in Gefahr, ihren Slot zu verlieren. Nutznießer der Regel sind vor allem Flughäfen, deren Umsatz mit der Corona-Pandemie, wie auch bei den Airlines, stark eingebrochen war. Umso wichtiger sind dort die Start- und Landgebühren. Doch die Entscheidung, die Slot-Auslastung wieder auf 50 Prozent zu erhöhen, brachte nicht nur mehr Geld, sondern auch viel Kritik. So nannte etwa der Verband der internationalen Fluggesellschaften IATA die Entscheidung „realitätsfern“. Wie präzise diese Einschätzung war, zeigt sich aktuell.
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Lufthansa muss mit leeren Fliegern starten
Denn obwohl die Lufthansa bereits mehr als 33.000 Flüge streichen ließ, muss das Unternehmen wegen der absurden Slot-Regelungen derzeit „18.000 sinnlose Flüge durchführen“, wie das Unternehmen dem Hessischen Rundfunk bestätigte. Die Flüge würden wirtschaftlich keinen Sinn ergeben, da sich durch die Ausbreitung der Omikron-Variante das Pandemiegeschehen weltweit wieder verschlimmert hat. Viele Länder haben bereits die Einreisebedingungen wieder verschärft, umgekehrt gelten viele Staaten auch wieder als Hochrisikogebiete. Urlaub rückt für viele aktuell also in weite Ferne. Die aktuellen Flüge seien demnach laut Lufthansa einzig den Start- und Landerechten in Europa geschuldet.
Schon im Sommer warnte eine Sprecherin der Lufthansa auf TRAVELBOOK-Nachfrage davor, dass die Situation, vor allem angesichts neuer Corona-Virusvarianten und immer wieder wechselnder Reiserestriktionen, weiterhin sehr volatil sei. „Die verabschiedete Regelung birgt die Gefahr, dass Airlines mit leeren Flugzeugen fliegen müssen, nur um ihre Slots zu sichern. Das schadet Klima und Airlines“, hieß es im August vonseiten der Lufthansa. Nun sind die Befürchtungen in Erfüllung gegangen.
Geld vor Umweltschutz
Natürlich ist es angesichts der finanziell immer noch angespannten Lage in der Flugbranche verständlich, dass um jeden Cent gerungen wird. Dazu zählen an den Flughäfen auch die Start- und Landegebühren. Insofern war zumindest nachvollziehbar, warum auf die Slotvergabe-Regelungen gepocht wurde. Unklar war jedoch von Anfang an, warum 1. die EU-Kommission diese Regel durchsetzte und 2. warum sie nun nicht wieder rückgängig gemacht wird.
Wie kann man sich einerseits Umweltschutz auf die Fahnen schreiben, einen „European Green Deal“ verhandeln und ein ambitioniertes Klimaziel bis 2030 festlegen – und dann gleichzeitig Airlines entweder in die Umweltsünder-Verantwortung zwingen oder aber in die Pleite rennen lassen? Verantwortliches und nachhaltiges Handeln sieht definitiv anders aus.
Fehler werden immer wieder gemacht, nun wäre es angemessen, zuzugeben, dass ein eben solcher geschehen ist. Eine Neubewertung der Lage ist aktuell, angesichts der Omikron-Verbreitung, mehr als angemessen. Vielleicht kann man so noch verhindern, dass noch mehr unnötige Flieger abheben müssen. Wünschenswert wäre es allemal.
Larissa Königs, Redaktionsleitung TRAVELBOOK