Nahe der kleinen Stadt Eutin in Schleswig-Holstein steht, mitten im Dodauer Forst, der wohl berühmteste Baum Deutschlands: die Bräutigamseiche. Nicht Wenige glauben, sie besitze so etwas wie magische Kräfte. Tatsächlich aber hat die mehr als 500 Jahre alte Eiche schon zahlreichen einsamen Menschen dabei geholfen, einen Partner fürs Leben zu finden.
In ihrem Buch „Deutschlands schrägste Orte. Ein Fremdenführer für Einheimische” bezeichnet die Autorin Pia Volk die Bräutigamseiche scherzhaft als eine Art Dating-Plattform, denn auch heute noch schicken Menschen aus aller Welt dem Baum Briefe, in der Hoffnung auf die wahre Liebe. Bereits seit 1927 hat er deshalb sogar eine eigene Adresse: Bräutigamseiche, Dodauer Forst, 23701 Eutin. Jeder Brief, der an den Baum gerichtet ist, wird seitdem von einer Briefträger*in in einem Astloch hinterlassen, dass man über eine Leiter erreicht.
Alles begann mit einer verbotenen Liebe
Laut Volk hat die Eiche auf diese Weise bereits mindestens 13 Paare zusammen finden lassen; es heißt, sie habe bis heute gar an die 100 Ehen gestiftet. Alles fing demnach damit an, dass sich die Tochter des Dodauer Försters und der Sohn eines Schokoladenfabrikanten ineinander verliebten. Da ihr Vater gegen die Ehe war, hinterließen sich die beiden lange Zeit schmachtende Nachrichten in der alten Eiche, bis der strenge Förster der Verbindung schließlich doch seinen Segen gab.
Verbürgt ist an dieser Geschichte nur, dass die Verliebten im Jahre 1891 unter der alten Eiche tatsächlich heirateten – laut Volk, die mit den Nachfahren der Beiden gesprochen hat, stimme die Geschichte mit den zuvor geschriebenen Liebesbriefen aber nicht. Dennoch wurden an den Baum, der bald den Beinamen Bräutigamseiche erhielt, in den Folgejahren derartig viele Briefe adressiert, dass die Deutsche Post bereits 1927 damit begann, ihm all diese Post offiziell zuzustellen.
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Auch der Briefträger fand dank der Bräutigamseiche sein Glück
Die wohl unglaublichste Liebesgeschichte bescherte die Eiche dabei dem Briefträger Karl-Heinz Martens, der ab 1984 bis zu seiner Rente fast jeden Tag Post zu dem Baum brachte. Wie er der Zeitschrift „The Atlantic” erzählte, fand er eines Tages bei der Zustellung einen Brief, der an ihn selbst adressiert war. Beziehungsweise eine Visitenkarte mit Telefonnummer, darauf nur ein Satz: „Ich möchte dich gerne kennenlernen”.
Eine Frau hatte im Fernsehen einen Bericht über die Bräutigamseiche gesehen, in dem auch Martens interviewt wurde – dieser hatte damals eine Scheidung hinter sich, gab an, Single zu sein. Die Frau namens Renate, die er wenige Jahre später heiratete, habe daraufhin nur zu ihrem Sohn gesagt: „Das werde ich ändern!” Martens rief sie an, fuhr schon bald darauf zu ihr ins Saarland, am Ende zog sie zu ihm nach Eutin, wo sie 1994 nach fünf Jahren Beziehung den Bund der Ehe eingingen – die anschließende Feier fand natürlich unter der Bräutigamseiche statt.
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Bis zu 50 Liebesbriefe pro Tag
Doch so viele Menschen sie bislang auch bereits glücklich gemacht hat, der Eiche selbst war in Liebesfragen kein Happy End beschert: Laut der touristischen Seite „Holsteinische Schweiz” wurde sie im Jahr 2009 symbolisch mit der Himmelsgeister Kastanie in Düsseldorf verheiratet, ein Baum, der ebenfalls eine eigene Adresse hatte. Doch dieser musste schon 2015 wegen einer Pilzkrankheit abgesägt werden. Die Bräutigamseiche dagegen steht, auch wenn sie selbst nicht mehr ganz gesund ist, weiterhin.
Mittlerweile empfängt sie laut Briefträger Martens täglich bis zu 50 Liebesbriefe. Jeder, der auf der Suche nach einem Partner ist, kann sich hier jederzeit Post mitnehmen. Die einzige Regel lautet: Möchte man einen mitgenommenen Brief nicht beantworten, muss man ihn der Eiche zurückbringen — damit jemand anderes die Chance hat, sich dank Deutschlands berühmtestem Baum zu verlieben.