19. März 2022, 5:39 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Patpong klingt wie Ping-Pong. Tatsächlich hielt Bangkoks berühmter Rotlichtdistrikt lange kaum mehr bereit als die gleichnamigen Shows und schmuddelige Bars. Dann kam Corona – und eine neue Chance.
Den sündigen Reizen Bangkoks kann auch David Bowie Anfang der 1980er-Jahre nicht widerstehen und lässt sich von einer leicht bekleideten Thai in die Gogo-Bar „SuperStar“ lotsen. Mit einem Drink in der Hand schaut er im Video seines Songs „Ricochet“ Asiatinnen beim lasziven Pole-Dancing zu.
Gedreht wurde das Filmmaterial in Patpong, einem der bekanntesten Rotlichtviertel der Welt. Damals waren die berüchtigten Straßenzüge noch ein Mekka für Nachtschwärmer und Sextouristen, die auf der Suche nach Sinnenfreuden in die verrufenste Ecke der Metropole strömten.
Die leuchtenden Lichter erlöschen langsam
Im Zuge von Corona ist auch Patpong zum Erliegen gekommen. Seit ein paar Wochen flimmern abends zwar wieder die Neonschilder von „French Kiss“ bis „Barbar Fetish Club“. Aber Touristen kommen kaum.
Einige der berühmtesten Etablissements, wie Bowies „SuperStar“ oder die geschichtsträchtige „Madrid Bar“, haben das Virus nicht überlebt. „Die leuchtenden Lichter von Patpong gehen langsam aus, viele Bars und Clubs können sich nicht mehr über Wasser halten“, schrieb die Zeitung „Bangkok Post“ schon vor einem Jahr.
„Für Patpong ist die Pandemie aber im Grunde eine große Chance, sich neu zu erfinden“, sagt Michael Messner. Der Österreicher, Sohn des bekannten Wiener Künstlers Ernst Fuchs (1930-2015), ist ein Bangkoker Urgestein. Früher war er selbst Besitzer verschiedener Bars im Viertel. 2019 hat er das Patpong Museum eröffnet, das den Werdegang des Vergnügungsbezirks erzählt.
Bananen und Business statt Busen
Wie also hat alles einst begonnen? Nicht mit barbusigen Mädchen, sondern mit einer Bananenplantage. Der chinesische Einwanderer Poon Pat, der 1930 vom König geadelt wurde und fortan Luang Patpongpanich hieß, kaufte das unbebaute Stück Land im Jahr 1946 für gerade einmal 3000 US-Dollar. Der Familie gehört das Land bis heute.
Luangs Sohn Udom studierte damals in den USA und pflegte Kontakte zur Vorgängerorganisation der heutigen CIA. Nach seiner Rückkehr nach Thailand entwickelt er in den 1950er-Jahren mit Hilfe amerikanischer Kontakte ein Geschäftsviertel, in dem sich ausländische Unternehmen ansiedeln. Nicht umsonst wird der Distrikt Silom, in dem Patpong liegt, noch heute als „Bangkoks Wall Street“ betitelt.
Zu den ersten Mietern gehören unter anderem IBM und Shell sowie die Nachrichtenagentur UPI und die Fluggesellschaft Civil Air Transport (die spätere Air America), die von amerikanischen Nachrichtendiensten betrieben wird. Später strömen amerikanische Soldaten im Zuge des Vietnamkriegs nach Bangkok. Geheime Einsätze in Laos und Kambodscha gegen die Vietkong werden von hier aus koordiniert.
Ort der Glücksritter und Gogo-Bars
In Patpong tummeln sich Piloten, Geheimdienstler, Offiziere und Journalisten. Zu ihrem Amüsement öffnen Lokale und Musikclubs, darunter die „Madrid Bar“ und der legendäre Soul-Club „Mississippi Queen“. „Glücksritter und schillernde Persönlichkeiten“ seien damals Stammgäste in Patpong gewesen, sagt Messner.
1969 kommt einer der Knüller aus den „Golden Days“ des Distrikts dazu: Das „Grand Prix“, gegründet vom ehemaligen US-Soldaten Rick Menard. „Das war die Geburtsstunde der Gogo-Bars in Asien“, sagt Messner. „Die Essenz von Patpong waren Gogo-Bars, in denen Besucher Cocktails trinken und nicht jugendfreien Spaß genießen konnten – alles unter einem Dach“, heißt es auf der Museums-Website.
Der Mix aus Laster, Ladyboys und Longdrinks lockte mit der Zeit zunehmend Touristen. Verschiedenste Etablissements, Restaurants und Massage-Salons öffneten ihre Pforten. Und die berühmt-berüchtigten Ping-Pong-Shows wurden ins Leben gerufen, bei denen junge Frauen kleine Bälle oder Dartpfeile aus ihren Geschlechtsteilen schießen.
In den 1990er Jahren begann der Abstieg. Patpong verkam zu einem riesigen Nachtmarkt mit Billig-Souvenirs und wollüstigen Westlern. Schwitzende Menschenmassen schoben sich auf der Suche nach dem sexuellen Kick durch die Sträßchen mit immer abgedroscheneren Lokalen. Dennoch gehörte ein Besuch der Sündenmeile für die meisten zum Standardprogramm einer Reise nach Bangkok dazu.
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Platz für neue Leute und neue Konzepte
Seit Corona ist alles anders. Fast scheint es, als seien die Uhren auf Null gestellt. Zwei Jahre lang musste auch Patpong weitgehend schließen, erst seit Kurzem kommen wieder Touristen ins Land. „Viele alte Platzhirsche sind weg, das macht wiederum Platz für neue Leute und Konzepte“, sagt Michael Messner.
Derzeit ist in seinem Museum bereits eine Kunstausstellung mit Porträts von Sex-Workern zu sehen. Für die Zukunft hofft er auf mehr Kunst und Kultur im Viertel, um das angeschlagene Image zu verbessern. Denn Patpong war immer mehr als nur Gogo und Shopping. Es ist ein Teil der Geschichte Bangkoks.
Infos zu Patpong Museum: Adresse: 5 Patpong Soi 2, Bang Rak, Bangkok 10500; Tel.: +66 91 887 6829; E-Mail: <info@patpongmuseum.com>; Öffnungszeiten: täglich (außer Mittwoch) 12.00 – 21.00 Uhr; Eintrittspreis: 350 Thai Baht (knapp 10 Euro)
Hinweis: Alle Infos zu den aktuellen Einreisebestimmungen und den Corona-Beschränkungen in Thailand finden Sie in diesem Artikel.
Mit Material von dpa