„Are you ready?” „Nein, nein, nein. Gar nicht. Überhaupt nicht. Was war das eigentlich für eine blöde Idee?! Ich glaub ich will jetzt gehen“, schießt es mir durch den Kopf. Reden ist nicht mehr drin. Nervös stammeln vielleicht noch.
Sekunden, Minuten oder gefühlte Stunden hänge ich irgendwo in der Nähe von Queenstown über einem Canyon. 160 Meter über dem Boden. Könnten auch 10.000 sein. Oder 50. Es ist hoch. Unverschämt hoch. Wie hoch ist mir hier oben auch egal. Die bestimmt sehr hübsche Schlucht verschwimmt vor meinen Augen. Nachdem man mich quasi über die Kante der Plattform geschoben hat, sitze ich jetzt in jede Menge Bungee-Seile geknotet in der Luft. Die sind zu einer Tandem-Schaukel zusammengehakt. Meine Reisebegleitung sitzt dicht neben mir, hält meine Hand. Ich habe kein Gefühl mehr im Körper – außer ANGST!
Mit 30 ist das irgendwie anders
Hinter mir erzählen die Betreiber der Schaukel irgendwas. Ich kann nicht folgen. Irgendwie ist das mit dem Riesen-Schaukel-Schaukeln gar nicht mehr so lustig, wie ich mir das vorgestellt hatte. Festen Boden unter den Füßen und die Schlucht in sicherer Entfernung erschien mir eine Idee besser. Selbst als wir über die schwebende Brücke in Richtung Plattform gelaufen sind, war ich noch überzeugt, es unbedingt zu tun wollen. Ich habe so Adrenalinquatsch zwei Mal gemacht – Skydiving mit 20 in Neuseeland, Base Flying in Berlin mit 23 – und dachte ich wäre da völlig abgeklärt. War immer lustig. Mit 30 ist das irgendwie anders. Ich habe das immer für Quatsch gehalten, wenn mir Leute erzählt haben, dass die Höhenangst zunimmt, je älter man wird. Tada. Hallo Höhenangst. Ab sofort kennen wir uns – und ich mag dich nicht besonders.
„Three. … Two … One …“
„Mama!“
Weitere Sekunden vergehen. Wann geht’s denn endlich…. looooooooooos.
Plötzlich ist die Schaukel weg
Ich falle. Der Wind peitscht mir ins Gesicht. Ich falle vorn über. Das Herz rutscht mir in den Bauch und gefühlt durch die Füße nach draußen. Bin ich aus der Schaukel gefallen? Meine Freundin ist irgendwo hinter mir. Der Wind rauscht. Der Berg kommt immer näher. Ich falle. Und falle. Und falle. 70 Meter sind ganz schön lang.
Plötzlich ist es anders. Die Seile sind wieder da. Wir fliegen. Nach vorne statt nach unten. Das ist besser. Der Berg kommt näher. Dann fliegen wir rückwärts. Weg vom Berg. Ich spüre eine schweißnasse Hand auf meiner. Tief durchatmen. Wir haben es geschafft. Zumindest fast. Die Schaukel wird langsamer. Unter uns rauscht ein Fluss. Um uns herum strecken sich massige, karge Berge in die Höhe. Runtergucken ist immer noch nicht lustig. Mein Körper beginnt zu zittern. Mir wird schwindelig. Tief durchatmen. Ein. Aus. Ein. Aus.
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Wieder geht ein Rucken durch die Seile. Der Boden rückt weg. Meter für Meter ruckeln wir nach oben. Nicht nach unten gucken. Der Boden ist ganz schön weit entfernt. An der schwebenden Plattform angekommen baumeln wir noch ein bisschen rum. So können wir die Aussicht noch genießen. Oder uns die Höhe nochmal bewusst machen. Ich möchte dann jetzt auch mal aussteigen. Reicht jetzt.
Erlöst. Auf der Plattform fangen die Beine richtig an zu zittern. Ich schaue meine Freundin an. Die lacht. Ich auch. Stundenlang hören wir nicht mehr damit auf. Adrenalin macht auch mit 30 noch Spaß. Hinterher.
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Nevis Swing: Die Fakten
Die Nevis Swing wird von AJ Hackett Bungy betrieben und befindet sich auf Neuseelands Südinsel in der Nähe von Queenstown. Neben der Freifall-Schaukel kann man hier auch Bungee-springen. Aktuell (Stand 18. April 2019) kostet das Schaukeln mit der Nevis Swing 220 NZ-Dollar (etwa 130 Euro). Kinder und Studenten zahlen weniger.