20. April 2023, 14:14 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
In den 1950er- und 1960er-Jahren führten die Briten im australischen Outback eine Reihe von Atomtests durch. Nach verschiedenen Versuchen, das Land von seiner Verseuchung zu reinigen, wurde Maralinga 2009 an die Aboriginals zurückgegeben. Seit 2015 können Touristen den Ort besuchen.
Der rote Wüstensand um das alte Atomwaffentestgelände im australischen Outback ist von kleinen Glaskügelchen übersät. Sie bestehen aus Sand, der vor 60 Jahren in der Hitze der Explosion einer zehn Kilotonnen starken Atombombe geschmolzen war. Trotz zahlreicher Reinigungsversuche sind einige Teile in der Gegend noch immer so stark radioaktiv, dass dort keine Besucher erlaubt sind. Die Atomtests der 1950er- und 60er-Jahre haben der abgelegenen Region übel mitgespielt, noch heute leiden viele Ureinwohner, die einst auf diesem Land lebten, unter den Folgen.
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Was in Maralinga geschah
Zwischen 1952 und 1957 zündeten die Briten zwölf Atombomben auf australischem Boden und führten bis 1963 etwa 200 kleinere, aber ebenfalls höchst radioaktive Tests durch. Sieben der Atombomben wurden in Maralinga, einem speziell dafür konstruierten Außenposten in der Wüste, gezündet. Einige der Bomben führten zu Atompilzen, die eine Höhe von 14.325 Metern erreichten, der entstandene radioaktive Niederschlag wurde teils vom Wind hunderte Kilometer weit getragen, wie das National Museum Australia schreibt. Bei den Versuchen wurden mehr als 22 Kilogramm des hochgefährlichen, krebserregendem Plutonium-239 in der Umgebung verstreut. Die Sicherheit der Menschen war dennoch untergeordnet.
So wurden nicht nur viele Militärmitarbeiter gefährdet, die sowohl bei den Tests als auch bei den nachfolgenden Aufräumarbeiten nur unzureichend geschützt waren. Auch die Ureinwohner der Region, das Aboriginal-Volk der Anangu Pitjantjatjara, wurden wenig bis gar nicht vor der massiven Gefahr geschützt. Zwar brachte man einige Ureinwohner in eine Sperrzone, die so groß ist wie Deutschland, die Niederlande, Belgien und Frankreich zusammen war. Doch da die Suche und Warnung der auf dem Land lebenden Familien für die Briten von untergeordneter Relevanz war, wurde etwa ein einziger Offizier für eine Region von Hunderttausend Quadratkilometern eingesetzt, waren viele Menschen in der Region ungeschützt dem Plutonium ausgesetzt. So berichtet etwa das National Museum, dass teils Familien nach den Atomversuchen auf dem Gelände campierten.
Testgelände Maralinga darf nur ein paar Stunden besucht werden
1967 wurde das Testgelände Maralinga offiziell geschlossen und die Reinigung begann. Diese verlief zuerst dramatisch schlecht: Zwar wollte man schon 1984 das Gelände den Ureinwohnern zurückgeben. Doch australische Wissenschaftler stellten fest, dass eine erhebliche und weitverbreitete Plutoniumkontamination verblieb. Acht Jahre später zahlte Großbritannien Australien einen Millionenbetrag, um das Gelände abermals zu reinigen. Dieser Reinigungsversuch war insofern erfolgreich, als das Land 2009 zumindest an seine ursprünglichen Besitzer, die Aboriginal-Gemeinde von Maralinga Tjarutja, zurückgegeben werden konnte. Doch die Strahlenbelastung machte in einem Bereich von 120 Quadratkilometern eine Siedlung immer noch unmöglich.
Heute kann man das Atomwaffentestgelände besuchen, aber nur für ein paar Stunden. Schilder warnen die Besucher, nicht zu lange zu verweilen. Große Erdaufschüttungen bedecken radioaktive Erde und verseuchte Testausrüstung wie Panzer, Flugzeuge, Uniformen und Jeeps.
Touren nach Maralinga
Seit April 2015 gibt es Touren auf dem ehemaligen Atomwaffentestgelände. Die ursprünglichen Besitzer des Geländes wollen Touristen zeigen, was einst in dieser verbotenen Gegend in der nordwestlichen Ecke des Bundesstaats Südaustralien 1000 Kilometer von Adelaide entfernt geschah. Der Zutritt zum Gelände ist dabei nur mit spezieller Erlaubnis und in Begleitung des Verwalters Robin Matthews erlaubt. Touristen übernachten in Hütten oder Wohnwagen in dem alten Dorf von Maralinga, das damals vom Militär und von Forschern genutzt wurde. Es ist 37 Kilometer von dem Testgelände entfernt und selbst nicht verseucht.
Mit einem Bus bringt Matthews die Touristen zu den verschiedenen Stellen, an denen die Bomben explodierten. Jeder Detonationsort ist durch eine Betonsäule gekennzeichnet, geschmolzener Sand glitzert in der Sonne. „Die meisten Australier sind schockiert, wenn sie hören, was in Maralinga passiert ist“, sagt Chris Burchett, der den Besitzern von Tjarutja geholfen hat, die Touren zu organisieren.
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„Dieses Land ist tot“
„Die ursprünglichen Besitzer von Tjarutja sehen den Tourismus als Plattform, um ihre Geschichte der Vertreibung zu erzählen“, erzählt Burchett. „Sie besuchen das Land nur ungern selbst, weil es so beschädigt ist. Aber sie hoffen, durch den Tourismus genug Geld zu verdienen, um in ihren traditionellen Gebieten außerhalb der Explosionsorte überleben zu können.“
Viele der Menschen, die während der Tests der Strahlenbelastung ausgesetzt waren, starben an Krebs. Besucher heute müssen sich Matthews zufolge aber keine Sorgen um ihre Gesundheit machen: Er und seine Frau, eine Aboriginal, müssten jedes Jahr auf Strahlenbelastung getestet werden, erklärt er. „Bis jetzt haben sie nichts gefunden, und ich arbeite hier schon seit 1972.“ Außerdem prüfen Wissenschaftler einmal jährlich, ob belastetes Material aus den großen Erdhügeln sickert.
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Matthews hofft, dass der Tourismus den ursprünglichen Besitzern des Landes helfen wird. Doch für sie selbst ist Maralinga ein Ort des Bösen und des Todes. „Dieses Land ist tot. Es ist jetzt 60 Jahre her, aber noch immer wächst in einem Umkreis vieler Kilometer um die alten Explosionsorte nichts“, sagt der Verwalter. „In der Vergangenheit gingen die Ureinwohner über dieses Land zu ihren Tränken, um andere Familien zu besuchen und Geschichten zu erzählen. Das Land war Teil ihrer Seele. Das alles endete mit den Explosionen der Atombomben.“
*In Australien gilt die hierzulande verbreitete Bezeichnung „Aborigine“ als abwertend, weshalb im Text das dort übliche Aboriginal verwendet wurde.