7. Dezember 2021, 5:12 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Sable Island ist nicht gerade das, was man ein klassisches Reiseziel nennen würde. Die kanadische Insel ist rund 170 Kilometer vom Festland entfernt – und war in der Vergangenheit Schauplatz Hunderter Schiffbrüche, weshalb sie auch „Friedhof des Atlantiks“ genannt wird. Was die Gewässer rund um die Insel so gefährlich macht und warum auf Sable Island zwar nur wenige Menschen, dafür aber unzählige Wildpferde leben – TRAVELBOOK hat alle Infos.
Wer Luftaufnahmen von der kleinen kanadischen Insel Sable Island sieht, mag kaum glauben, dass sich in den Gewässern drumherum in der Vergangenheit Tragödien abgespielt haben, bei denen Tausende Menschen ihr Leben verloren.
Dabei ist das rund 170 Kilometer vom kanadischen Festland entfernt gelegene Eiland selbst eigentlich ein Naturparadies: Kegelrobben leben hier – und Wildpferde, zwischen 250 und 400 an der Zahl. Menschen trifft man auf Sable Island kaum. Die wenigen, die hier leben, sind Wissenschaftler, die Flora und Fauna der Insel untersuchen.
Auch interessant: Betreten verboten! Diese Insel ist New Yorks düsterstes Geheimnis
So idyllisch die 42 Kilometer lange und maximal zwei Kilometer breite Insel auch ist, für viele Seefahrer bedeutete sie vor allem eins: Unheil. Seit Ende des 16. Jahrhunderts gab es in der Nähe von Sable Island mehr als 350 Schiffbrüche, bei denen Tausende Seeleute starben. Rund um die Insel verteilen sich viele Wracks, weshalb das Gebiet auch als Graveyard of the Atlantic, als Friedhof des Atlantiks, bezeichnet wird. Doch warum kam es in der Vergangenheit hier immer wieder zu Unglücken?
Stürme, Nebel und tückische Strömungen
Zum einen ist die hohe Zahl an Schiffbrüchen dem Umstand geschuldet, dass sich Sable Island in einer Region des Atlantiks mit vielen Schifffahrtsrouten befindet, die Nordamerika mit Europa verbinden. Wo besonders viele Schiffe unterwegs sind, ist auch die Wahrscheinlichkeit höher, dass etwas passiert – vor allem, wenn Faktoren hinzukommen, die Schiffsunglücke begünstigen. So liegt Sable Island in einem Bereich des Atlantiks, in dem tückische Strömungen auftreten und es häufig Stürme gibt, sodass immer wieder Schiffe von den starken Winden in die Nähe der Insel gefegt wurden und dann auf Grund liefen.
Darüber hinaus ist die Insel laut dem Maritimen Museum des Atlantiks im kanadischen Halifax an rund 125 Tagen im Jahr in Nebel gehüllt, was besonders vor der Einführung moderner Navigationstechnologie dazu führte, dass Schiffe die Insel zu spät sahen und kenterten.
Eines der schwersten Schiffsunglücke vor Sable Island war der Untergang der Hungarian 1860. Mehr als 200 Menschen kamen ums Leben, als der Passagierdampfer in einen Schneesturm geriet, in dessen Verlauf das Schiff auf Klippen aufschlug. Aufgrund der Wetterbedingungen war für Besatzung und Passagiere eine Rettung mithilfe der Rettungsboote unmöglich – Bewohner der Insel mussten tatenlos zusehen, wie das Schiff sank. Kein Mensch konnte gerettet werden.
Auch interessant: Der Leuchtturm, vor dem in einer einzigen Nacht 16 Schiffe sanken
Im Zuge immer besserer Navigationstechnik reduzierten sich die Schiffbrüche. Nachdem 1947 die The Manhasset auf Grund lief, folgte der nächste Unfall erst Jahrzehnte später: 1999 strandete die Segeljacht Merrimac, die dreiköpfige Besatzung konnte jedoch gerettet werden.
Einige überlebten die Unglücke
Bei vielen Schiffbrüchen gab es allerdings auch Überlebende, die sich auf die Insel retten konnten. Für sie errichtete man 1801 auf Sable Island eigens Stationen – auch weil Gerüchte kursierten, dass Seeräuber die Schiffe mit Absicht in Richtung der Insel lockten, die Wracks plünderten und die Überlebenden töteten.
Auch interessant: Die tödlichste Insel der Welt liegt vor Brasilien
Freiwillige, die beschlossen ihr Leben den Schiffbrüchigen zu widmen, kümmerten sich um die buchstäblich Gestrandeten. Diese Freiwilligen waren auch die ersten Menschen, die die Insel besiedelten und dauerhaft auf ihr lebten.
Auf der Station konnten die Überlebenden mit lebensrettenden Utensilien wie Decken und Nahrung versorgt werden und erhielten erste medizinische Versorgung. Neben diesen Rettungsstationen gab es kleinere Notunterkünfte, die auf der ganzen Insel verteilt waren und Feuerholz, Lebensmittel und einen Plan, der den Weg zur nächsten Rettungsstation wies, beinhalteten. Erreichte ein Überlebender eine Notunterkunft, so konnte er sich selbst versorgen, bis die Wetterbedingungen es ihm erlaubten, zur Rettungsstation aufzubrechen. Einige Male im Jahr fuhr ein Dampfer zur Insel, um Lebensmittel und andere Rohstoffe zu liefern. Für die Schiffbrüchigen war dies die Möglichkeit, wieder zurück ans Festland zu kommen.
Noch heute kann man auf Sable Island vielerorts Überreste der Unglücke finden: Unter anderem erinnern Wrack-Teile und Rettungswesten an die tragischen Ereignisse, die sich hier zugetragen haben.
Und wie kamen die Pferde auf die Insel?
Die in großer Zahl auf der Insel vertretenen Sable Island Ponys kamen im 18. Jahrhundert auf die Insel, als ein US-Amerikaner versuchte, Sable Island zu besiedeln. Neben Menschen und Rohstoffen benötigte er natürlich auch Nutztiere, die er mit einem Schiff auf die Insel brachte. Viele der Pferde wurden jedoch von Seeräubern und Fischern gestohlen.
Auch interessant: Die 9 gefährlichsten Inseln der Welt
Am Ende schlug der Versuch, die Insel zu besiedeln, fehl – einige Pferde blieben und vermehrten sich. Doch Ende der 1950er-Jahre standen die Ponys kurzzeitig kurz vor der Ausrottung: Weil die Tiere angeblich nicht immer genug Nahrung zur Verfügung hatten, hatte die kanadische Regierung nach einem besonders harten Winter entschieden, sie einzufangen und zu Hundefutter zu verarbeiten.
Wie die kanadische Zeitung „The Globe and Mail“ berichtet, brachte jedoch eine Kampagne, gestartet von Schulkindern aus dem ganzen Land, die kanadische Regierung von ihrem Plan ab und sogar dazu, die Ponys unter Schutz zu stellen.
Strenge Regeln für den Besuch der Insel
Touristen kommen nur selten hierher, was auch daran liegt, dass Sable Island inzwischen ein Naturschutzgebiet ist und der Besuch strengen Regelungen unterliegt. Wer die Insel betreten möchte, muss sich vorher eine Genehmigung von der kanadischen Regierungsbehörde Parks Canada holen und an einem Orientierungskurs teilnehmen.
Wer sich lieber aus der Ferne ein eigenes Bild von der Naturschönheit der Insel machen möchte, kann sie sogar via Google Street View besuchen. Wie das kanadische Online-Portal „Contrarian“ berichtet, stattete der Kartendienst im Jahr 2015 einen Mitarbeiter von Parcs Canada mit einem Kamera-Rucksack aus und ließ ihn einen zentralen Teil von Sable Island abfilmen. Den Weg können Besucher der Insel auch entlangwandern.