8. März 2024, 6:25 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Die Lage in Nahost ist seit dem Kriegsbeginn in Gaza im Oktober 2023 weiterhin extrem angespannt. Und für nicht wenige Menschen, die in Länder der Region reisen möchten, stellt sich die Frage: Ist die Reise sicher? Geht es dabei um die Türkei, kommen weitere Sicherheitsbedenken hinzu, die auch das Auswärtige Amt aufgreift.
Die Türkei ist eines der beliebtesten Reiseländer der Deutschen. Faszinierende Bauwerke, köstliche Speisen, lebhafte Städte wie etwa Istanbul und Ankara und nicht zuletzt Strände und angenehmes Klima ziehen jedes Jahr zahlreiche Urlauber in das Land. Doch angesichts des Kriegs in Nahost stellt sich die Frage: Wie sicher ist ein Urlaub in der Türkei derzeit?
Übersicht
Die Türkei und die aktuelle Lage in Nahost
Besonders im Zusammenhang mit dem Krieg zwischen Israel und der Hamas, aber auch aufgrund anderer Brandherde in Nahost, stellt sich die Frage nach der Sicherheit in der Türkei. Das Auswärtige Amt hat für Israel und den Gazastreifen, ebenso wie für die Nachbarländer Libanon, Syrien sowie für Teile Ägyptens, Reisewarnungen ausgesprochen. Von Reisen in Teile Jordaniens wird abgeraten.
Die Türkei steht nicht auf der aktuellen Liste der Reisewarnungen des Auswärtigen Amts. Allein vor Reisen in das Grenzgebiet der Türkei zu Syrien und Irak wird dringend abgeraten. Die Türkei hat keine gemeinsame Grenze mit Israel, es liegt 879 Kilometer entfernt und Reisende in die Türkei sind weiterhin nicht direkt vom Konflikt zwischen Israel und der Hamas betroffen – solange sie sich neutral oder pro-palästinensisch verhalten. Denn die Ausrichtung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan und seinen Gefolgsleuten ist klar pro-palästinensisch und anti-israelisch. Eine entgegengesetzte öffentlich gemachte Haltung kann mitunter zu Festnahmen und Ausweisungen aus der Türkei führen. Das Auswärtige Amt warnt, dass es aufgrund des „andauernden Konflikts in Israel und den Palästinensischen Gebieten (…) in der Türkei zu ggf. spontanen, pro-palästinensischen Protestkundgebungen und gewaltsamen Ausschreitungen“ kommen könne. Reisende sollten daher „besonders vorsichtig“ sein und Demonstrationen sowie größere Menschenansammlungen meiden.
Terror und Grenzgebiete
Die klare pro-palästinensische Ausrichtung der Türkei ist jedoch nicht der einzige Konflikt, der sich auf einen Aufenthalt in dem Land auswirken könnte. Erst am 13. Januar 2024 flog die Türkei Luftangriffe gegen mutmaßliche Kurdenmilizen im Norden Syriens und im Irak. Die Auseinandersetzungen zwischen der türkischen Regierung und der als terroristische Vereinigung gelisteten „Kurdischen Arbeiterpartei“ (PKK) dauern seit Jahren an – mit hohen Opferzahlen. Das Auswärtige Amt erklärt für den Südosten und Osten der Türkei: „Im unmittelbaren Grenzgebiet der Türkei zu Syrien und Irak (in den Provinzen Hatay, Gaziantep, Kilis, Şanlıurfa, Mardin, Şırnak, Hakkâri) bestehen Gefahren durch angrenzende Auseinandersetzungen.“
Neben dem Grenzgebiet muss jedoch auch überall sonst im Land mit terroristischen Anschlägen gerechnet werden. Erst am 1. Oktober 2023 hatte es einen Bombenanschlag auf das türkische Innenministerium in der Nähe des Parlaments in Ankara gegeben. Mehrere Menschen wurden dabei verletzt. Besonders gefährdet, Ziele von Anschlägen zu werden, sind Metropolen wie Istanbul und Ankara, ebenso wie der Südosten des Landes. Das Auswärtige Amt rät Reisenden entsprechend „insbesondere an belebten Orten und bei besonderen Anlässen aufmerksam“ zu sein und nicht zwingend notwendige Reisen in die Grenzgebiete zu unternehmen. Außerdem rät das AA, größere Menschenansammlungen, etwa auf öffentlichen Plätzen oder vor touristischen Attraktionen zu meiden. Ebenso sollten sich Touristen nicht in der Nähe von Regierungs- und Militäreinrichtungen aufhalten. Gleiches gilt für abgelegene Gebiete.
Wer zum Badeurlaub in die Türkei fährt, kann sich jedoch sicher fühlen. Das Auswärtige Amt nennt diese explizit nicht in seinen Reisehinweisen. In den vergangenen Jahren gab es in touristischen Urlaubsregionen wie der türkischen Ägäisküste, der türkischen Riviera oder der lykischen Küste auch keine terroristischen Anschläge.
Willkürliche Festnahmen deutscher Staatsangehöriger in der Türkei
Für deutsche Reisende kann die Türkei derzeit jedoch besonders aus anderen Gründen nicht als sicher eingestuft werden. In den Reisehinweisen zur Türkei findet man beim Auswärtigen Amt eine lange Ansammlung von Gefährdungen, mit denen Urlauber aktuell rechnen müssen. So gebe es etwa „weiterhin Fälle, in denen deutsche Staatsangehörige willkürlich festgenommen, mit einer Ausreisesperre belegt oder an der Einreise in die Türkei gehindert werden.“ Laut dem Auswärtigen Amt führen die türkischen Strafverfolgungsbehörden umfangreiche Listen von Personen mit Wohnsitz in Deutschland.
In vielen Fällen geht es dabei um den „Verdacht der Propaganda“ oder die Unterstützung oder Mitgliedschaft in einer als terroristisch eingestuften Organisation wie der PKK oder Gülen-Bewegung. Bereits „bloße Äußerungen, das Teilen, Kommentieren oder das ,Liken‘ von Beiträgen in sozialen Medien“ und die Verbreitung von Aussagen, die von der türkischen Strafverfolgungsbehörde als unwahr oder schädlich für das Land, seine Sicherheit, öffentliche Ordnung und Gesundheit der Bevölkerung eingestuft werden, sind strafbar. Gleiches gilt für die Teilnahme an Demonstrationen in Deutschland, die Mitgliedschaft in einem Verein oder die bloße Unterzeichnung einer Petition mit kurdischem Anliegen. Regierungskritische Beleidigungen, besonders Präsidentenbeleidigung, können mit mehrjährigen Haftstrafen geahndet werden.
„Betroffen sind insbesondere, aber nicht ausschließlich deutsche Staatsangehörige mit privaten und persönlichen Bindungen in die Türkei sowie Personen, die neben der deutschen auch die türkische Staatsangehörigkeit besitzen“, schreibt das Auswärtige Amt. Auch Journalisten sind vor den Maßnahmen in der Türkei nicht sicher. Sie können in ihrer Berufsausübung eingeschränkt werden oder müssen sogar mit einer Strafverfolgung rechnen.
Kriminalität und Naturkatastrophen
Auch die Kriminalität ist bei der Frage, ob die Türkei aktuell ein sicheres Reiseland ist, natürlich ein Thema. Laut dem Auswärtigen Amt weist das Land eine „vergleichsweise gering ausgeprägte Gewaltkriminalität“ auf. Vereinzelt kommt es jedoch zu gewaltsamen und sexuellen Übergriffen. Vorsicht sei geboten vor Taschendieben, verschiedenen Formen von Betrugsfällen während und nach der Reise sowie Passdiebstählen. Auch Betrugsfälle nach der Rückkehr aus dem Türkei-Urlaub wurden in der Vergangenheit gemeldet.
Nicht ganz sicher ist auch die Lage hinsichtlich der Erdbebengefahr in der Türkei. Das Auswärtige Amt erklärt, dass das Land in einer „seismisch sehr aktiven Zone“ liege. Reisende sollten daher mit kleineren wie auch schwereren Erdbeben rechnen. Ebenso „mit Erdrutschen, erheblichen Verkehrsbeeinträchtigungen und lange andauernden Nachbeben“. Hinzu kommt die Gefahr von Starkregenfällen, die zu Überflutungen und Erdrutschen führen sowie im Sommer von Waldbränden.
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Wie sicher ist die Türkei für LGBTQ+-Personen?
Theoretisch ist Homosexualität in der Türkei legal. In der Realität wird die „Pride Parade“ bereits seit 2015 immer wieder verboten. Laut des Auswärtigen Amts kam es 2022 „am Rande nicht genehmigter Pride-Veranstaltungen in der Türkei zu zahlreichen Festnahmen“. Darüber hinaus komme es immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen auf LGBTQ+-Personen. Das Auswärtige Amt rät, „mit zum Teil starken Vorurteilen gegenüber LGBTIQ in der türkischen Gesellschaft“ zu rechnen. Die „Rainbow Europe Map and Index“ macht noch deutlicher, wie düster es um die Gleichstellung und Akzeptanz von LGBTQ+-Menschen in dem Land steht: Die Türkei steht im europaweiten Vergleich auf dem 48. und damit auf dem vorletzten der insgesamt 49 Plätze – mit nur vier Prozent in Sachen „Respekt der Menschenrechte und volle Gleichstellung“. Schlechter ist die Lage nur in Aserbaidschan mit zwei Prozent.
Auch im Gay Travel Index 2024 schneidet die Türkei nicht gut ab und landet auf Rang 143.
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Das sollten Sie bei einem Türkei-Urlaub beachten
Angesichts dieser Vielzahl an Gefahrenherden in der Türkei hat das Auswärtige Amt eine lange Liste an Ratschlägen für den Aufenthalt in der Türkei veröffentlicht. TRAVELBOOK fasst die wichtigsten zusammen:
- Halten Sie sich von politischen Veranstaltungen, Kundgebungen, größeren Menschenansammlungen, Regierungs- und Militäreinrichtungen fern und seien Sie besonders an belebten Orten und bei besonderen Anlässen aufmerksam. Meiden Sie zudem abgelegene Gegenden und wenig befahrene Landstraßen.
- Seien Sie sich bewusst, dass auch in Deutschland getätigte Handlungen oder Meinungsäußerungen zu Festnahmen, Aus- oder Einreisesperren führen können. Selbst wenn diese nicht öffentlich passiert sind. In vielen Fällen kann selbst konsularische Unterstützung der deutschen Auslandsvertretung vor Ort nicht vor der Strafverfolgung schützen.
- Informieren Sie sich über die örtliche Sicherheitslage und folgen Sie den Anweisungen lokaler Sicherheitskräfte.
- Seien Sie im Umgang mit wenig bekannten Personen vorsichtig und praktizieren Sie immer situationsangemessenes, kulturbewusstes Verhalten. Bewahren Sie darüber hinaus Geld, Ausweise, Führerschein und andere wichtige Dokumente sicher auf und speichern Sie elektronische Kopien. Achten Sie auf Ihre Wertsachen und nehmen Sie nur für den Tag benötigtes Bargeld mit. Seien Sie bei ungewohnten E-Mails, Telefonanrufen, Zahlungsaufforderungen, Gewinnmitteilungen, Einladungen und Hilfeersuchen angeblicher Bekannter oder Anrufen von angeblichen Polizei- und Justizbeamten skeptisch. Teilen Sie keine Daten von sich mit, sondern vergewissern Sie sich persönlich oder wenden Sie sich an die Polizei.
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Anmerkung der Redaktion: Wir von TRAVELBOOK raten nicht von Türkei-Reisen ab, solange es das Auswärtige Amt nicht ausdrücklich tut. Wir möchten mit dieser Zusammenfassung lediglich Informationen zur aktuellen Lage geben.