29. Januar 2023, 15:07 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Einst war Centralia im US-Staat Pennsylvania ein florierendes Bergbaustädtchen. Bis vor 61 Jahren unter Tage ein Feuer ausbrach, das sich unter dem gesamten Stadtgebiet ausbreitete. Das Feuer brennt bis heute und hat fast alle Einwohner aus Centralia vertrieben. Nur fünfzehn durften bleiben.
Graffiti neben Graffiti zieht sich über die Straße und lässt den zerbrochenen Asphalt von Centralia in bunten Farben erstrahlen. Neben dem Highway tummeln sich Bäume, Stück für Stück holt sich die Natur hier zurück, was ihr vor Jahren genommen wurde. Vereinzelt kommt Rauch aus dem Boden.
Kohlebrand seit 61 Jahren
1962 brach im Kohlegebiet unterhalb der nahegelegenen Stadt Centralia ein Feuer aus. Die Freiwillige Feuerwehr wollte eine illegal errichtete Müllhalde verbrennen. Als diese beseitigt war, löschten sie die Glut mit Wasser – oder dachten das zumindest. Die Asche glühte weiter und fraß sich nach unten durch verlassene Kohleflöze. Dadurch entfachte ein kilometerweiter Brand. Das Feuer konnte nicht gestoppt werden. Das ist die offizielle Geschichte. Warum der Brand wirklich ausgelöst wurde, ist bis heute nicht abschließend geklärt. Zahlreiche Theorien existieren, von verschwörerischer Brandstiftung bis hin zum bloßen Zufall.
Für die damals rund 2000 Bewohner der Stadt Centralia bedeutete der schwelende Brand schließlich den Umzug, weil ihre Stadt nicht mehr sicher war. Durch die Hitze riss der Straßen-Asphalt auf, Krater bildeten sich im Erdboden und verschluckten einmal sogar fast einen Jungen. Weitaus gefährlicher als Erdspalten, aus denen Hitze und Rauch aufstiegen, war jedoch ein sich unsichtbar ausbreitendes Gift: Kohlenmonoxid. Einige Bewohner von Centralia sollen sich damals Wellensittiche als lebendes Frühwarnsystem angeschafft haben: Fiel der Vogel tot von der Käfigstange, war es an der Zeit zu fliehen.
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Centralia hat noch wenige Bewohner
Sieben Jahre nach Ausbruch des Kohlebrandes verließen die ersten Einwohner ihre Häuser und zogen weg aus Centralia. Das Feuer brannte gnadenlos weiter und breitete sich unter der Erde immer weiter aus. Ende der 1970er-Jahre musste die örtliche Tankstelle schließen, weil Explosionsgefahr bestand.
Nur noch fünf Häuser halten die Stellung in Centralia (Stand: 2020). Anfang der 1980er-Jahre empfahl die US-Regierung, Centralia vollständig zu evakuieren. Ein erneuter Versuch, das Feuer zu löschen, hätte Hunderte Millionen Dollar gekostet. Stattdessen stellte der Staat 42 Millionen Dollar für eine Umsiedlung der Bewohner bereit. Die meisten akzeptierten – doch einige Alteingesessene weigerten sich zu gehen. Es folgte ein erbitterter Rechtsstreit, der mehr als 20 Jahre andauerte. Erst Anfang 2013 kam es zu einer Einigung, die es den bis dahin verbliebenen acht Einwohnern laut einem Bericht von „Associated Press“ erlaubte, bis zu ihrem Lebensende in Centralia zu bleiben. Zudem wurde ihnen eine Entschädigung von je 349.500 Dollar (260.000 Euro) zugesprochen.
Das Feuer brennt bis heute. Knapp hundert Meter unter der Erde und auf einer Fläche von rund 15 Quadratkilometern. Es wird damit gerechnet, dass es noch bis zu 250 Jahre weiterbrennen kann. In der Stadt leben derzeit 15 Einwohner, was einen Wachstum von 25 Prozent seit der letzten Erfassung im Jahr 2020 bedeutet, denn damals waren es nur 12 Anwohner.
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Graffiti Highway wird zur Touristenattraktion
Bis auf ihre wenigen übergebliebenen Bewohner ist Centralia heute eine Geisterstadt. Das Stück Highway 61, das früher Autos in die Stadt brachte, liegt heute so verlassen da, wie die Stadt selbst. Nach und nach hatte das Feuer die Route 61 von unten zerstört. Zweimal wurde der betroffene Abschnitt des Highways repariert, im Jahr 1994 dann endgültig geschlossen. Stattdessen wurde eine Straße weiter südöstlich ausgebaut, die seit der Schließung als Ersatzstrecke dient. Der verlassene Highway mit seinen kraterähnlichen Rissen und Löchern zählt heute zu den gefährlichen Straßen des Landes.
Grund genug für Touristen herzukommen und sich an der gruseligen Kulisse zu erfreuen. Zahlreiche Besucher hinterließen hier ihre Spuren in Form bunter Graffiti, so dass die verfallene Straße mittlerweile als „Graffiti Highway“ bekannt geworden ist. Zur Berühmtheit von Highway und Geisterstadt hat vor allem das Interesse der Filmindustrie beigetragen. Centralia diente als Vorlage für den Horrorfilm „Silent Hill“ (2006). Seit seiner Veröffentlichung strömen die Gruseltouristen an den Ort. Centralia selbst wirkt gespenstisch, von vielen Häusern stehen nur noch die Treppen und Mauerreste. Eine gruselige Atmosphäre.
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Spukt es in Centralia?
Die Geisterstadt mit ihrem verfallenen Highway, Überbleibseln lange verlassener Häuser und der noch immer dort lebenden Menschen ist definitiv der perfekte Ort für Spukgeschichten. Auch das dauerhaft brennende Feuer lässt viel Raum für Spekulation – und verwandelt die Landschaft mit seinem gelegentlich hoch strömendem Rauch in eine mystische Kulisse. Mindestens genauso gruselig ist aber dieser Umstand: Es gibt drei Friedhöfe in der Stadt – und auf denen wurden mehr Menschen begraben als hier jemals lebten. Zumindest behauptet das die Seite Centraliapa.org.