18. August 2022, 11:51 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Wie kürzlich bekannt wurde, sah sich die Lufthansa in den Sommermonaten Juni und Juli dazu gezwungen, knapp 600 Flüge ohne Passagiere durchzuführen. Die sogenannten Positionierungsflüge seien notwendig gewesen, um noch mehr Chaos zu vermeiden. Entscheidungen, die jedoch bei unserer Redakteurin auf Unverständnis stoßen.
Wenn wir in einigen Jahren auf den Sommer 2022 zurückschauen, werden wir uns nicht nur an die Hitze erinnern, an einen Sommer, der zum ersten Mal seit einigen Jahren ohne größere Corona-Einschränkungen verlebt werden konnte, sondern auch an das maximale Chaos an deutschen Flughäfen. Streiks, überbuchte Flüge, Koffer-Chaos und Flieger, die nie abhoben, all das war Alltag in den letzten Wochen. Eine Airline tat sich einer Studie zufolge vor allem bei stornierten Flügen besonders hervor: die deutsche Lufthansa. Die Fluggesellschaft lag sogar deutlich vor Low-Cost-Anbietern wie etwa Ryanair.
Nun könnte man meinen, alleine das hätte für einen erhöhten Puls bei mir sorgen können. Schließlich steht die Lufthansa nicht nur dank ihrer Preise eigentlich für ein anderes Niveau. Doch ich blieb ruhig –bis zur aktuellen Nachricht, es habe vom 1. Juni bis 18. Juli dieses Jahres insgesamt 598 Positionierungsflüge gegeben. Für alle, die das jetzt nicht direkt zuordnen können: Es handelt sich um Flüge, die ohne einen einzigen Passagier durchgeführt werden. Liebe Lufthansa: Gehts noch?!
Warum gab es die Leerflüge bei der Lufthansa überhaupt?
Die Lufthansa begründet die Leerflüge damit, dass man so weiteres Chaos habe vermeiden wollen, wie „Reisetopia“ berichtet. Nur durch die Positionierungsflüge sei es möglich gewesen, weitere Verspätungen und Ausfälle zu vermeiden. Man habe die Flugzeuge dafür zu einem bestimmten Zeitpunkt bereits an die Startdestinationen bringen müssen – im Zweifelsfall eben ohne Passagiere an Bord.
Es ist durchaus löblich, dass die Lufthansa versucht, ihre gut zahlenden Kunden nicht weiter zu verärgern und Schadenersatzkosten zu minimieren. Und ich habe auch Verständnis dafür, dass die Lage der Airline angesichts der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Umständen unglücklich ist. Als sich Airlines etwa dazu gezwungen sahen, Leerflüge wegen der Slot-Regelungen der EU durchzuführen, war die Lage zwar ebenso frustrierend, aber wenigstens nachvollziehbar. Aber die aktuelle Lage der Lufthansa ist eine selbstverschuldete. Während der Pandemie waren tausende Mitarbeiter gezwungen, sich neue Jobs zu suchen. Personal, das nun dringend fehlte – zumal der Krankenstand der immer noch kursierenden Omikron-Welle die Lage nur verschlimmerte. Doch auch abgesehen von der mangelnden Vorbereitung auf die Reisesaison frage ich mich: Waren die Positionierungsflüge dieses Mal wirklich die einzige Lösung? Oder schlicht die, die am wenigsten Zusatzkosten verursacht?
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Es geht mal wieder zulasten der Umwelt
Was mich besonders ärgert, ist, dass Urlauber sich immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt werden, durch Flugreisen die Erderwärmung anzuheizen – was absolut korrekt ist! Ein Flug von Deutschland auf die Malediven und zurück verursacht pro Person rund drei Tonnen CO₂, wie das Umweltbundesamt schreibt. Doch: Auch hier wird, wie bei vielen Diskussionen um den Klimawandel, die Verantwortung auf den Einzelnen gelegt, statt den Unternehmen zugetragen, die am meisten Einfluss darauf haben.
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Wenn ein Flug pro Jahr den Urlaubern angekreidet wird, wie sieht es dann mit 600 Flügen in nur drei Monaten aus? Flüge, die es so nie hätte geben dürfen? Ich gebe es zu: Ich bin frustriert. Und ich bin es Leid, immer wieder von Leerflügen zu lesen. Liebe Lufthansa, ich erwarte, dass das besser geht.
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