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Besteigung im Winter ohne Sauerstoff

Deutscher will irren Weltrekord am Mount Everest aufstellen

Rekord am Mount Everest
Jost Kobusch auf dem Gipfel des Nangpai Gosum II. Der 7296 Meter hohe Gipfel im Himalaya-Gebiet zählte bislang zu den höchsten unbestiegenen Bergen der Erde. Jetzt will der Deutsche einen neuen Rekord am Mount Everest aufstellen. Foto: dpa picture alliance
Sonja Koller Freie Autorin

18. Februar 2022, 6:12 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Den Mount Everest zu besteigen, ist selbst für Profis eine Herausforderung. Dem Deutschen Jost Kobusch aber ist eine gängige Besteigung des höchsten Bergs der Welt nicht genug. Er will einen Rekord aufstellen und den Mount Everest als erster Mensch allein im Winter ohne zusätzlichen Sauerstoff und auf einer selten genutzten Strecke erklimmen.

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Im Basislager des Mount Everest wimmelt es normalerweise nur so vor buntem Stoff. Bis zu 1000 Menschen übernachteten 2021 in der Hochsaison in Zelten, die sich über eine Strecke von bis zu zwei Kilometer erstreckten. Momentan ist nur eine Person da. Hin und wieder stapfen zwar Tagestouristen durch den Schnee auf das Lager zu, von dem Expeditionen auf den Mount Everest starten, im Base Camp aber steht nur ein Zelt. Es ist das von Jost Kobusch. Einem Deutschen, der auf dem Mount Everest einen ziemlich verrückten Rekord brechen will. Er will den höchsten Berg der Welt im Winter besteigen, und das alleine und ohne zusätzlichen Sauerstoff. Dafür will er eine Strecke nutzen, die sonst eher unbeliebt ist.

„Für mich war es die Frage, wo ich auf dieser Welt noch unberührte Wildnis, echtes Abenteuer und diesen Aufbruch ins Unbekannte finden kann. Gleichzeitig habe ich mich auch als Athlet gefragt, was das schwierigste ist, was ich mir überhaupt vorstellen könnte.“ erzählt Kobusch im TRAVELBOOK-Interview. Das war eine Besteigung des Everest, wie man sie noch nie gesehen hat.

Klettern in der AG gelernt

Eigentlich wächst Kobusch nicht in einer Umgebung auf, in der viele kleine Jungs davon träumen, Alpinist zu werden. Er kommt aus Borgholzhausen, was in der Nähe von Bielefeld liegt. In der Schule tritt er der Kletter AG bei, mit 16 geht er schließlich zum ersten Mal Outdoor Klettern. Auf seiner Website gibt er seine Gefühle damals so wieder: Indoor Klettern ist masturbieren, aber das hier war purer Sex.

Den ersten Berg erklimmt er drei Jahre später. Es ist der 5199 Meter hohe Mount Kenia. Schon im nächsten Jahr folgt der Mount Blanc, den er Ende November besteigt. Einer unüblichen und besonders herausfordernden Zeit im Jahr, um den höchsten Berg der Alpen zu besteigen. 2017 erklimmt Kobusch dann den Nangpai Gossum, der als der vierthöchste unbestiegene Berg der Welt galt. Und das ganz allein. Das Solo-Bergsteigen ist sein Ding, jetzt will er auch auf den Gipfel des Everest – allein.

Der Everest hat seine ganz eigenen Herausforderungen

Seit Anfang November ist Kobusch im Himalaya, um sich zu akklimatisieren. So soll der Rekord auf dem Mount Everest auch ohne zusätzlicher Sauerstoffzufuhr funktionieren. Begonnen hat er sein Training in Nepal damit, einen unbestiegenen 6000er zu erklimmen. Den Purbung. Es gab keine Normalroute, keine Informationen, erzählt er im Interview. Auch wenn er den Rekord am Everest in diesem Jahr also nicht aufstellen sollte, wird sein Name in die Geschichtsbücher eingehen.

Kobusch will keine Zeit verlieren. Nach der Akklimatisierung beginnt er am 22. Dezember, am Tag des astronomischen Winterbeginns, seine Expedition auf dem Mount Everest. Ihn im Winter zu besteigen, ist nicht nur deshalb besonders schwierig, weil der Berg immerhin der höchste der Welt ist. Kobusch erklärt: Der Everest hat seine ganz eigenen Herausforderungen. Im Winter zum Beispiel empfindet man die Höhe so, als befände man sich auf über 9000 Metern. Denn durch die kalte Luft sinkt der Luftdruck noch weiter ab. Das sind spannende Extreme. Gerade, wenn ich herausfinden möchte, wozu ich als Athlet in der Lage bin.

Zweiter Versuch für den Rekord am Mount Everest

Insgesamt haben es bisher nur 15 Personen geschafft, den Gipfel des Everest im meteorologischen Winter zu erreichen. Ein einziger unter ihnen bestieg den Berg 1987 allein und ohne zusätzlichen Sauerstoff, wie die New York Times schreibt. Alle 15 Gipfelstürmer entschieden sich für ein- und dieselbe Route. Kobusch aber will den Gipfel über den Westgrat erklimmen. Eine Route, die nur zwei Prozent der Bergsteiger am Everest nutzen. Nur wenige Menschen haben das Eis, den Schnee und die steilen Wände dieser Route je persönlich gesehen. Kobusch gehört schon jetzt dazu.

Denn um den Jahreswechsel 2019/2020 unternahm er bereits einen ersten Versuch, den Mount Everest über den Westgrad im Winter allein zu besteigen. Damals wurde die Route seit Jahrzehnten nicht genutzt, wie er im Interview erzählt. „Die Informationen, die ich hatte, waren veraltet. Denn: Der Berg ist ja nicht statisch, sondern dynamisch, verändert sich. Dementsprechend sind die Routenzeichnungen von vor 30 Jahren nicht wirklich brauchbar.“ Schließlich verletzt sich Kobusch bei dem Versuch und muss umdrehen.

Rekord am Mount Everest
Bis zum 1. März hat Kobusch noch Zeit, den Rekord am Mount Everest zu brechen. Dann beginnt der meteorologische Frühling. Foto: dpa picture alliance

Besser von Kritikern gehasst werden, als am Berg sterben

Diesmal aber sah es zu Beginn vielversprechend für den Rekordversuch aus. Denn die Strecke, für die er im letzten Jahr Monate gebraucht habe, hätte er jetzt innerhalb von Tagen geschafft, wie er erzählt. Doch dann kam der Jetstream. Die Rede ist von einem Starkwind, der Anfang 2022 mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 250 Kilometer pro Stunde auf den Mount Everest getroffen ist. Obwohl etwas abgeflacht, macht er Kobusch immer noch Sorgen. Denn auch bei einer Windgeschwindigkeit von 200 km/h ist nicht an einen Aufstieg zu denken.

Eines Nachts, so erzählt Kobusch, lag er im Camp zwei, dass sich höher am Everest als das Basislager befindet, in dem Kobusch jetzt schläft, und wird unsanft aus dem Schlaf gerissen. Der Wind ist so stark, dass es sein Zelt komplett zerfetzt. Morgens muss er in den Überresten eingewickelt absteigen. „Der Wind ist eine große Herausforderung. Wenn er nicht nachlässt, wird da nicht mehr viel gehen. Besser von Kritikern gehasst werden, als am Berg sterben. Ich kann ja einfach wiederkommen, und das Ganze noch mal versuchen. Es ist ein Langzeitprojekt.“

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Der Winter neigt sich dem Ende zu

Jetzt heißt es: abwarten. Jeden Tag checkt Kobusch den Wetterbericht und schaut genau, wie sich der Jetstream verhält. Er sieht eine Chance, dass dieser nach Süden abzieht und Ende Februar ein Fenster öffnet, dass er nutzen könnte, um den Aufstieg zu wagen. Doch Kobusch bleibt nicht mehr viel Zeit: „Wenn er nicht bald abzieht, gibt es mit dem aktuellen Zeitplan keine Gipfelchance. Dann bleibt nur die Chance, möglichst weit aufzusteigen, möglichst viel mitzunehmen und zu lernen.“

Beim nächsten Mal will Kobusch seine Strategie ändern und „viel früher viel mehr Gas geben und top akklimatisiert sein, um vor dem möglichen Eintreffen des Jetstreams schon viel zu machen.“ In den nächsten Wintern dürfte die Chance auf Erfolg höher sein. Denn seit 2006 seien die orkanartigen Winde am Everest nicht mehr so stark gewesen, wie in diesem Winter.

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