11. Oktober 2021, 15:39 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Auf der Halbinsel Kamtschatka findet sich ein wahrhaft unheimlicher Ort, an dem regelmäßig immer wieder in Massen Tiere sterben. Lange war unklar warum, doch der Ort ist heute bekannt als das Tal des Todes von Russland. Und doch gibt es in der Region jährlich tausende Touristen.
Das Kronotsky-Naturschutzgebiet auf der russischen Halbinsel Kamtschatka ist beeindruckend. Über eine Million Hektar groß, ist es ein Paradies für Wildtiere wie etwa Bären, Füchse, Rentiere und Adler. Doch es gibt einen Ort hier, der überaus gefährlich ist – um nicht zu sagen tödlich. Immer wieder finden hier grausame Massensterben statt, was dem Ort einen unheimlichen Namen eingebracht hat: Das Tal des Todes von Russland.
Nur etwa zwei Kilometer lang und maximal 500 Meter breit, ist das Tal des Todes von Russland auf den ersten Blick ein unscheinbares Gebiet im Schatten des Kikhpinych-Vulkans. Heute betreten jährlich tausende Besucher die Gegend, um das weltbekannte Tal der Geysire zu besuchen, das ganz in der Nähe des Tal des Todes liegt. Letzteres wurde erst 1975 entdeckt.
Grausige Entdeckung
Eine Expedition rund um den russischen Vulkanologen Vladimir Leonov kam damals in die Gegend, um einige der zahlreichen Vulkane zu untersuchen, die es auf der Kamtschatka-Halbinsel gibt. Dabei machten sie eine grausige Entdeckung: In dem Gebiet rund um den Kikhpinych-Vulkan lagen überall tote Tiere zu Dutzenden – darunter allein fünf große Bären. Leonov und seine Kollegen konnten sich die Ursache dafür zunächst nicht erklären, doch ein Artikel über ihren Fund prägte einen neuen Mythos: Den vom Tal des Todes von Russland.
Auch interessant: Der Riesenkrater in Sibirien, der immer weiter wächst
Jahrelange Nachforschungen brachten schließlich ans Licht, was die Tiere so massenhaft sterben ließ: Tödliche Gase, die hier bis heute aus dem vulkanischen Erdboden strömen. Darunter Schwefelwasserstoff, Kohlendioxid und Schwefelkohlenstoff. Diese sind normalerweise unter einer dichten Decke aus Eis und Schnee „gefangen“. Doch jedes Jahr aufs Neue, zwischen den Monaten Mai und Oktober, setzt sich im Tal des Todes von Russland ein letaler Prozess in Gang.
Das Tauwetter bringt den Tod
Gemeint ist die Schneeschmelze. Denn sobald es taut, werden auch die tödlichen Gase freigesetzt. Schwerer als Sauerstoff, verdrängen sie diesen aus der Luft, die jedes Lebewesen zum Atmen braucht. Die Tiere, die im Tal des Todes von Russland sterben, ersticken also qualvoll. Es wird vermutet, dass der „Hauptschuldige“ für diesen grausamen Prozess das Kohlendioxid ist. Ein vergleichbarer, weitaus tragischerer Fall ereignete sich 1985 am afrikanischen Lake Nyos. Damals kostete ein plötzliches massives Ausströmen des Gases aus dem Vulkansee mehr als 1000 Menschen und über 3000 Tiere das Leben.
Kohlendioxid kann innerhalb von Minuten töten. Dass dennoch jedes Jahr aufs Neue hier massenhaft Tiere sterben, liegt schlicht und einfach am Ernährungskreislauf. Zunächst wandern kleine Tiere in das Tal, denen dann ihre größeren Jäger folgen, bis hin zu den Bären. Ist es im Tal des Todes von Russland windstill, kann die Gaskonzentration in der Luft sehr rasch eine fatale Dichte erreichen. Besonders gruselig: Durch den fehlenden Sauerstoff in der Luft verrotten viele Tiere nicht (vollständig), sondern sind für lange Zeit wie Mumien konserviert.
Auch interessant: Dargavs: Das Dorf der Toten in Russland
Sicher nur aus der Distanz
Menschen, die das Tal des Todes von Russland betreten haben, berichten von Gefühlen wie Benommenheit und Schwindel, die schon nach sehr kurzer Zeit einsetzten. Einheimischen zufolge haben bereits 80 Menschen hier ihr Leben verloren. Was auch daran liegen könnte, dass das Tal in keiner Weise gesichert ist und nur 300 Meter davon entfernt, ein Wanderweg verläuft. Umso erstaunlicher, dass dieser unheimliche Ort so lange unentdeckt blieb.
Heute kommen Jahr für Jahr tausende von Touristen auf die Kamtschatka-Halbinsel, um im Kronotsky-Naturschutzgebiet zu wandern. Das unbestrittene Highlight ist das bereits erwähnte Tal der Geysire. Doch auch dem Tal des Todes von Russland kann man zumindest nahe kommen. Es zu betreten würde schlimmstenfalls bedeuten, zu sterben. Dennoch brüstet sich ein Reporter der „BBC“ damit, es 2014 durchwandert zu haben. Wer nicht so viel riskieren möchte, kann das Tal aus sicherer Distanz von einer Aussichtsplattform betrachten, die eigens zu diesem Zweck errichtet wurde.