16. Mai 2020, 17:10 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Zwischen England und Schottland liegt eine kleine Region, die einst so gefährlich war, dass keins der Länder sich ihrer annehmen wollte: Die Debatable Lands wurden 300 Jahre den Fehden verschiedener Clans überlassen, die hier jede Menge Unheil anrichteten.
England und Schottland teilen sich eine Ländergrenze und gehören heute beide zum Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland. Das war nicht immer so. Vor der Vereinigung der beiden Länder (und Wales und Nordirland) zu einem einzigen, waren beide eigenständige Königreiche. Und die konnten sich nicht so recht über ihre Grenze einigen.
Trotz offizieller Grenzziehung zwischen Schottland und England im Jahr 1237, gab es an eben jener Ländergrenze mehr als 300 Jahre lang ein Niemandsland, für das niemand so recht zuständig sein wollte: die Debatable Lands (zu Deutsch etwa: die umstrittenen Länder). Eine rund 20 Kilometer lange und bis zu 13 Kilometer breite Region, die zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert als anarchischer, rechtsfreier Raum zwischen den beiden Königreichen existierte. So gefährlich, dass weder Schottland noch England sich seiner annehmen wollte.
Border Reivers versetzten Region in Angst und Schrecken
Die im Treaty of York festgelegte englisch-schottische Ländergrenze gilt als eine der ältesten nationalen Grenzen Europas. Laut „BBC” zerteilte sie allerdings zusammenhängende Gebiete und wurde in der Folge als Symbol staatlicher Autorität interpretiert: „(…) Die Debatable Lands wurden zum Brennpunkt einer Art Revolution, in der sich mächtige Familien in Schottland und England gegenseitig plünderten und keine der Regierungen verpflichtet fühlte, sich darum zu kümmern.”
Das Gebiet zwischen Solway Firth und Langholm in Dumfries und Galloway, abgegrenzt durch die Flüsse Liddel, Esk und Sark, wurde zu einem rechtsfreien Raum und Zufluchtsort für Gesetzesbrecher. Regionale Clans, die sogenannten „Border Reivers” (zu Deutsch: Grenzräuber), übernahmen die Kontrolle, raubten, plünderten und mordeten in der Region und vergossen jede Menge Blut. Zwei dieser Clans waren die Armstrongs und die Grahams. Laut „The Guardian” waren sie „Räuber und Viehdiebe, die nur sich selbst und ihren Nachnamen treu waren.” Immer wieder versuchten Offizielle die Clans zu vertreiben und Ordnung in den Debatable Lands herzustellen. Die Versuche scheiterten jedoch.
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Offiziell erlaubtes Töten
Nach rund 300 Jahren bekam das Blutvergießen eine offizielle Note, als beide Länder in einem parlamentarischen Dekret im Jahr 1551 erklärten: „Alle Engländer und Schotten sind und sollen frei sein zu rauben, verbrennen, verderben, erschlagen, morden und zerstören, jede Person, ihre Körper, Besitztümer, Güter und Vieh, die auf einem Teil des umstrittenen Landes verbleiben oder leben sollen, ohne dass sie dafür Wiedergutmachung leisten müssen” (übersetzt aus Google Arts & Culture). Ein Weg für die beiden Königreiche, sich der Zuständigkeit für das gesetzlose Treiben in der Region zu entziehen.
Ein Jahr später, im September 1552, wurden die Debatable Lands schließlich offiziell zwischen England und Schottland aufgeteilt und beide Länder übernahmen so de facto Verantwortung für ihren Teil der Region. Die widerstand dem offiziellen Ordnungsbestreben noch weitere rund 100 Jahre, konnte aber schließlich unter schottische beziehungsweise englische Kontrolle gebracht werden.
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Heute ist die Umgebung rund um das schottische Dorf Gretna eine ruhige, ländliche Grenzgegend mit kleinen traditionellen Ortschaften, Dorfleben und Tierzucht. Ein paar Hotels gibt es auch, des Öfteren kommen Paare zum Heiraten her. Ansonsten verirren sich nicht allzu viele Besucher in die Grenzregion, gehört dieser Teil Großbritanniens nicht zu den Touristen-Hotspot – trotz seiner überaus bewegten Geschichte.