12. Juli 2024, 17:42 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Der anhaltende Massentourismus („Overtourism“) stellt Venedig seit geraumer Zeit vor erhebliche Herausforderungen. Deshalb hat die Stadt Maßnahmen zur Regulierung der Besucheranstürme ergriffen. Die erste davon, eine Eintrittsgebühr für Tagesgäste, ist Ende April in Kraft getreten. Nun zieht man eine erste Bilanz – und kündigt direkt eine Erhöhung der Gebühr an.
Während der Hauptsaison kann in Venedigs Altstadt die Zahl der Besucher von außerhalb die der Einheimischen (aktuell rund 53.000 laut den Bevölkerungsstatistiken des Istituto Nazionale di Statistica) oft um das Doppelte übersteigen. Dadurch sind die Straßen oft überfüllt, Menschenmassen prägen das Stadtbild – der sogenannte Overtourism belastet die Umwelt Venedigs genauso wie die Lebensqualität der Einheimischen. Deswegen beschloss Venedig im September 2023 die Einführung einer Eintrittsgebühr von rund 5 Euro. Die Maßnahme ist am 25. April 2024 in Kraft getreten. Jetzt zieht die Stadt Bilanz – und macht eine überraschende Ankündigung.
Übersicht
Bezahlmodell als Testballon – nun wirds ernst
Eine Eintrittsgebühr für Tagesbesuche in Venedig ist schon seit Jahren im Gespräch. Die Lagunenstadt hatte sie ursprünglich am 1. Juli 2020 einführen wollen, doch der Termin wurde immer wieder verschoben. Für einige Wochen galt sie nun – und zwar konkret für Touristen, die für ein paar Stunden blieben, also nicht in Venedig übernachteten. Praktisch sah dies so aus, dass sich Kurzbesucher einen Beleg über die geleistete Zahlung als QR-Code aufs Smartphone laden konnten, um diesen bei Kontrollen vorzuzeigen. Wer den Code nicht vorweisen konnte, muss mit einer Geldstrafe in Höhe von zwischen 50 und 300 Euro rechnen. Von der Eintrittsgebühr befreit sind Besitzer von Zweitwohnungen, Übernachtungsgäste, Pendler und Teilnehmer an Sportveranstaltungen.
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Bei der Verabschiedung der Maßnahme wurde sich auf bestimmte Tage geeinigt – solche, an denen mit einem hohen Besucheraufkommen zu rechnen ist. Hierzu zählen beispielsweise Feier- und Brückentage. Zwischen dem Starttermin am 25. April und dem Ende der Testphase am 14. Juli waren es 29 Tage. Danach wollte man entscheiden, ob man am anscheinend umstrittenen Model festhalten werde. Nun ist es so weit.
Wie unter anderem „ZDF heute“ berichtet, stehe die umfassende Auswertung zum Testballon zwar noch aus – was Stadtrat Michele Zuin aber scheinbar nicht daran hindert, bereits jetzt Verschärfung der Gebühr für das kommende Jahr anzukündigen. So soll er gegenüber der Lokalzeitung „Il Gazzettino“ angekündigt habe, dass im kommenden Jahr an bestimmten Tagen ein Grundtarif gelten solle, während an vermeintlichen kritischen Tagen künftig eine Gebühr von bis zu 10 Euro fällig werden würde. Das entspräche einer Verdopplung der bisherigen Eintrittsgebühr, die nicht nur bei Besuchern umstritten ist.
Einwohner protestieren gegen Eintrittsgebühr für Venedig-Besuch
Denn bereits am Morgen des Stichtages kam es zu Protesten, wie „CNN Travel“ berichtete. Einwohner Venedigs gingen demnach mit Transparenten auf die Straßen und hielten die eigenen Ausweise hoch. Was sie damit ausdrücken wollen: Venedig ist ihre Heimat, die Stadt, in der sie leben und arbeiten. Die Eintrittsgebühr stelle es so dar, als handele es sich um einen Themenpark oder ein Museum.
Glaubt man den Demonstranten, verfehlt die Eintrittsgebühr für Besuche in Venedig ihren Zweck. Und es sind nicht nur Privatleute, die es so sehen – auch Elena Gastaldello, Präsidentin des italienischen Freizeit- und Kulturvereins Arci, zeigt sich davon im Interview mit „CNN Travel“ überzeugt. Die Touristenanstürme würden dadurch nicht geringer, „da keine Höchstzahl von Besuchern festgelegt wurde“, so Gastaldello. „Aber es wird die Stadt weiter in einen scheinbaren Vergnügungspark verwandeln.“
Fakt ist, dass die Stadt Venedig gut an der neuen Gebühr verdient: Laut „ZDF heute“ seien mehr als 25.000 zahlende Gäste registriert worden; die Gesamteinnahmen lägen demnach bei über 2 Millionen Euro. Die Sprecherin der Bürgerinitiative, Federica Toninello, habe laut Berichten dem Radiosender Rai gegenüber zwar eingeräumt, dass die Maßnahme Geld in die Kommune gebracht habe – in Sachen Abschreckung aber nicht funktioniert habe.
Weitere Maßnahme gegen Overtourism in Venedig
Neben der Eintrittsgebühr sollen weitere Maßnahmen gegen Overtourism die Besucheranstürme in Venedig regulieren. Etwa sind seit dem 1. Juni 2024 von Reiseführern begleitete Touristengruppen, die mehr als 25 Personen umfassen, nicht mehr in der norditalienischen Stadt gestattet. Des Weiteren beinhalten die aktuellen Beschlüsse ein Verbot von Lautsprechern während solcher Führungen, um die Bewohner und Besucher im Stadtzentrum sowie auf den Inseln Murano, Burano und Torcello vor Lärm und Belästigungen zu schützen. Laut der Wochenzeitung „Die Zeit“ ist es Reisegruppen künftig auch untersagt, sich länger in engen Gassen oder auf Brücken anzuhalten.
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Kreuzfahrtschiffe nicht willkommen
In der Kritik stehen seit Jahren insbesondere Kreuzfahrt-Touristen, die meist wenig Geld in der Stadt lassen, dafür aber umso mehr Müll. Bereits seit Mitte 2021 ist die direkte Einfahrt von Kreuzfahrtschiffen in die Lagune von Venedig untersagt. Denn die Wellen, die sie erzeugen, haben negative Auswirkungen auf die Fundamente des Weltkulturerbes Venedig und stellen eine Gefahr für das fragile ökologische Gleichgewicht in der Bucht dar. Betroffen seien laut der „Süddeutschen Zeitung“ Kreuzfahrtschiffe und Frachter mit einem Gewicht von mehr als 40.000 Tonnen.
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Venedig überwacht digital die Touristenströme
Um die Touristenströme in Venedig zu überwachen, hatte die Stadt bereits 2021 ein digitales Kontrollzentrum eingerichtet. Dort werden auf riesigen Bildschirmen verschiedene Daten in Echtzeit angezeigt. Dazu zählen unter anderem die Anzahl und Art der Boote auf den Kanälen der historischen Stadt und die Parksituation auf öffentlichen Parkplätzen. Zu sehen sind auch Bilder von Kameras, die in der ganzen Stadt verteilt sind.
Ebenso wird der aktuelle Personen- und Touristenfluss in der Stadt angezeigt. Hierfür messen Sensoren, wie viele Menschen den Tag über Venedig betreten und wie viele die Stadt wieder verlassen. Die Daten zeigen auch, aus welchen Ländern oder Regionen Italiens die Personen kommen. Man sieht auch, wo sie sich jeweils innerhalb der Stadt aufhalten. Das preisgekrönte, rund drei Millionen Euro teure System bildet die Grundlage für die Verwaltung der neuen Eintrittsgebühr.