9. März 2022, 6:05 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Im Januar 1692 ergriff der Wahnsinn die kleine Gemeinde Salem Village im US-Bundesstaat Massachusetts. Was als Kinderstreich begann, artete in der größten Hexenjagd der USA aus, bei der 24 Menschen den Tod fanden. Heute schlägt ausgerechnet ein benachbarter Ort aus dieser düsteren Vergangenheit Profit.
Danvers im US-Bundessaat Massachusetts ist eine beschauliche Kleinstadt mit etwa 27.000 Einwohnern. Und mit einer düsteren Vergangenheit. Denn der Ort hieß nicht immer Danvers, sondern war früher bekannt als Salem Village. Jener Ort, der untrennbar verbunden ist mit einem der dunkelsten Kapitel in der Kolonial-Geschichte der USA. Denn hier nahmen die Hexenprozesse von Salem ihren Anfang.
Es ist der Januar des Jahres 1692, als laut „Encyclopedia Britannica“ mehrere Mädchen in Salem Village plötzlich merkwürdige Anwandlungen zeigen. Sie schreien, sprechen in fremden Zungen, verrenken ihre Körper auf absonderliche Weise. Fast so, als habe eine fremde Macht von ihnen Besitz ergriffen. Die Mädchen berichten auch davon, von etwas gezwickt und gebissen worden zu sein. Bei ihnen handelt es sich um Ann Putnam Jr., Abigail Williams und Betty Parris, die Tochter des Pfarrers von Salem Village, der erst kurze Zeit im Amt ist.
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Die Hexenprozesse von Salem brechen los
Samuel Parris, 1689 mit seinen drei Kindern und zwei Sklaven nach Salem Village gezogen, ist bekannt für seine Strenge. Seine sehr orthodoxen Predigten spalten bereits nach kurzer Zeit die Gemeinde. Parris setzt nun seine Tochter und ihre beiden Freundinnen unter Druck, zu verraten, von welchen dunklen Kräften sie besessen sind – der Beginn der Hexenprozesse von Salem. Denn Betty, Abigail und Ann beschuldigen gleich drei Frauen aus der Gemeinde, sie verhext zu haben.
Bei ihnen handelt es sich um die obdachlose Sarah Good, die bettlägerige Sarah Osborn sowie Parris‘ Sklavin Tituba, die er aus Barbados mitgebracht hat. Letztere gesteht schnell, sich mit dem Satan und seinen Verbündeten eingelassen zu haben. Drei Tage lang erzählt sie ihren Verhörern von ihrem verderblichen Treiben, und belastet dabei auch Sarah Good und Sarah Osborn sowie sieben weitere Personen. Daraufhin bricht in dem kleinen Ort der Wahnsinn los und am 27. Mai 1692 beginnen im benachbarten Ort Salem Town die Hexenprozesse von Salem.
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Wer andere beschuldigt, rettet sein eigenes Leben
Die Verhandlungen sind von Anfang an eine einzige Farce, denn die Angeklagten haben keinen Anwalt und zudem sind übernatürliche Phänomene als „Beweis“ zugelassen. Von denen bekommen Richter und Schaulustige einige zu sehen, denn auch im Gerichtssaal wiederholen Betty Parris, Abigail Williams und Ann Putnam Jr. ihr absonderliches Verhalten. Sie schreien und schütteln sich, werfen sich unter wildesten Verrenkungen auf den Boden. Wer jetzt noch Zweifel an Hexerei hat, schweigt aus Angst.
Schnell etabliert sich eine besonders perfide Praxis während der Hexenprozesse von Salem. Wer sich der Hexerei schuldig bekennt und andere belastet, rettet damit sein Leben. Wer trotzdem auf seiner Unschuld beharrt, riskiert, auf dem Gallows Hill zu landen, dem Galgenhügel. Als erste erleidet am 2. Juni die ortsansässige Bridget Bishop dieses Schicksal. Am 19.Juni hängt man gleich fünf Personen, fünf weitere am 19. August. Am 22. September sterben acht Menschen am Galgen.
Panik greift um sich
Während der Hexenprozesse von Salem breitet sich der Verfolgungswahn auf zahlreiche andere nahe Gemeinden aus, darunter Beverly, Malden, Gloucester, Andover, Lynn, Marblehead, Charlestown und sogar Boston. Niemand ist mehr vor Anschuldigungen sicher, sogar die Frau des Gouverneurs von Massachusetts wird der Hexerei bezichtigt. Der damalige Präsident von Harvard, Increase Mather, ein einflussreicher Mann, ist einer der Wenigen, der sich gegen den Wahnsinn stellt.
Ihm wird laut der Seite „History“ folgender Satz zugeschrieben: „Es wäre besser, zehn der Hexerei verdächtigte Hexen würden entkommen, als dass eine unschuldige Person verurteilt wird.“ Mather’s Einsatz ist es zu verdanken, dass übernatürliche Phänomene schließlich als Beweise für unzulässig erklärt werden. Doch zu diesem Zeitpunkt ist es für 19 Menschen bereits zu spät, fünf weitere sterben wegen der elenden Bedingungen in Gefangenschaft.
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Das Ende des Hexenwahns
Als die allgemeine Panik im Laufe der folgenden Monate langsam abebbt, enden die Hexenprozesse von Salem. Im Mai 1693 begnadigt Gouverneur Phips sämtliche sich noch in Haft befindlichen Personen, die vormals der Hexerei beschuldigt waren. Im Januar 1697 erlässt das Gericht von Massachusetts zum Gedenken an die Tragödie einen Fastentag, einige der Angehörigen werden später finanziell entschädigt. Der Schaden, den der Wahn in der Gemeinde angerichtet hat, ist aber nicht mehr gutzumachen.
1953 gelangen die Hexenprozesse von Salem dann noch einmal zu trauriger Berühmtheit, als der Schriftsteller Arthur Miller sein Werk „The Crucible“ (zu Deutsch Hexenjagd) veröffentlicht. Jeder versteht, dass die historisch belegte Hexenjagd in Salem nur Millers Allegorie auf die Zustände unter Senator Joseph McCarthy ist. In den Nachwehen des Zweiten Weltkrieges herrscht zur damaligen Zeit in den USA ein Klima, in dem sich jeder unter auch noch dem nichtigsten Anlass verdächtig machen kann, Kommunist zu sein.
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War ein Pilz an allem schuld?
Im Übrigen wurde oft versucht zu erklären, wie es zu den Hexenprozessen von Salem kommen konnte. „History“ und „Encyclopedia Britannica“ berichten unabhängig voneinander, die Symptome der drei Mädchen, die die Prozesse auslösten, könnten tatsächlich „echt“ gewesen sein. Ausgelöst wurden sie aber nicht durch Hexerei, sondern wahrscheinlich durch den Pilz Mutterkorn, aus dem auch LSD gewonnen wird. Es war zur damaligen Zeit nicht selten, dass sich Getreide damit infizierte, das die Menschen dann aßen.
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Skurril ist auch, dass es zum Zeitpunkt der Hexenprozesse gleich zwei benachbarte Orte mit dem Namen Salem gab, nämlich Salem Town und Salem Village. Während sich letzterer Ort schließlich in Danvers umbenannte, heißt Salem Town heute einfach nur Salem. Und dieser schmückt sich, da die Gerichtsverhandlungen gegen die Hexen dort statt fanden, heute mit seiner düsteren Vergangenheit. Wer im Netz sucht, findet zahlreiche Angebote für Hexen-Touren: Der Ort ist aufgrund seiner Vergangenheit eine Touristenattraktion. Auch gibt es in der Stadt ein Hexenmuseum.
Und so dunkel dieses Kapitel der amerikanischen Geschichte auch ist, im mittelalterlichen Europa wütete der Hexenwahn noch weitaus schlimmer. Über Jahrhunderte kam es hier zu Verfolgungen, bei denen laut „Encyclopedia Britannica“ bis zu 60.000 Menschen starben. Eines der Epizentren der deutschen Hexenverfolgung war damals die schöne Stadt Bamberg, die heute, genau wie Salem, ein absoluter Touristenmagnet ist. Mit Grusel und Gänsehaut lässt sich eben gutes Geld machen. Egal, wo auf der Welt.