20. Dezember 2013, 14:11 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Als Hardy Krüger Anfang der 1960er in Tansania mit John Wayne den Film „Hatari” drehte, wollte er danach gar nicht mehr weg – oder zumindest einen guten Grund haben, um immer wieder zu kommen. Also machte er aus dem Drehort ein Buschhotel und führte es 13 Jahre lang. Heute ist an diesem Ort neues Leben eingekehrt.
Momella zu Fuße des gewaltigen Mount Meru ist ein Stück Afrika, wie man es sich schöner kaum vorstellen kann. Zwischen sanften Hügeln liegen weite Seen. Schwärme von Flamingos sorgen für rosarote Aussichten. Schirmakazien breiten ihre Äste, Armen gleich, weit gen Himmel aus, als würden sie ihn preisen. Die Natur bringt hier, vor der Kulisse des Kilimandscharo, so manches kleine Wunder hervor. Aber auch: große Träume.
Margarete Trappe war die erste Deutsche, die hier auf Momella einen Traum eingefangen hatte. 1907 war es, als sie – gerade 23 und frisch vermählt – mit ihrem Mann aus Schlesien gekommen war. Das heutige Tansania gehörte damals zu Deutsch-Ostafrika, und die Landvergabe erfolgte nach dem Selbstbedienungsprinzip. Margarete Trappe baute in Momella ihre Farm auf, übte sich im Gebrauch von Schusswaffen – sodass ihr auf der Jagd bald niemand etwas vormachen konnte – und wurde noch zu Lebzeiten zu einer Legende.
Als sie 1957 gestorben war, wurde Momella erneut von Weißen entdeckt. Paramount Pictures plante einen Abenteuerfilm mit John Wayne und Hardy Krüger – und Rolf Trappe, Sohn Margaretes und ebenfalls Profijäger, verpachtete den Leuten aus Hollywood ein Farmhaus mit einem Stück Land. Hier wurde „Hatari!“ gedreht, ein romantischer Abenteuerfilm um eine Gruppe starker Kerle, deren Job es ist, für die Zoos und Zirkusse dieser Welt wilde Tiere einzufangen: Zebras, Büffel, Giraffen, ein Nashorn. Da die wilden Tiere von den Schauspielern und Statisten tatsächlich selbst gefangen werden mussten – zumeist auf rasanten Jeeptouren mit einem Lasso schwingenden John Wayne auf der Kühlerhaube – gestaltete sich der Dreh in der Tat sehr abenteuerlich und zeitaufwendig.
Wie es zu Krügers Afrika-Lodge kam
Mehrere Monate war die Crew vor Ort. Zeit genug für den damals 32-jährigen Hardy Krüger, um sich einen klapprigen Landrover zu kaufen, den er „August” taufte, um das Land zu erkunden, das ihn immer mehr in seinen Bann zog. „Glücklich, wer hier leben kann. Leben. Im ursprünglichen Sinne des Wortes”, sollte er später notieren. Hatte der Schauspieler bisher immer von einem Bauernhof in Deutschland geträumt, so könnte es doch eigentlich auch, so überlegte er immer lauter, genauso gut eine Farm in Afrika sein. Oder vielleicht ein Hotel? Der Vorschlag kam vom frisch gewählten Premierminister Nyerere persönlich, der eines Tages das Set besucht hatte und mit Krüger ins Gespräch kam. Das Land brauche Devisen, sagte Nyerere: „Sie sind bekannt. Sie haben Beziehungen. Sie können Touristen ins Land bringen.” Einen Partner für sein Buschhotel fand Krüger in dem Briten James P. Mallory, der, so beschrieb ihn Krüger in seinem Buch „Meine Farm in Afrika”, aussah wie „eine Kreuzung zwischen einem Mähnenlöwen und Margaret Rutherford”.
Die beiden bauten acht weiße Rundhütten mit Dächern aus Bananenblättern um das von dem Filmteam verlassene Farmhaus und später sogar einen Swimmingpool. Die Lodge entwickelte sich prächtig. Und damit auch der frisch entstandene Safari-Tourismus im Norden Tansanias. Bald war der Andrang größer als der Platz in der Herberge. Angebaut war schnell. Doch je mehr Leute kamen, desto schwieriger wurde ihre Versorgung. Also baute Hardy Krüger dann doch seine Farm. Keine gewöhnliche Farm, sondern eine kleine Fabrik wurde es, und die Regierung von Tansania befand, dass sie gemeinsam mit der staatlichen Fleischwarenfabrik sogar den Eigenbedarf des gesamten Landes decken könnte. Auch mit der Lodge hatte Krüger, der mit dem 1971 eröffneten internationalen Flughafen am Kilimandscharo mit Massen von Touristen rechnete und schon den nächsten Anbau plante, Großes vor.
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Der Traum von der Krüger-Lodge platzte
Doch dann durchkreuzte die große Politik sämtliche Pläne. Das Verhältnis zwischen dem sozialistischen Tansania und seinem kapitalistischen Nachbarn Kenia verschlechterte sich. Die Grenzen wurden dichtgemacht. Veranstalter nahmen Tansania aus dem Programm. Und für die Momella Game Lodge brachen harte Zeiten an. Eine Weile hielt es Hardy Krüger noch aus. Dann gab er auf.
Zurück ließ er unklare Besitzverhältnisse sowie diverse Gebäude, die, wie im Fall der Fleischfabrik, zu Ruinen verkamen. Und wie so oft bei geplatzten Träumen kamen auch Drogen ins Spiel: Die Händler legten ihre Routen über Momella. Touristen hingegen eher nicht. Sie fuhren lieber nach Kenia, wenn sie wilde Tiere sehen wollten. Und der Tourismus in Tansanias Nachbarland boomte.
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Heute ist von der Krüger-Lodge nicht mehr viel übrig
In Momella war es gut 100 Jahre nach Trappe und 50 Jahre nach Hardy Krüger wohl wieder Zeit für einen neuen Traum. Marlies und Jörg Gabriel, auch sie auf der Suche nach einem besonderen Ort für eine eigene Existenz, kamen nach Momella und entdeckten die Häuser, die sich Mallory und Krüger ein paar hundert Meter hinter ihrer Lodge auf einem kleinen Hang erbauten. Der Deutsche und die Namibiadeutsche pachteten die Gebäude und bauten sie um zu einer exklusiven Herberge mit neun geräumigen Zimmern, alle im stilsicheren Sixties-Design à la „Hatari!“, alle mit eigenem Kamin. Gefrühstückt wird auf der Terrasse mit Blick auf das weite Land und die Giraffen, die so nah herankommen, dass man sie fast greifen könnte. Kein Wunder, dass die Hatari-Lodge der Gabriels 2013 von Tripadvisor zur besten ihrer Größe in Tansania gekürt wurde.
Das frühere Hotel von Hardy Krüger indes bietet einen traurigen Anblick. Die Rezeption der Momella Lodge ist verwaist, der Angestellte, den man schließlich findet, einsilbig. Ob man wenigstens gucken könne? Den berühmten Kamin sehen, an dem John Wayne in „Hatari!” den Whiskey im Glas schwenkte. Die Terrasse, auf der die reizende Elsa Martinelli einem verlegenen Red Buttons erzählte, wie man das Herz einer Frau erobert – und wo die schließlich nicht nur einen Platz, sondern auch kühle Getränke angeboten bekommt.
Und dann, fast unbemerkt, zeigt sich plötzlich der Kilimandscharo am Horizont, der sich sonst so oft hinter Wolken versteckt. Was für ein Anblick, denkt man, was für ein Ort. Einfach: ein Traum.