27. Dezember 2022, 14:11 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
In der Nähe der spanischen Stadt Salamanca lebt Künstler Fernando Ledesma auf einer ehemaligen Farm, die er zum Atelier umfunktioniert hat. Hier steht auch ein kleines Haus, dessen Inneres an die Arbeit Antoni Gaudís erinnert. Und das kann man mieten. TRAVELBOOK-Autorin Anna Wengel war vor Ort und hat mit dem Künstler gesprochen.
Die Augen meiner kleinen Tochter fangen an zu strahlen, als ich mit ihr auf dem Arm unser neuEstes Domizil betrete. Wir sind in einem Ferienhaus nicht weit von Salamanca, gestaltet vom Künstler Fernando Ledesma (59). Hunderte kleine Mosaike glitzern uns schon von der händisch geformten, geschwungenen Treppe entgegen. Die steht rechts hinter der schweren hölzernen Eingangstür und führt in steinernen Stufen nach oben zum Schlafbereich und Badezimmer unterm Dach. Auch die Wände glitzern uns entgegen. Hunderte weiße Fliesensplitter, hier und da unterbrochen von einer geschwungenen blauen Linie, bringen den ganzen Raum vor uns zum Strahlen. Den erreichen wir über drei weitere Stein-Stufen.
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Ein Spielzeugland für die Augen
Fast bedächtig treten wir in den Wohnraum, meine Tochter links und rechts herum den Hals reckend, kaum genug bekommend von all dem Glitzern und den vielen vielen Farben. Die Krone der Spielzeugland-Farben-Schöpfung finden wir in der Küchenzeile. Der Künstler hat hier Bonbonfarbene Fliesen in allerlei Formen mit knallroten Schränken kombiniert, bunter geht nicht mehr.
Doch das wirkliche Highlight versteckt sich einen Raum weiter. Durch den offenen, türlosen Türbogen treten wir in einen blau-weiß schimmernden Raum. Eine große ovale Badewanne steht hier auf einem, über ein paar Stufen zu erreichenden, Podest. Umgeben von Hunderten, wie ich vermute, portugiesischen Fliesen. Weiße Schaumkronen glitzern auf dem Wasser, Ledesma hat uns zur Begrüßung ein Bad vorbereitet. Gegenüber der Wanne ist ein breites Holzbrett in die Wand montiert, es erinnert mich an eine Saunagrotte. Für die entsprechenden Gerüche sorgt eine kleine elektrische Duftlampe.
Traurig-bunte Illusion
Wir wohnen hier mitten in einem Kunstwerk. Und bei einem Künstler, der nicht mehr meiner Idee eines professionellen Künstlers entsprechen könnte. Ledesma zeigt uns auch sein Zuhause, das gleichzeitig Atelier ist. Überall hängen drinnen und draußen Bilder, stehen Skulpturen und liegen Arbeitsmittel herum. Doch es ist nicht nur das visuelle Umfeld, das mich an vergangene Zeiten, Antoni Gaudí, Pablo Picasso und Max Ernst denken lässt – übrigens ein paar seiner persönlichen Rollenvorbilder neben Joseph Beuys, Salvador Dalí und Francisco de Goya. Es ist der Künstler selbst. Es fühlt sich an, als hätte Ledesma eine Tür zu einer anderen Welt geöffnet, als er uns durch das massive Eisentor auf sein Grundstück fahren lässt. Diese andere Welt atmen wir überall auf dem Gelände ein. Spüren sie, in jedem Zentimeter dieses Hauses, in dem mein Mann, meine Tochter und ich uns sofort pudelwohl fühlen. Spüren aber auch eine emotionale Intensität, die weit über das kunterbunte Fliesenmeer und seine Farbenwucht hinausgeht und nicht so recht passt zum fröhlichen Spielzeugland-Gefühl in unserem Ferienhaus. Eine uns erst einmal nicht zu erklärende Schwere ist da – und wir sollen recht damit behalten.
Am letzten Tag unseres Salamanca-Besuchs sitzen wir mit dem Künstler in seinem Garten. Ich hatte ihn gefragt, ob ich etwas über sein Haus schreiben darf und er hat begeistert zugestimmt. Ich frage ihn nach seiner Inspiration für das Ferienhaus und plötzlich wird Ledesma still, als verschwinde er in eine andere Welt. Tränen treten in seine Augen, laufen ihm über die Wangen. Mit seinen warmen, seelentiefen Augen schaut er mich an. Er war auf der Höhe seiner Karriere, erzählt er, umgeben von wichtigen Menschen der spanischen Kunstszene. „Doch nur ein Jahr, weil meine Frau dann Krebs bekam. Zehn Jahre lang bin ich hierher [in das Haus] gekommen. Es ist wie der Zufluchtsort einer Illusion.“
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Kunst und Ferienhaus in Salamanca
Sein Leben und die Erfahrungen darin verarbeitet der Künstler in seinen Werken. Neben zahlreichen Mosaik-Stücken sind das unzählige Bilder, ebenso wie Installationen. Ledesma nutzt dafür heute vor allem Dinge, die er hier vor Ort und auf seinen Reisen findet. „Die Fliesen kommen aus der mediterranen Kultur“, erzählt er und ergänzt: „Aus der afrikanischen Kultur, Marokko, Kappadokien, Griechenland.“ Das Haus, in dem wir wohnen, ist seine Hommage an Antoni Gaudí. Es gibt noch ein weiteres Ferienhaus, direkt neben unserem, die Gärten getrennt durch eine Holzwand. Das kenne ich nur von Bildern (als wir da sind, ist es gerade belegt), es ist ebenfalls ein Kunstwerk, aber weniger aufgeregt, weniger bunt, mehr braun und Stein und Ruhe. Und diese beiden Ferienhäuser sollen nicht die einzigen bleiben.
Während eines Spaziergangs über das große Gelände komme ich an mehreren alten Häusern vorbei. Auch hier eine andere Welt. Weniger künstlerisch. Zerbrochene, dreckige Fenster, ein alter Traktor, allerlei Farmzeug, das herumsteht und -liegt. Das frühere Leben auf der Farm ist hier in all der Ruhe spürbar. Und gefühlt könnte hier jeden Moment eine alte Bäuerin oder ein alter Farmer um die Ecke kommen. Oder ein Untoter, denn wenn ich ehrlich bin, finde ich es allein zwischen den mehr oder weniger intakten Häusern und in all der Stille auch ein bisschen gruselig. Es ist ein toller Lost Place, den es hier neben all der Kunst, dem Ferienhaus, der entspannenden Ruhe und natürlich Salamanca zu entdecken gibt.
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Ich frage Ledesma nach diesen Häusern und er erzählt, dass er aktuell an einem weiteren Haus arbeitet. Auch das wird zweifellos ein Kunstwerk werden. Ledesma lebt seit zwanzig Jahren auf der Farm. Macht sie Stück für Stück sein Eigen, sein Werk. Bekommen hat er sie einst von seinem Vater José Ledesma Criado (1926 bis 2005), seinerseits Poet und Fernandos erstes Rollenvorbild. Eine Skulptur des Vaters steht in der Innenstadt Salamancas, geschaffen von seinem Sohn.