13. Juni 2023, 14:36 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Obwohl Mallorcas Inselregierung und zahlreiche Verbände seit Jahren einen Imagewechsel anstreben, ziehen die Sauftouristen an der Playa de Palma weiter grölend durch die Straßen. Zahlreiche Gesetze und Benimmregeln zeigen nur marginale Wirkung im Kampf gegen den Sauftourismus. Unternehmer schlagen Alarm, Nachbarn haben Angst. Am Ballermann sorgen die Saufurlauber dieses Jahr bereits vor Start der Hauptsaison für Ärger. Zumal viele nicht mehr so viel Geld mitbringen wie früher.
Die Playa de Palma: Der sechs Kilometer lange Strand ist seit Jahrzehnten „berühmt“ für Sauftourismus. Unzählige Bars, Hotels und Diskotheken reihen sich hier aneinander und mittendrin „thront“ der berühmte Balneario 6, besser bekannt als Ballermann, Hotspot des Sauftourismus auf Mallorca. Dort, entlang der Strandpromenade, Schinken- oder Bierstraße, und vor allem in den bekannten Lokalen wie Oberbayern, Megapark und Bierkönig, tobt der Exzess – obwohl die Regierung seit Jahren einen Imagewandel anstrebt.
„Ich sehe oft schon um 14 Uhr sturzbetrunkene Urlauber, die verzweifelt mit dem Handy in der Hand ihr Hotel suchen“, erzählt Gerlinde Weininger, Wirtin des Kultlokals „Münchner Kindl“ an der Playa de Palma. Der sogenannte Sauftourismus ist auf Mallorca nichts Neues – aber dieses Jahr scheint die Lage am berüchtigten Ballermann bereits deutlich vor Beginn der Hauptsaison am 1. Juli so schlimm wie nie zuvor zu sein.
Deshalb schlugen Interessenvertretungen der Partymeile im Süden der spanischen Mittelmeerinsel dieser Tage Alarm. Der Hotelierverband AHPP, der Gastrozusammenschluss CAEB und der Nachtclubverband ABONE prangerten in einem gemeinsamen Aufruf eine inzwischen „unhaltbare“ und „alarmierende“ Situation an.
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Härtere Strafen gefordert
„Jetzt reicht’s!“, meinen sie, und fordern von den Behörden härtere Strafen, mehr Polizeipräsenz und mehr Kontrollen im Zusammenhang mit dem Sauftourismus auf Mallorca. Auch der Anwohnerverband des Bezirks S’Arenal, zu dem der Ballermann gehört, beklagte dieser Tage ein zunehmend schlechteres Benehmen vieler ausländischer Touristen.
Der diesjährige Run auf die Insel begann im Frühjahr mit den Opening Partys der großen Diskotheken unter anderem am Ballermann, der deutschen Urlauberhochburg schlechthin. Die beliebte Partymeile platzt derzeit aus allen Nähten.
Schon im April kamen knapp 1,5 Millionen Besucher aus dem Ausland und dem spanischen Festland auf die Balearen, womit die bisherige Höchstmarke für diesen Monat (gut 1,3 Millionen 2019) übertroffen wurde. Fast 40 Prozent der ausländischen Touristen kamen aus Deutschland.
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Benimmregeln auf Mallorca zeigen kaum Wirkung
Nicht nur die Anwohner und die Lokalbetreiber, auch weniger lautstarke Besucher regen sich über die Touristen auf, die sich im Rausch nicht mehr unter Kontrolle haben. Immer wieder wurden auf Mallorca neue Benimmregeln und Gesetze erlassen, eine „Qualitätsoffensive“ wurde bereits vor Jahren gestartet, doch der Sauftourismus am Ballermann ist nicht zu bremsen.
Offiziell gehört die Playa de Palma zu den Zonen, in denen auf Mallorca im Sommer besondere Benimmregeln gelten. Sie sollen den Alkoholkonsum einschränken, indem etwa der Verkauf reguliert und Werbung untersagt wird. „Es ist zu erwarten, dass wir auch dieses Jahr vor die gleichen Probleme gestellt werden, die die Saison mit sich bringt“, sagt José Antonio Fernández de Alarcón, Chef des Hotelierverbandes Playa de Palma, der sich bereits in Stellung bringt, um die Fehltritte zur Anzeige zu bringen.
Fingerspitzengefühl hingegen mahnt „Bierkönig“-DJ Aaron Müller an. „Der Ballermann steht für Freiheit. Es gehört gewissermaßen dazu, sich daneben zu benehmen.“ An deutschen Partymeilen gehe es nicht groß anders zu, sagt der 38-Jährige aus Idar-Oberstein. „99 Prozent der Urlauber benehmen sich den Umständen entsprechend gut.“
Wobei sich die Frage stellt, wo die Grenze zwischen gutem und schlechtem Benehmen gezogen wird. „Mich persönlich stört es nicht, wenn Leute auf der Straße grölen“, sagt Müller. Das mögen manche anders sehen.
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Wer profitiert von dem Sauftourismus auf Mallorca?
Zum Gesamtbild gehört natürlich auch, dass die Partyurlauber viel Geld in die Insel-Kassen spülen. Deshalb passen sich die Läden in der Gegend den Bedürfnissen an. „Ein Schmuck- oder Schuhgeschäft lohnt sich hier nicht. Selbst die Parfümerie am Ballermann verkauft mittlerweile Dosenbier“, sagt Weininger.
Die Wirtin bedauert aber, dass die Kasse nicht bei allen klingelt. „Es sind eigentlich nur drei Lokale, die von der Party profitieren: Megapark, Bierkönig und Oberbayern.“ Zu selten würden die Urlauber an der Playa de Palma gut essen gehen. „Sie fallen meist aus der Disco raus und gehen zum Dönerstand oder der Bratwurstbude gegenüber“, sagt Weininger.
Das mag auch an den Preisen liegen. Die Inflation hat auch um Mallorca keinen Bogen gemacht. „Es ist verdammt teuer geworden“, sagt Kevin Kirchheim. „Unter 200 Euro pro Nacht ist im 4- bis 5-Sterne-Bereich (im Hotel) mit Halbpension nichts mehr möglich.“ Auf seinen Urlaub will der Urlauber aus Velbert aber trotzdem nicht verzichten. „Dann spare ich lieber an anderen Ecken zu Hause.“
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Immer mehr Besucher übernachteten am Strand
Andere verzichten sogar auf ein Bett. Immer mehr Besucher, vor allem aus Deutschland und den Niederlanden, übernachteten am Strand, klagt der Vizepräsident des Anwohnerverbandes von S’Arenal, Alain Carbonell. „Die 18- bis 20-Jährigen kommen nur noch, um sich zu betrinken.“ Die Lage sei „unhaltbar“, beteuert auch er im Gespräch mit der Zeitung „Última Hora“. Das Blatt schrieb, bei den Einheimischen herrsche „Angst“ vor dem nahenden Sommer.
Rebecca aus Stuttgart kommt bei Freunden unter. Daher sind ihr vor allem die höheren Flugpreise aufgefallen. „Allein fürs Handgepäck musste ich pro Strecke 25 Euro bezahlen.“ Für Hin- und Rückflug gab sie insgesamt 220 aus. Früher seien es unter 100 Euro gewesen. „Die Preise im Supermarkt sind ähnlich wie in Deutschland gestiegen.“
Die Schwäbin ist am liebsten am Strand in Colònia de Sant Jordi im Südosten der Insel. Obwohl sie keinen Alkohol trinkt, hat sie mit dem Ballermann kein Problem. „Ich höre die Musik auch auf Arbeit. Es müssen aber andere nüchterne Leute bei der Party dabei sein. Denn sonst muss ich die Mutti für alle Besoffenen spielen.“
mit Material der dpa