19. Oktober 2021, 12:52 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Der erste Tunnel für Schiffe auf See soll gigantisch werden, 1,7 Kilometer lang, 36 Meter breit und 37 Meter hoch. Ein teures Projekt, das eigentlich Leben retten soll. Doch nun gibt es eine Gegenstimme, die sagt, der Tunnel werde in seiner jetzigen Form selbst zur Gefahr. TRAVELBOOK kennt die Details.
Seit den 2000er-Jahren wird bereits über ihn diskutiert, 2017 kam das „Go“ für die Umsetzung und 2023 soll der Bau tatsächlich beginnen: Dann kommt der weltweit erste Tunnel für Kreuzfahrtschiffe. Der Stad-Schiffstunnel soll 1,7 Kilometer lang, 36 Meter breit und 37 Meter hoch werden. Damit wird er groß genug, dass auch Fracht- und Kreuzfahrtschiffe ihn nutzen können, bei einer Geschwindigkeit von acht Knoten dauert die Passage zukünftig etwa zehn Minuten.
Ursprünglich war laut der norwegischen Schiffsverkehrsbehörde Kystverket geplant, dass schon 2023 die ersten Schiffe durch den neuen Tunnel fahren sollen. Doch der Bau ist aufwändig, es gibt zahlreiche Herausforderungen, unter anderem aufgrund der Tiefe des Tunnels und der besonderen Lage. Der Stad-Schiffstunnel soll die Halbinsel Stadlandet in Westnorwegen durchqueren und den Moldefjord mit dem Vanylvsfjord verbinden.
Immer wieder gibt es auf der Strecke Schiffsunglücke
Notwendig gemacht hat den Tunnel die raue See in den Gewässern um die Halbinsel Stadlandet. Besonders im Herbst und Winter herrschen hier im Nordmeer sehr raue Wind- und Wasserverhältnisse mit gefährlichen Kreuzseen (diese entstehen, wenn Wellen aus unterschiedlichen Richtungen aufeinandertreffen und nur schwer schiffbar sind). Verspätungen im Frachtverkehr und im Liniendienst der Hurtigruten sind die Folge, und schlimmstenfalls leider auch: tödliche Schiffsunglücke.
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Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben hier bereits 33 Menschen bei 46 Havarien ihr Leben verloren. Die jüngste Katastrophe ereignete sich im März 2019, als die „Viking Sky“ havarierte und mehrere Passagiere durch von Windstärke neun und bis zu acht Meter hohen Wellen verletzt wurden. Der Tunnel soll diese Risiken in Zukunft mindern – doch ein Experte sagt nun, dass der Bau selbst zur Gefahr werden könnte.
Experte warnt vor Brandgefahr im Tunnel
Emil Aall Dahle war Professor an der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Norwegens und zu Beginn der Tunnelarbeiten selbst in die Planung involviert. Mittlerweile ist er es nicht mehr – und sieht bei den jetztigen Plänen große Sicherheitslücken. Denn er hält es für zu gefährlich, dass gigantische Kreuzfahrtschiffe den Tunnel durchqueren. So sagt Dahle laut der norwegischen Fachzeitschrift „Teknisk Ukeblad“, wenn ein Kreuzfahrtschiff im Tunnel stecken bleiben würde, gäbe es seitlich des Schiffs keinen Platz mehr für die Rettungsboote. Das wäre im Fall eines Brandes lebensgefährlich. Sein Fazit: „Ich möchte diesen Tunnel nicht betreten.“
Seine Bedenken habe Dahle bereits den offiziellen Stellen mitgeteilt, er fordert neue Systeme, die im Notfall das Schiff aus dem Tunnel holen würden. Doch bislang scheinen die Behörden keine Änderungen am Plan vornehmen zu wollen. Es fehle schlicht ein Weg, viele Menschen bei Gefahr schnell aus dem Tunnel zu bekommen. Laut „Spiegel“ habe der Projektleiter gesagt, dass alle „erforderliche Studien zum Brandschutz“ durchgeführt wurden.
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Stad-Schiffstunnel soll 300 bis 400 Millionen Euro kosten
Es scheint also, als würde der Tunnel in seiner bislang geplanten Form gebaut werden. Nicht zuletzt vielleicht auch, weil Planänderungen nochmal teurer werden würden. Und günstig wird das Projekt schon jetzt nicht. Die Kosten stiegen in den vergangenen Jahren bereits von 115 auf mutmaßlich 300 bis 400 Millionen Euro, nachdem die norwegische Regierung das Projekt nun mit in den Haushalt des kommenden Jahres aufgenommen hat, sind sogar Finanzmittel von 330 Millionen Euro freigegeben, berichtet WELT.
Experten halten es aber für durchaus möglich, dass die Kosten während des Baus noch weiter ansteigen. Der Stad-Schiffstunnel ist Teil eines nationalen Transportplans, für den Norwegen bis 2029 mehrere Milliarden Euro ausgeben will.