5. September 2016, 17:31 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Das Dorf Centuripe in Sizilien bietet Anlass für allerlei Spekulationen, denn von oben betrachtet hat es eine Form, die man so sonst noch nirgends gesehen hat. Was steckt dahinter? TRAVELBOOK ging auf Spurensuche.
Centuripe ist eines von vielen Dutzend alten Dörfern im Inselinneren von Sizilien. Es hat eine Kirche, ein paar Ruinen aus der Römerzeit und ein Archäologisches Museum; seine Einwohner leben hauptsächlich von der Landwirtschaft und von der Produktion von Keramik, die nächstgrößere Stadt liegt 60 Kilometer weit entfernt. So weit, so unspektakulär. Kaum jemand außerhalb Siziliens würde wohl, von Archäologie-Fans vielleicht mal abgesehen, Notiz von der 5500-Einwohner-Gemeinde in der Provinz Enna nehmen. Und doch taucht Centuripe regelmäßig in den Medien auf und sorgt für Diskussionen im Netz.
Genauer gesagt sind es Fotos von Centuripe, die für allerlei Spekulationen sorgen. Stein des Anstoßes ist die ungewöhnliche Form des Dorfes, die sich dem Betrachter vor allem aus der Vogelperspektive offenbart. Die Häuser sind auf mehreren schmalen Bergrücken erbaut, die sich auf mehr als 700 Metern über dem Meeresspiegel sternförmig in die Landschaft erstrecken. Stella marina, Seestern, haben die einen Centuripe deshalb getauft. Andere sehen in der Form eher einen liegenden Menschen mit ausgestreckten Armen. Ein schlafender alter Mann sei es, präzisieren wiederum andere. Mit ein bisschen Fantasie könnte man in Centuripe sogar einen geflügelten Drachen erkennen, oder einen langhalsigen Vogel.
Wie Centuripe zu seiner Form kam
Die ersten Siedler von Centuripe hatten freilich weder einen Seestern, noch Vögel oder Sonstiges im Sinn, als sie sich in der bergigen Region niederließen. Die Ursprünge des Ortes reichen weit in die Vergangenheit. Schon um etwa 2000 v. Chr. sollen Sikaner, eines der uralten Völker Siziliens, hier gelebt haben. Später dann, um 500 v. Chr., kolonisierten die Griechen die Insel und gaben dem Ort den Namen Kentoripa. Nach der Eroberung durch die Römer im 3. Jh. v. Chr. wurde das Bergdorf zu einem florierenden Städtchen und strategisch wichtigen Punkt im Inselinneren Siziliens.
Es folgten Jahrhunderte verschiedener Eroberungen und diverser Schicksalsschläge, bevor der Ort im 13. Jahrhundert ganz zerstört wurde und bis ins 16. Jahrhundert hinein völlig in Vergessenheit geriet. Als im Jahr 1408 ein schweres Erdbeben Sizilien erschütterte und der Ätna ausbrach, flüchteten viele Familien aus der Region um Catania in die Gegend und richteten sich in den Überresten von Kentoripa ein neues Zuhause ein. Erst im Jahr 1548 erfolgte die offizielle Neugründung der Gemeinde unter dem Namen Centorbi, die damals etwa 800 Einwohner zählte.
Den größten Aufschwung und Zuwachs an Einwohnern erfuhr Centuripe Anfang des 20. Jahrhunderts, als man in der Gegend in großem Stil Schwefel abbaute. Um 1920 zählte die Stadt etwa 15.000 Einwohner, so viel wie niemals zuvor. In dieser Zeit war es wohl auch, dass die Bebauung sich nach außen hin ausdehnte, den orografischen Strukturen des Geländes folgend. So jedenfalls ist es auf der offiziellen Gemeinde-Website von Centuripe nachzulesen. Doch schon kurz nach dieser Blütezeit kam der Niedergang, bedingt durch die Schwefel-Krise in Sizilien, das bis dahin der weltweit größte Exporteur des Elementes war. Die Bergleute und ihre Familien zogen fort aus Centuripe, 1926 zählte die Stadt nur noch 5000 Einwohner – etwa so viele wie heute.
Gangi in Sizilien Italiens schönstes Dorf verschenkt seine Häuser
Top-Reiseziel Die besten Reisetipps für Peloponnes
Sehenswertes, Kosten, Anreise … Die besten Tipps für einen Städtetrip nach Plovdiv in Bulgarien
warum sich ein Besuch lohnt
Auch wer während eines Sizilien-Urlaubs nicht die Möglichkeit hat, Centuripes wundersame Form von oben zu bestaunen – ein Besuch der „Seestern-Stadt“ lohnt dennoch. Die zweistöckigen Häuser sind dicht am Abhang gebaut, dazwischen schmale Gassen, und im Rücken des Städtchens erhebt sich majestätisch der Ätna, Europas höchster und aktivster Vulkan. Besonders hübsch anzusehen ist die kleine Kapelle, die hoch über dem Dorf auf einem Hügel thront. Sehenswert sind auch die Pfarrkirche Madre Immacolata Concezione aus dem 17. Jahrhundert und die Reste der Stadtmauer aus dem 17. Jahrhundert.
Und dann sind da noch die vielen Ausgrabungsstätten, die von der Zeit der Römer zeugen: eine Nekropole zum Beispiel, ein Tempel, ein Thermalbad und ein Römisches Haus aus dem 2. Jahrhundert mit Mosaiken.
Auch interessant: 245.000 Euro: Italienisches Dorf wird bei Ebay versteigert
Vasen, Statuen und Terrakotta-Skulpturen aus der Zeit der alten Griechen und Römer, die bei den Ausgrabungen entdeckt wurden, können Besucher im Archäologischen Museum bewundern. Die bedeutendsten Stücke befinden sich allerdings in größeren Museen in verschiedenen italienischen Städten, einige sogar in Paris, London, New York und Berlin.
Wer länger bleiben will, findet in Centuripe immerhin auch ein Hotel mit angeschlossenem Restaurant, das bei Tripadvisor sehr gute Bewertungen erhalten hat. Weitere, gut bewertete Hotels in der Umgebung finden Sie hier.