8. Dezember 2020, 11:27 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Die meisten Abenteurer versuchen, die Todeszone oben auf dem Mount Everest schnell zu verlassen. Aber Khim Lal Gautam musste länger bleiben. Er sammelte wichtige Daten, um herauszufinden, wie hoch der höchste Berg der Erde tatsächlich ist. Jetzt steht das Ergebnis fest.
Wie die Regierungen von Nepal und China am Dienstag gemeinsam verkündeten, ist der Mount Everest aktuell 8848,86 Meter hoch, gerundet also 8849 Meter. Das ist knapp ein Meter mehr als die bislang offiziell akzeptierte Höhe von 8848 Metern, die von indischen Forschern aus den 1950er-Jahren stammte.
Die lebensgefährliche Neuvermessung des Mount Everest
Eigentlich hat Khim Lal Gautam einen gut bezahlten Bürojob bei Nepals Landvermessungsbehörden. Aber plötzlich hatte ihn sein Arbeitgeber gebeten, eine gefährliche, aber auch ruhmreiche Aufgabe zu übernehmen: Mit einem Team sollte er auf den höchsten Punkt der Erde steigen und dessen Höhe vermessen.
Seine schwangere Frau wollte ihn davon abbringen, weil auf dem Berg immer wieder Menschen sterben. Rückblickend würde auch er die Aufgabe ablehnen, sagt er heute im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Trotzdem sei er stolz und freue sich darauf, dass die neue Höhe bald verkündet werden soll.
Vor der Messung im Frühjahr 2019 hieß es, er sei der beste Mann für die Aufgabe, sagt der heute 36-Jährige. Denn er sei als einziger hochrangiger Mitarbeiter seiner Behörde schon einmal auf dem Everest gewesen. Dies bestätigt auch Nepals Tourismusministerium, das jeden Aufstieg dokumentiert.
Unterschiedliche Mess-Resultate
Seit der Herausgabe des ursprünglichen Messwertes von 8848 Metern in den 1950er-Jahren hatten mehrere Teams den Mount Everest neu vermessen, allerdings kamen sie jeweils auf etwas andere Resultate. Deshalb entschloss sich Nepal, laut den Vereinten Nationen eines der am wenigsten entwickelten Länder der Welt, selbst zu messen.
Gemeinschaftsprojekt von Nepal und China
Zudem spielt Politik eine Rolle. Nepal wollte zunächst alleine messen. Aber nach einem Besuch von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping 2019 wurde es ein Gemeinschaftsprojekt im Zeichen „ewiger Freundschaft“, wie es in einer gemeinsamen Erklärung hieß. China betonte darin auch Infrastrukturhilfe an das arme Nepal und dieses wiederum seine Anerkennung Taiwans und Tibets als Teile Chinas.
Ein chinesisches Vermessungsteam bestieg den Everest 2020 – Medienberichten zufolge als einziges Team überhaupt. Khim Lal Gautam war mit seinem Team bereits 2019 oben – damals, vor Corona, als es in der sogenannten Todeszone, wo der menschliche Körper abbaut und sich nicht erholt, einen Stau von Abenteurern gab. Gautam und sein Team waren bereits um 3 Uhr früh oben, um die Arbeit möglichst ungestört zu machen. Es war dunkel, sein Temperaturmessgerät habe minus 43 Grad angezeigt und die Luft war dünn. „Nach dem Aufstieg war ich total erschöpft“, sagt er. „Ich war überwältigt von der Verantwortung.“
Doch als erfahrener Vermesser habe er sich konzentrieren können. Andere Alpinisten kamen und gingen, machten Selfies und stellten Flaggen ihrer Länder auf. Gautam und seine Kollegen maßen mit einer klassischen Methode, indem sie mit einem Winkelmessgerät die Höhe anhand von bereits bekannten Punkten im Tal berechneten, und mit einem moderneren Verfahren, indem sie mit einem Gerät GPS-Signale empfingen, um so die Entfernung der Spitze zu den Satelliten zu messen. Mit einem Radar maßen sie außerdem die Dicke von Eis und Schnee.
Lebensgefährliche Mission
Rund zwei Stunden später, als die Sonne aufging, seien sie abgestiegen. Dabei sei er ohnmächtig geworden, sagt Gautam. Als er wieder aufwachte, sei er alleine gewesen und sein linker Fuß habe so sehr geschmerzt, dass er nicht mehr laufen konnte. Auf dem Mount Everest kommt man an Leichen vorbei, an Abenteurern, die es nicht geschafft haben. Die meisten Todesopfer bleiben dort – eine Bergung ist teuer. Aber Gautam wollte leben. Er rief sein Team an, das ihm einen Helikopter schickte, der ihn nach unten brachte.
Knapp eineinhalb Monate war Gautam auf dem Mount Everest. Vor dem eigentlichen Aufstieg musste er mehrfach zwischen Höhenlagern auf- und absteigen, um sich an die extreme Höhe zu gewöhnen. Zu Hause erfuhr er dann, dass seine Frau ihr erstes Kind verloren hatte. „Viele in meiner Familie denken, dass es nicht passiert wäre, wenn ich zu Hause geblieben wäre“, sagt er. Sie habe sich Sorgen gemacht.
Sein großer linker Zeh musste amputiert werden. Seine Arbeit ging weiter: Die Satellitenmessung erfasst nicht direkt die Höhe über dem Meeresspiegel. Diese mussten Gautam und sein Team mithilfe weiterer Messungen der Schwerkraft in der Umgebung des Everests und einem Computermodell berechnen.
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Veröffentlichung nach Abgleich der Daten
Nach einem Abgleich der Daten mit den Chinesen ist also nun die Messung veröffentlicht worden. Die genaue Höhe für den höchsten Punkt der Erde zu finden, ist nicht einfach. Aber mit einer Kombination der Messmethoden sind die Forscher der Realität wohl zumindest etwas näher gekommen.