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Tödliche Gefahr

Warum der afrikanische Kiwu-See eine riesige Naturkatastrophe verursachen könnte

Der Kiwu-See ist wahrscheinlich das gefährlichste Gewässer der Welt. Unter seiner Oberfläche lagern unvorstellbare Mengen potentiell tödlicher Gase.
Der Kiwu-See ist wahrscheinlich das gefährlichste Gewässer der Welt. Unter seiner Oberfläche lagern unvorstellbare Mengen potentiell tödlicher Gase. Foto: Getty Images
Robin Hartmann Autorenkopf
Freier Autor

26. Oktober 2024, 14:54 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Der Kiwu-See an der Grenze zwischen Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo ist wahrscheinlich das gefährlichste Gewässer auf der ganzen Welt. Denn unter seiner Wasseroberfläche lagern unvorstellbare Mengen an Kohlendioxid und Methan. Gelangten diese in einem Ausbruch an die Oberfläche, würde dies laut einigen Wissenschaftlern die potentiell größte Naturkatastrophe aller Zeiten auslösen. Und ausgerechnet der Mensch könnte aktuell noch dazu beitragen, dieses Risiko zu vergrößern.

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An der Grenze zwischen den afrikanischen Ländern Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo schlummert in hunderten Metern Tiefe eine tickende Zeitbombe. Genauer gesagt unter der Wasseroberfläche des Kiwu-Sees, denn dort lagern unvorstellbare Mengen an Kohlendioxid und Methan. Wenn wahr wird, was einige Wissenschaftler schon seit längerem befürchten, könnte das Gewässer so eines Tages verantwortlich sein für die größte Naturkatastrophe der Menschheitsgeschichte. Denn würden diese Gase sich massenhaft lösen und an die Oberfläche gelangen, käme es zu einer sogenannten limnischen Eruption. Und diese könnte Millionen Menschen, die rund um den See leben, innerhalb von Minuten töten.

Der Begriff „limnische Eruption“ bezeichnet den spontanen und massenhaften Austritt von potentiell tödlichen Gasen wie eben Kohlendioxid und Methan aus einem Gewässer an die Oberfläche. Und von diesen sind im Kiwu-See geradezu gigantische Mengen vorhanden. Wissenschaftler sprechen laut der Fachzeitschrift „Nature“ von 300 Kubikkilometern Kohlendioxid und 60 Kubikkilometern Methan. Die umgerechnet 2,6 Gigatonnen an Kohlendioxid, die in dem See gebunden sind, entsprächen fünf Prozent der jährlichen weltweiten Treibhaus-Emissionen. Eine Freisetzung dieser Gase würde unzählige Menschenleben fordern, die Opfer in kürzester Zeit qualvoll ersticken. Und ausgerechnet der Mensch selbst könnte dazu beitragen, dass diese Naturkatastrophe eines Tages Realität wird.

Potentiell tödlich – und sehr viel Geld wert

Schon heute wird das Methan aus dem Kiwu-See von Menschenhand gefördert. Die möglichen Gefahren dadurch sind kaum absehbar.
Schon heute wird das Methan aus dem Kiwu-See von Menschenhand gefördert. Die möglichen Gefahren dadurch sind kaum absehbar. Foto: AFP via Getty Images

Wissenschaftler befürchten, dass die Mega-Explosion im Kiwu-See durch ein Erdbeben oder auch einen Vulkanausbruch ausgelöst werden könnte. Ganz in der Nähe des Gewässers finden sich gleich zwei aktive Feuerkrater. Doch auch menschliche Gier könnte irgendwann dazu führen. Denn das im See lagernde Methan ist nicht nur potentiell tödlich, sondern auch, wenn kontrolliert gefördert, sehr viel Geld wert. Schätzungen zufolge könnte aus dem potentiell gefährlichsten Gewässer der Welt innerhalb der nächsten 50 Jahre Methan im Wert von 42 Milliarden Dollar gewonnen werden. Schon heute benutzt man das Gas aus dem See, um die Energieversorgung der Region zu stabilisieren. Und in den kommenden Jahren soll sich die Fördermenge verfünffachen.

Einige Wissenschaftler warnen aber längst vor den möglicherweise tödlichen Folgen. Denn die Gewinnung des Methans könnte das Gleichgewicht des Kiwu-Sees destabilisieren, was schlimmstenfalls die bereits erwähnten Konsequenzen zur Folge hätte. Dabei gibt es längst warnende Beispiele, wie eine solche Naturkatastrophe aussehen könnte. Denn bereits im August 1986 kam es im Nyos-See in Kamerun zu einer solchen limnischen Eruption, die 1700 Menschen und 3500 Tiere das Leben kostete. Ein Kubikkilometer Kohlendioxid wurde damals freigesetzt, die Opfer der Katastrophe erstickten innerhalb kürzester Zeit. Auch der Albano-See in Italien ist ein Gewässer, in dem es potentiell zu einem solchen Ausbruch kommen könnte.

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Wie ein Korken

Der Kiwu-See hat jedoch einen natürlichen Vorteil, der das Risiko einer solchen Naturkatstrophe zumindest schmälert. Und zwar seine große Tiefe von maximal 480 Metern. Denn das Kohlendioxid und das Methan lagern auf seinem Boden im Sediment, gebunden quasi durch den hohen Druck der darüber befindlichen Wasserschichten, die wie eine Art Korken auf einen Flaschenhals wirken. Wissenschaftler warnen jedoch, dass Ereignisse wie Erdbeben, Erdrutsche, Vulkanausbrüche oder auch das Absinken des Wasserspiegels infolge von Dürre dieses fragile Gleichgewicht jederzeit mit tödlichen Folgen zerstören könnten. Untersuchungen der Sedimente in dem See legen nahe, dass der Kiwu-See schon einmal vor 4000 Jahren auf diese Art „ausgebrochen“ sein könnte.

Andere Zahlen alarmieren noch mehr: So stieg der Methan-Gehalt im Kiwu-See laut einer Untersuchung des Schweizer Wasserforschungsinstitutes EAWAG zwischen 1975 und 2005 um 15 Prozent. Hielte dieser Trend an, hätte das Gewässer spätestens im Jahr 2090 seine natürliche Sättigung mit dem Gas erreicht, wodurch es auf jeden Fall zu einer tödlichen Eruption käme. Eine andere Studie aus dem Jahr 2020 kommt hingegen zu dem Ergebnis, die Gasmengen hätten sich überhaupt nicht vermehrt. Einig sind sich die Wissenschaftler nur in der Tatsache, dass der Kiwu-See offenbar ungewöhnlich stabil ist. Obwohl entlang des Afrikanischen Grabenbruchs und in der Nähe mehrerer aktiver Vulkane gelegen, ließen auch größere Ereignisse wie der Ausbruch des nahen Nyiragongo im Jahr 2021 sein Gleichgewicht unbeeinflusst.

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Wissenschaftler sind geteilter Meinung

Dennoch fürchten Wissenschaftler, dass vulkanische oder andere geologische Aktivität die Gasmengen im Kiwu-See dramatisch ansteigen lassen könnten. Um das Risiko einer Eruption zu minimieren, müsste man innerhalb der nächsten 50 Jahre 90 Prozent des Methans extrahieren. Bei der aktuellen Fördermenge würde man aber wohl in den kommenden 25 Jahren nicht einmal fünf Prozent „entsorgen“ können. Das Förderprinzip an sich ist einfach: Das gasreiche Wasser wird aus den große Tiefen des Sees empor gepumpt, an der Oberfläche extrahiert man dann das Methan. Das so „bereinigte“ Wasser fließt anschließend wieder zurück in den See. Einige Wissenschaftler warnen jedoch, dass genau dies die Stabilität der tieferen Wasserzonen gefährden könnte. Und damit die Wahrscheinlichkeit einer Katastrophe steigern würde.

Sie sagen, einige mögliche Folgen der Förderung würden möglicherweise erst nach Jahrzehnten sichtbar. Ruanda hat daher eine Einheit zur Überwachung des Kiwu-See geschaffen, die wöchentliche Berichte abliefert und auch die Methoden der Methan-fördernden Firmen regelmäßig kontrolliert. Wissenschaftler klagen jedoch immer wieder darüber, wie schwer es für sie mitunter sei, an diese Daten zu gelangen. Firmen, die rund um den See das Methan fördern, betrachten diese zudem mitunter als „vertraulich“ und fürchten, damit potentieller Konkurrenz Einblick in ihre Geschäfte zu geben. Eine grenzübergreifende Behörde mit Kapazitäten aus Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo gibt es bislang zudem nicht. Und so wird der Kiwu-See wohl auch auf absehbare Zeit das wahrscheinlich gefährlichste Gewässer der Welt bleiben.

Themen Afrika
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