1. März 2022, 17:09 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Der Krieg in der Ukraine bringt den zivilen Luftverkehr über den Landesgrenzen zum Erliegen. Zahlreiche Airlines umfliegen das ukrainische Staatsgebiet weitläufig. Was das für den Reiseverkehr bedeutet und was Urlauber sonst noch wissen müssen – TRAVELBOOK gibt einen Überblick.
Nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine haben zahlreiche Fluggesellschaften, darunter auch die Lufthansa, ihre Verbindungen in die Ukraine sowie nach Russland vorerst eingestellt. Zudem ist der gesamte Luftraum über der Ukraine für Passagierflugzeuge gesperrt.
Außerdem haben die EU-Staaten sich darauf verständigt, russische Flieger aus dem eigenen Luftraum auszusperren. Russland reagierte seinerseits mit Sanktionen gegenüber Fluggesellschaften einzelner Staaten. Von den Maßnahmen sind auch Überflüge betroffen. Welche Auswirkungen hat das auf die Urlaubspläne oder bereits gebuchte Flugtickets von Reisenden? Experten klären auf.
Übersicht
- Muss ich damit rechnen, dass mein Urlaubsflieger etwa in den asiatischen Raum nicht geht?
- Was passiert, wenn die Fluggesellschaft meinen Flug doch streicht?
- An wen wende ich mich bei Fragen zur Verbindung?
- Ergibt sich für meinen Flug in den Urlaub aufgrund des Kriegs eine besondere Gefahrenlage?
- Kann ich mein Ticket kostenfrei zurückgeben, wenn ich Bedenken habe zu fliegen?
- Was würde eine Sperrung des russischen Flugraums bedeuten?
Muss ich damit rechnen, dass mein Urlaubsflieger etwa in den asiatischen Raum nicht geht?
Bislang berühren die Sperrungen den interkontinentalen Flugverkehr kaum. Um größere Auswirkungen für die gesamte Branche zu vermeiden, planten die Airlines ihre gewohnten Flugrouten um, sagt Michael Trinkwalder vom Tübinger Unternehmen A3M, einem Dienstleister für Krisen- und Frühwarninformationen für Reisen weltweit.
Aktuellen Informationen zufolge würden Flüge nach Japan, Südkorea und China auf der Ausweichroute hauptsächlich über die Türkei führen. Verbindungen in Richtung Südostasien seien auch vorher schon nicht über russisches Territorium verlaufen, sagt Trinkwalder.
Ungünstiger sei die Situation aber für Reisende, die in der anderen Richtung unterwegs sind: Da jetzt Anschlussflüge in Russland fehlten, seien manche Verbindungen von Asien nach Europa problematisch, sagt der Experte.
Trinkwalder rechnet aber nicht damit, dass europäische Reisende bald wieder über Alaska nach Asien fliegen müssen wie noch zu Hochzeiten des Kalten Kriegs.
Was passiert, wenn die Fluggesellschaft meinen Flug doch streicht?
Annulliert eine Airline einen Flug, haben Verbraucherinnen und Verbraucher nach der Fluggastrechteverordnung die Wahl zwischen der Erstattung der Ticketkosten binnen sieben Tagen oder einer anderweitigen Beförderung.
Erfahren Reisende erst am Flughafen von der Absetzung der Verbindung, haben sie zudem Anspruch auf unentgeltliche Mahlzeiten, Erfrischungen und zwei Telefongespräche.
Eine finanzielle Entschädigung von 250 bis 600 Euro, wie sie die EU-Verordnung etwa für Annullierungen von Flügen vorsieht, stehe Fluggästen nicht zu, wenn der Grund dafür auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist, sagt Jan Philipp Stupnanek, Reiserechtsexperte der Verbraucherzentrale NRW. Dazu zählen zum Beispiel Unruhen und Krieg.
An wen wende ich mich bei Fragen zur Verbindung?
Bei individuell gebuchten Flügen wenden sich Verbraucherinnen und Verbraucher direkt an die Airline, rät Reiserechtsexperte Stupnanek. Handelt es sich beim Flug um eine Pauschalreiseleistung, wenden sich Betroffene besser an den jeweiligen Reiseveranstalter.
Ergibt sich für meinen Flug in den Urlaub aufgrund des Kriegs eine besondere Gefahrenlage?
„Eine besondere Gefahrenlage kann man eigentlich generell verneinen“, sagt der Reisesicherheitsanalyst Trinkwalder. Aktuellen Flugdaten zufolge würden inzwischen die komplette Ukraine, Belarus und auch der Südwesten Russlands von so gut wie allen Airlines weitläufig umflogen. Ein versehentlicher Abschuss eines Passagierfliegers wie 2014 sei daher im Moment sehr unwahrscheinlich.
„Es ist aber verständlich, wenn viele Passagiere wegen der Ereignisse in der Ukraine ein mulmiges Gefühl haben“, sagt Trinkwalder.
Kann ich mein Ticket kostenfrei zurückgeben, wenn ich Bedenken habe zu fliegen?
„Bei einzeln gebuchten Flügen besteht ein Recht auf kostenfreie Stornierung nur, wenn es vertraglich vereinbart wurde“, sagt Reiserechtsexperte Stupnanek. Andernfalls habe die Fluggesellschaft Anspruch auf die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen, wie zum Beispiel Steuern und Gebühren.
Nur wenn die Leistung nicht erbracht werden kann – etwa bei einem Flug- oder Einreiseverbot für den jeweiligen Fluggast – brauche sie nicht bezahlt zu werden, sagt der Verbraucherschützer.
Kann meine Airline das bereits gebuchte Ticket nachträglich verteuern, weil ihr zum Beispiel durch die geänderte Route höhere Kosten entstehen?
Grundsätzlich seien solche Preisanpassungen nur möglich, wenn die Vertragsbedingungen eine Preisanpassungsklausel für diesen Fall enthielten, sagt Karolina Wojtal vom Europäischen Verbraucherzentrum Deutschland. Dies sei aber unüblich und müsste auch einer gerichtlichen Prüfung standhalten.
Trinkwalder schätzt, dass es aufgrund des Ukraine-Kriegs zu erheblichen Flugeinschränkungen und damit absehbar auch zu Ticketpreissteigerungen für Flüge außerhalb Osteuropas kommen könnte.
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Was würde eine Sperrung des russischen Flugraums bedeuten?
Weitaus gravierender für die Luftfahrt wäre es, wenn auch der gesamte russische Luftraum gesperrt würde. Der Grund: Über Russland verlaufen wichtige Luftkorridore zwischen Europa, Nordamerika und Asien. Das macht den 26 Millionen Quadratkilometer großen Luftraum zu einem kritischen Knotenpunkt. Ohne Zugang zu den russischen Luftwegen müssten Experten zufolge Airlines ihre Flüge nach Süden umleiten und dabei die Spannungsgebiete im Nahen Osten umgehen. Für die bereits unter der Pandemie leidende Branche könnte das erhebliche Mehrkosten bedeuten.
„Bislang hat Russland nicht damit gedroht, die Überflugrechte zu widerrufen – es weiß aber, dass es damit über eine phänomenale Waffe verfügt“, schreibt Elisabeth Braw, Analystin des American Enterprise Institute Think-Tank, im Online-Portal Defense One. Selbst wenn es nicht zu offiziellen Vergeltungsmaßnahmen kommt, sind die Auswirkungen auf die Überflüge nach Ansicht von Experten unvorhersehbar. „Jeder einzelne Überflug erfordert eine Vorabgenehmigung, und die wird nicht immer routinemäßig erteilt“, erklärt Luftfahrtanalyst Robert Mann. Im Ernstfall könnten einige dieser Anfragen einfach unbeantwortet bleiben.
„Wenn es zu einem Notfall kommt, haben wir keine andere Wahl, als Russland zu meiden und die Südroute zu fliegen“, sagt Yuji Hirako, Chef der japanischen Airline All Nippon Airways. Da die Nachfrage in der Corona-Pandemie sowieso gering sei, würden Langstreckenrouten notfalls gar nicht geflogen. Erinnerungen an den Kalten Krieg des vergangenen Jahrhunderts werden wach. In der Hochphase der Auseinandersetzungen zwischen dem Sowjetblock und dem Westen mussten Flieger von Europa nach Asien andersrum, also westwärts, fliegen. Eine Zwischenlandung zum Auftanken im US-Bundesstaat Alaska war notwendig – ein kostspieliger Umweg.
Mit Material von reuters und dpa