31. Januar 2022, 12:52 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Wenn eine neue Krankheit oder ein Virus entdeckt wird, nennt man diese oft nach dem Ort, wo sie zuerst auftraten. Für die Städte und Regionen eine zweifelhafte Ehre, fördert das zwar die Bekanntheit des Ortes, nicht aber unbedingt deren Image. TRAVELBOOK über „echt kranke“ Orte.
Wussten Sie, dass die Stadt Marburg im Ausland oft in erster Linie mit fiesen Viren in Verbindung gebracht statt mit dem hübschen Uni-Städtchen, das es doch eigentlich ist? Oder, dass es eine Krankheit gibt, die Philadelphia heißt? Und auch von dem Ebola-Fluss haben die meisten Menschen noch nie gehört. Dabei gibt es einige Krankheiten, die nach Orten benannt wurden. TRAVELBOOK zählt fünf von ihnen auf.
Schmallenberg
Einst hatte Schmallenberg einen guten Ruf. Familien verbrachten hier im Hochsauerland ihre Ferien, Wanderer fanden in der Gegend spannende Pfade, und Allergiker: Hotels und Pensionen mit den besten, da allergikerfreundlichen Bedingungen. Doch dann wurden plötzlich ein paar Rinder krank – und als Ursache entdeckten Forscher des deutschen Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) einen bis dahin unbekannten Erreger. Da dieser noch keinen Namen hatte, nannte man ihn einfach nach dem Ort, wo man ihn fand: Schmallenberg-Virus.
Seitdem steht Schmallenberg nicht mehr für Urlaubs- und Familienglück, sondern für den Schrecken aller Landwirte, eine Tierseuche, die durch Gnitzen (Bartmücken) und andere Stechmücken übertragen wird. Die 25.000-Einwohner-Kommune hatte noch versucht, beim Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) die Namensgebung zu verhindern. Ohne Erfolg. Aber vielleicht profitiert Schmallenberg ja auch von dem Hype um den Ort. Schließlich kann das Virus nicht auf den Menschen übertragen werden, Urlauber sind also sicher.
Marburg
Das hat Marburg wahrlich nicht verdient: Da kann die Altstadt noch so hübsch, das Leben dort noch so idyllisch sein – im Ausland denkt man bei Marburg in erster Linie an Tod und Schrecken. Schuld daran ist eine lebensgefährliche Krankheit, die nach dem Ort benannt wurde. Der Killervirus lässt Menschen innerlich verbluten und ist in der Stadt im Sommer 1967 zum ersten Mal ausgebrochen.
Zunächst sah es aus wie eine Grippe: Die Erkrankten hatten hohes Fieber sowie Kopf- und Gliederschmerzen. Doch bald wurden ihre Blutgefäße durchlässig, es kam zu inneren Blutungen – und innerhalb weniger Tage starben fünf der 24 Erkrankten. Die Patienten waren Laborangestellte in den Marburger Behring-Werken und alle in Kontakt mit Grünen Meerkatzen aus Afrika gekommen. Diese nutzte das Pharmaunternehmen damals zur Herstellung eines Impfstoffs gegen Kinderlähmung.
Die „Marburger Affenkrankheit“ wurde das tödliche Leiden erst genannt. Kurz darauf der bis dato unbekannte Virus identifiziert, folglich das „Marburg-Virus“. Erst rund 40 Jahre später machte man das mutmaßliche Wirtstier aus: Der Nil-Flughund fungiert offenbar als Überträger des Virus, eine Fledermausart, die in Europa und Afrika lebt. Von Mensch zu Mensch überträgt sich das Virus ähnlich wie der Aidserreger HIV über Schmierinfektionen von Körperflüssigkeiten.
In Deutschland ist die Krankheit seit dem Ausbruch in Marburg nie wieder aufgetreten. Dafür werden aus Afrika – Angola, Uganda, Kongo – regelmäßig Epidemien gemeldet, bei denen mehrere hundert Menschen sterben. Doch Marburg hat den Virus immer noch: Unter der höchsten Sicherheitsstufe vier wird hier an dem Virus geforscht. Und offenbar hat man in Marburg keine großen Probleme damit, dass der Killervirus so heißt wie die Stadt: An der Fassade des 2007 eingeweihten neuen Laborgebäudes sind vergrößerte Marburg-Viren abgebildet. Unübersehbar.
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Toskana
Beim Toskana-Virus handelt es sich nicht etwa um jenes Kribbeln, das so manchen Italien-Fan regelmäßig ereilt und nur dadurch zu kurieren ist, dass man den nächsten Toskana-Urlaub bucht. Nein, das Toskana-Virus ist tatsächlich eine Krankheit, genauer: eine Hirnhautentzündung (Symptome: allgemeine Schwäche, starke Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und ein steifer Nacken), die nach ein paar Tagen abklingt und nur selten bleibende Nervenschäden nach sich zieht.
Übertragen wird sie vermutlich durch Sandmücken, die das warme Klima in der Toskana schätzen und vor allem dort häufig vorkommen. Sie stechen ausschließlich in der Nacht, wobei die Stiche zuerst nicht zu spüren sind, erst in den folgenden Tagen entwickeln sich stark juckende Quaddeln. Schützen kann man sich mit einem wirksamen Mückenschutz, Moskitonetz und Repellentien.
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2010 wurde das Virus erstmals auch hierzulande nachgewiesen. In der statistisch wärmsten Ecke Deutschlands, im Südwesten nahe dem Oberrhein, hat sich der Toskana-Virus eingenistet. Um die Verwirrung komplett zu machen: Neben dem Toskana-Virus gibt es auch den Sizilien-Virus und den Neapel-Virus, auch hier handelt es sich um das sogenannte Sandfliegenfieber.
Philadelphia
Für Cineasten dürfte klar sein, welche Krankheit man in der Welt mit der fünftgrößten Stadt der Vereinigten Staaten verbindet. In dem Oscar-prämierten Film „Philadelphia“ aus dem Jahre 1993 spielt Tom Hanks einen AIDS-Kranken. Der Titelsong von Bruce Springsteen wurde zur Hymne für alle an der Immunschwäche erkrankten Menschen. Doch es war eine andere schwere Krankheit, die tatsächlich nach dem Ort an der Ostküste der USA benannt wurde.
1960 nämlich entdeckten Peter Nowell und David Hungerford in Leukämiezellen eines Patienten ein verkürztes Chromosom 22. Damit identifizierten sie erstmals eine Chromosenveränderung. Sie kann mit der Entstehung von Krebs in Verbindung gebracht werden. Und wie nannten sie das Chromosom? Da sie sich in Philadelphia befanden, ganz einfach: das Philadelphia-Chromosom.
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Ebola-Fluss
Ähnlich dem Marburg-Fieber ist das Ebolafieber, dessen jüngste und bisher größte Epidemie seit gut einem Jahr in West-Afrika grassiert. Mehr als 20.000 Menschen sind hier bisher an Ebola-Fieber erkrankt, 8000 Menschen daran gestorben. Die Medien berichteten oft über die Krankheit. Aber wussten Sie, nach welchem Ort die Krankheit eigentlich benannt wurde? Nach dem Ebola-Fluss, einem Seitenarm des Kongo, an dessen Ufern das Fieber erstmals auftrat.
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Große Ausbrüche wurden seit 1976 in der Demokratischen Republik Kongo (vormals Zaire), der Republik Kongo, im heutigen Südsudan, Uganda und Gabun verzeichnet – und seit Anfang 2014 in den westafrikanischen Ländern Liberia, Guinea und Sierra Leone. Die Erkrankung verläuft in 50 bis 90 Prozent aller Fälle tödlich. Bis heute gibt es – wie auch bei der Marburg-Krankheit – keinen Impfstoff oder eine Behandlung. In Deutschland ist Ebola bisher noch nicht aufgetreten.