13. Februar 2023, 13:46 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Die kleine schottische Insel Gruinard wurde während des Zweiten Weltkrieges zum Schauplatz des Schreckens, denn hier wurden biologische Kampfstoffe getestet. Für Jahrzehnte durfte sie niemand mehr betreten – und manche Experten glauben, dass von der Insel auch heute noch Gefahr ausgeht.
Vor der Küste Nord-Schottlands liegt, zwischen den Orten Ullapool und Gairloch, ganz nah am Festland, die kleine Insel Gruinard. Gefährlich nah, wie manch einer noch heute meint. Vom Ufer bis nach Gruinard bräuchte man mit einem Ruderboot nur etwa 10 Minuten. Trotzdem will fast niemand die Insel freiwillig betreten. Denn Gruinard mit seinen grünen Hügeln und schroffen Steinfelsen war einst Schauplatz eines dunklen Kapitels der Geschichte.
Zwar wurden auf Gruinard niemals bewaffnete Kämpfe ausgetragen, aber Wissenschaftler arbeiteten hier an einer perfiden, effektiven Tötungsmaschine: dem Milzbrandbakterium, auch bekannt als Anthrax. Wie die „BBC“ berichtet, wurde Anthrax hier an Schafen getestet, um es im Ernstfall als Biowaffe gegen Nazideutschland einzusetzen. Der Erreger ist einer der gefährlichsten überhaupt. Nach einer Ansteckung, vor allem über die Atemwege, endet der Krankheitsverlauf fast immer mit dem Tod – einem qualvollen Tod, um genau zu sein.
Jahrzehntelanges Sperrgebiet
Da man den Bio-Kampfstoff trotzdem testen wollte, warf man 1942 Bomben mit den Anthrax-Sporen über Schafen ab, die anschließend innerhalb von drei Tagen starben. Der „Telegraph“ schreibt, es könnte sich dabei sogar um die weltweit ersten biologischen Bomben gehandelt haben. Die Arbeiten wurden in einem Film dokumentiert, der bis 1997 unter Verschluss gehalten wurde. Gruinard wurde anschließend zum Sperrgebiet erklärt, bis 1990 war die Insel für die „Öffentlichkeit“ nicht zugänglich. Dennoch erreichten die Bakterien das Festland, als nämlich eines der eilig auf der Insel verscharrten Schafe während eines Sturms weggespült wurde und anschließend an die Küste gelangte. Eine Einheimische sagte dem „Telegraph“, daraufhin seien zahlreiche Tiere ihres Vaters gestorben, Wissenschaftler seien gekommen und hätten diverse Tests durchgeführt.
Anlass genug, 1986 mit vier Jahre andauernden Aufräumarbeiten zu beginnen: Insgesamt 280 Tonnen Formaldehyd, gelöst in 2000 Tonnen Meerwasser, wurden in den Boden gepumpt, um die Anthrax-Sporen abzutöten, die Insel wurde schließlich am 24. April von einem damaligen Regierungsmitglied wieder als betretbar „eingeweiht“. Als Beweis, dass nun keine Gefahr mehr drohe, siedelte man auf Gruinard anschließend wieder Schafe an – dieses Mal aber nur, um sie friedlich grasen zu lassen.
Noch immer Anthrax vorhanden?
Brian Moffat, archäologischer Leiter einer Ausgrabung in Soutra bei Edinburgh, sieht damit leider auch heute die Gefahr trotzdem noch nicht vollständig gebannt: Sein Team fand bei seinen Untersuchungen jahrhundertealte Anthrax-Sporen, die überdauert hatten. Das Milzbrand-Bakterium übersteht auch extreme Temperaturen und manchmal gar die Behandlung mit Chemikalien. Moffat sagte daher der „BBC“: „Ich würde nicht auf Gruinard herumlaufen. Wenn das Anthrax in Soutra noch aktiv war, warum dann nicht auch an anderen Orten? Es ist ein sehr beständiges Bakterium – und ein sehr tödliches.“
Heutzutage ist die Insel Anziehungspunkt für sogenannte „Dark Tourists“, also Reisende, die gezielt gruselige und verstörende Orte aufzusuchen, welche Schauplatz dramatischer oder düsterer Ereignisse waren.