18. Oktober 2022, 16:30 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Der legendäre Orient-Express feierte seine Jungfernfahrt am 5. Juni 1883 von Paris in das einstige Konstantinopel. Agenten, Zare, Prinzessinnen und hochrangige Politiker – sie alle reisten im 20. Jahrhundert mit dem legendären Luxuszug von London über Paris, Wien, Budapest, Belgrad und Sofia in das heutige Istanbul. Der sogenannte „Zug der Könige“ inspirierte Filmemacher wie Schriftsteller, allen voran Agatha Christie für ihren Roman „Mord im Orient-Express“. Nun soll wiederentdeckten Original-Wagen erneut der Glanz alter Zeiten verliehen werden. TRAVELBOOK zeigt die Pläne und erklärt die Hintergründe der Wiederentdeckung.
Jahrzehntelang standen mehrere alte Orient-Express-Waggons aus den 1930er Jahren vergessen auf einem kleinen Bahnhof an der belarussisch-polnischen Grenze. 2015 entdeckte der französische Eisenbahnfan und Forscher für Industriegeschichte Arthur Mettetal laut „CNN Travel“ die unverwechselbaren blauen Waggons in einem YouTube-Video und spürte sie auf. Das sei ein „magischer Moment“ gewesen. „Alle Dekorationen waren intakt und es war, als ob die Zeit stehen geblieben wäre“, staunte er.
Die vergessenen Orient-Express-Waggons
Der wiederentdeckte Zug verkehrte noch bis zum Anfang der 1980er-Jahre als „Nostalgie-Istanbul-Orient-Express“ auf der Strecke zwischen Zürich und Istanbul. Unter dem Namen „Extrême-Orient-Express“ legte er sogar die längste Reise der Zug-Geschichte von Paris bis Tokio zurück, bis er einige Jahre später schließlich verschwand.
Mit vor Ort bei der Entdeckung und Besichtigung war auch der Vizepräsident des Accor-Ablegers Orient-Express, Guillaume de Saint Lager, der sofort an den historischen Waggons interessiert war. In den folgenden zwei Jahren machte daraufhin das Orient-Express-Team von Accor den Eigentümer der Małaszewicze-Waggons ausfindig. Außerdem fanden sie vier weitere Waggons in Deutschland und in der Schweiz, einige aus dem Jahr 1920. Accor handelte einen Kaufvertrag über die insgesamt 17 Wagen aus, darunter 12 Schlafwagen, ein Restaurant, drei Lounges und ein Lieferwagen. Anschließend wurden die Waggons quer durch Europa nach Frankreich transportiert, wo sie nun restauriert werden.
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Die Restaurierung
2024 sollen die alten Orient-Express-Waggons auf einer Strecke von Paris nach Istanbul eingesetzt werden. Obwohl die Wagen recht gut erhalten waren, setzt Accor auf eine umfassende Restaurierung. Dafür werden die 17 Wagen aus den 1920er- und 1930er-Jahren derzeit unter der Leitung des Architekten Maxime d’Angeac wiederbelebt.
Die Original-Innenausstattung der wiederentdeckten Waggons besteht aus Art-Déco-Einlegearbeiten sowie aus Glasplatten des französischen Kunsthandwerkers René Lalique. Laut d’Anegac sollen die Geschichte des Zuges bewahrt, aber auch moderner Komfort und Sicherheit gewahrt werden. Wie diese Balance zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aussehen soll, hat Accor in einer Pressemitteilung enthüllt.
Der Bar-Waggon
Unter großen Lichtkuppeln im Stil des Zweiten Kaiserreichs, die jeweils von vier Säulen getragen werden, können Passagiere im überwiegend in Grüntönen gehaltenen Barwagen anstoßen. „Vom Palisanderholz über Marmortische bis hin zur Bronze der Säulenkapitelle herrscht hier ,Travel Chic‘“, heißt es dazu seitens Accor. Der Barbereich ist mit einem gläsernen Tresen ausgestattet. An jedem Tisch läutet eine Uhr die Cocktail- und Essenszeiten ein. Eine Ruftaste ist für den Champagner-Service reserviert. Eine weitere für das Personal.
Der Speisewagen
Auch im Speisewagen des künftigen Orient-Expresses setzt man auf Luxus und Komfort. Unter einer verspiegelten und von Bögen durchzogenen Deck sitzen Passagiere auf dunklen Ledersesseln. Die Lampenschirme erinnern an die ursprünglichen Modelle. Im hinteren Teil eröffnet sich hinter einer Glaswand die Küche.
Die Suiten
Die Trennwände in den Suiten sind mit Edelholz und Leder bezogen, die Kopfenden der Betten mit Holz, Perlmutt und Bronze bestickt. In einer Nische sind berühmte Tafeln von Lalique ausgestellt, die aus dem historischen Zug stammen. Auch Badezimmer und Ankleidezimmer greifen den Luxus vergangener Zeiten auf.
Die Gänge
Im neugestalteten Orient-Expresses verfügen die Gänge über große Fenster, die mit gestickten Vorhängen geschmückt sind. Die gewölbte Decke zieren originale Blumen-Lampen von Lalique.
Wie teuer eine Reise mit dem Orient-Express sein wird, ist derzeit übrigens noch nicht bekannt. Bei der Innenausstattung ist jedoch davon auszugehen, dass die Fahrt im historischen Zug nichts für den kleinen Geldbeutel sein wird.