30. September 2019, 7:41 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Zwei Staatsgrenzen trennen die Gemeinde Büsingen am Hochrhein geographisch von Baden-Württemberg. Der Ort liegt mitten in der Schweiz, gehört aber offiziell zu Deutschland. Wie es sich in einer solchen Sonderlage lebt, hat uns Büsingens Bürgermeister Markus Möll verraten.
„Die deutsche Insel in der Schweiz“, heißt es auf der Homepage und auf dem Ortsschild des Ortes Büsingen am Hochrhein. Die Gemeinde ist die einzige deutsche Enklave in der Schweiz. Das bedeutet, dass Büsingen umzingelt ist von Schweizer Hoheitsgebiet, die Gemeinde selbst aber zu Deutschland, genauer gesagt zu Baden-Württemberg gehört. Der Ort zeichnet sich durch seine einmalige Lage aus und ist nur über die Schweizer Grenze zu erreichen. Von Deutschland aus gesehen handelt es sich um Zollausschlussgebiet. Büsingen ist politisch zwar deutsch, wirtschaftlich aber gilt Schweizer Recht.
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Wie wurde Büsingen zur Enklave?
Die aktuelle Situation von Büsingen lässt sich auf Streitigkeiten im 17. Jahrhundert zurückzuführen, als der Ort zum Konflikt zwischen den vorderösterreichischen Lehnsgebern und den Schaffhauser Lehnsnehmern wurde. Schaffhausen ist eine wenige Kilometer westlich gelegene Stadt in der Schweiz am Hochrhein, die 1728 die Gemeinden aus dem Bezirk Reiat, zurückkaufen konnte – Büsingen wurde von diesem sogenannten Reiather Jurisdikationskauf ausgeschlossen und „zum ewigen Ärgernis“ Schaffhausens sollte es österreichisch bleiben.
Mehrere Versuche, Büsingen an den Kanton Schaffhausen anzuschließen, scheiterten im 18. Jahrhundert. Auch der Vorschlag eines britischen Unterhausabgeordneten nach dem Zweiten Weltkrieg, die Enklave der Schweiz anzugliedern, wurde abgelehnt. 1805 wurde Büsingen im Rahmen des Pressburger Friedens dem Königreich Württemberg zugeschlagen, fünf Jahre später kam es zum Großherzogtum Baden.
Bürger setzten sich aktiv für eine Angliederung ein
Zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg versuchten die Einwohner von Büsingen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Sie wünschten sich die Angliederung an die Schweiz. Doch die Versuche scheiterten.
1955/56 wollten die Schweiz und Deutschland eine neue Lösung verhandeln. Als der Landkreis Konstanz forderte, Büsingen müsse über einen bestimmten Landkorridor über die deutsche Gemeinde Gailingen erschlossen werden, wurde das als Provokation empfunden. Im Jahr 1967 wurde dann der „Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der schweizerischen Eidgenossenschaft über die Einbeziehung der Gemeinde Büsingen am Hochrhein in das schweizerische Zollgebiet vom 19. Juli 1967“ ratifiziert, der Büsingen politisch zu Deutschland und wirtschaftlich zur Schweiz anschloss.
Keinerlei Rivalitäten zwischen Schweizern und Deutschen
Durch die besondere Lage von Büsingen gibt es einiges doppelt: zwei Postleitzahlen, zwei Mobilfunknetze, zwei Währungen (Euro und Franken). Doch die Bewohner haben sich mit dem Ausnahmestatus der Stadt arrangiert. „Die Kontakte zur Schweiz sind dabei in der Regel intensiver als die zu Deutschland“, sagt der Büsinger Bürgermeister Markus Möll zu TRAVELBOOK. Sowohl das tägliche Leben als auch die kommunalpolitische Ebene funktioniert problemfrei, berichtet Möll und fügt hinzu: „Die Zusammenarbeit zwischen Büsingen und den Schweizer Stellen funktioniert reibungslos und ist auf gegenseitige Wertschätzung aufgebaut. Die Zusammenarbeit mit den deutschen Stellen (Land und Bund) ist dagegen sehr holprig“.
Die Vorliebe für die Schweiz zeigt sich auch in der Wahl des Mobilfunknetzes. Da das Schweizer Netz bessere Abdeckung gewährt, entscheiden sich die Büsinger Einwohner meist für eine Schweizer Handykarte. Der FC Büsingen gehört dem Schweizerischen Fussballverband an und bekundet auch keinerlei Interesse, in der deutschen Bundesliga mitzumischen.
Bei Paketen und Post verhält es sich da schon komplizierter. Für Sendungen, die aus Deutschland kommen, gilt, dass sie mit der Deutschen Post versandt werden müssen, da privaten Unternehmen wie UPS oder GLS der Grenzübertritt nicht gestattet ist.
Steuern und Schulferien wie in Deutschland
Lohn und Rente erhalten die Büsinger in Euro, zahlen kann man im Ort aber mit Franken und Euro. Ein kleiner Nachteil kann dadurch entstehen, dass durch die Zugehörigkeit zum Schweizer Wirtschaftsraum die Lebenshaltungskosten so hoch wie in der Schweiz sind. „Allerdings bekommen Büsinger Bürger einen speziell für Büsingen aufgestellten Steuerfreibetrag“, sagt Möll. Die Steuerberechnung wird nach deutschem Steuerrecht durch das Finanzamt Singen in Baden-Württemberg ausgeführt, unabhängig davon, ob die Büsinger vor Ort, in Deutschland oder der Schweiz ihrer Arbeit nachgehen.
Die Schulferien in Büsingen richten sich nach den Terminen in Baden-Württemberg, doch es gibt nur eine Grundschule. Danach können sich Schüler und Eltern für den deutschen oder den Schweizer Schulweg entscheiden. Die meisten Kinder besuchen weiterführende Schulen in der Schweiz. „Das fällige Schulgeld wird in diesem Fall von der Gemeinde übernommen“, erzählt Markus Möll.
Laut den Daten des Ortsentwicklungskonzepts von 2014 ist ein Großteil der 1378 Einwohnern im Rentenalter. Die Gemeinde ist sehr bestrebt, den Ort attraktiver für junge Familien zu gestalten. Dazu gehört der Ausbau des Kindergartens und der Kleinkindbetreuung sowie die Sanierung der Schule und Spielplätze.
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Gesetze und Regelungen sind im Staatsvertrag festgehalten
Da die Schweiz nicht der Europäischen Union angehört, gelten auch einige EU-Gesetze in Büsingen nicht. Dabei handelt es sich um Punkte aus der Landwirtschaft, Tierzucht oder Lebensmittel betreffend, die im Rahmen des Staatsvertrags von 1967 durch Schweizer Gesetze geregelt werden. Darin werden aber auch alltägliche Dinge festgelegt, wie zum Beispiel Polizei und Leichentransporte. Artikel 16 des Vertrags besagt außerdem, dass „im Verkehr zwischen Büsingen und der Schweiz für Deutsche und Schweizerbürger ein Grenzübertrittspapier nicht erforderlich ist“. Die Einreise nach Büsingen hingegen wird kontrolliert.