10. August 2020, 16:52 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Wie ist eigentlich die Situation in Nordamerika, wo ist es friedlich, wo gefährlich? Antworten darauf gibt der Global Peace Index (GPI) des Institutes for Economics and Peace (IEP), der einmal im Jahr erscheint und den Frieden in der Welt untersucht. TRAVELBOOK fasst die Ergebnisse für Nord- und Mittelamerika zusammen. Vorweg: Nordamerika ist friedlicher und Zentralamerika unsicherer geworden.
Amerika ist ein Doppelkontinent, bestehend aus dem Norden inklusive Mittelamerika sowie Südamerika. Im Global Peace Index 2020 ist er in drei Regionen unterteilt, TRAVELBOOK fasst den Norden und die Mitte zusammen. Über die Ergebnisse des Global Peace Index für Südamerika hat TRAVELBOOK ebenfalls berichtet.
USA
Kanada
Costa Rica
Honduras
Panama
Mexiko
Nicaragua
Die Region Nordamerika, also die USA und Kanada, ist eins von nur zwei Gebieten der Welt, das im vergangenen Jahr friedlicher geworden sind. Nordamerika steht auf Rang zwei von neun und hat sich in allen drei im GPI untersuchten Bereichen verbessert: anhaltende Konflikte, Sicherheit und Militarisierung. Ganz anders Zentralamerika und die Karibik. Die Region zeigte im vergangenen Jahr die zweitgrößte Verschlechterung, was besonders auf die anhaltenden Konflikte zurückzuführen ist. Sie steht jetzt auf Platz vier im Regionen-Vergleich.
Nordamerika macht wieder Fortschritte
Nordamerika ist insgesamt im vergangenen Jahr friedlicher geworden – das erste Mal seit 2016. Fortschritte zeigen hier besonders die Vereinigten Staaten von Amerika. Allerdings stehen die beiden Länder ohnehin an unterschiedlichen Enden des Welt-Friedens-Rankings: Während Kanada innerhalb der Top Ten der friedlichsten Länder der Welt residiert, rangieren die USA im unteren Drittel.
Die sichersten Länder in Nordamerika (in Klammern die Platzierung im weltweiten Ranking von 163 Ländern):
1. Kanada (6)
2. Vereinigte Staaten von Amerika (121)
USA mit verbesserten Zahlen
Die USA haben sich in allen drei Bereichen verbessert, ganz besonders im Punkt anhaltende Konflikte. Insgesamt ist die Anzahl gewaltsamer Tode zurückgegangen, sowohl die Mordrate als auch die Auswirkungen von Terror sowie Todesfälle durch interne und externe Konflikte haben sich verbessert. Die Zahlen der Todesopfer durch externe Konflikte verringerten sich besonders mit dem Abzug der Truppen und der geminderten Beteiligung der USA in Irak und Afghanistan.
Gleichzeitig haben die Vereinigten Staaten ihre Militarisierung im vergangenen Jahr verstärkt: Sowohl die Waffenim- als auch -exporte pro Kopf sind gestiegen und das Land ist jetzt der viertgrößte Waffenexporteur pro Kopf nach Frankreich, Russland und Israel. Ebenfalls gestiegen sind die Militärausgaben und die Zahl der Streitkräfte.
Kanada ist friedlicher geworden
Kanadas Friedfertigkeit hat ein wenig zugenommen, ebenfalls in allen drei Bereichen. Die größte Verbesserung passierte hier beim Indikator Auswirkungen von Terrorismus. Das Land erlebte einen Höhepunkt des Terrorismus zwischen 2017 und 2018 mit 16 Toten in Folge von 16 bestätigten Terroranschlägen. Beide Zahlen verringerten sich in 2019. Außerdem hat Kanada weniger Inhaftierte und weniger Polizisten. Einen leichten Anstieg gab es jedoch bei der Mordrate, die jetzt bei 1,8 pro 100.000 Menschen liegt, ebenso wie einem leichten Anstieg in den Militärausgaben und Waffenexporten.
Mittelamerika wird unfriedlicher
Die Friedensbemühungen Zentralamerikas haben im vergangenen Jahr nachgelassen, nur 5 der 13 Länder zeigten Verbesserungen. 2019 stand in der Region im Zeichen ziviler Unruhen. Viele nehmen ein hohes Maß an Korruption wahr, die wirtschaftliche Not treibt die Menschen außerdem auf die Straße. Besonders die Schließung der Internationalen Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala (CICIG) und die Korruption in Honduras führten zu einer Reihe gewaltsamer Ausschreitungen sowie nationaler und internationaler Abwanderung.
Gleichzeitig stiegen die Flüchtlingszahlen wegen der Ausschreitungen in Haiti, Nicaragua und Mexiko an, was die Spannungen in den Beziehungen mit den USA noch verschärfte. Zahlenmäßig zeigen sich die Verschlechterungen besonders bei der Menge an Todesfällen in Folge externer Konflikte sowie dem verstärkten politischen Terror in der Region.
Das sind die (un)sichersten Länder in Zentralamerika und der Karibik 2020 (in Klammern die Platzierung im weltweiten Ranking von 163 Ländern):
1. Costa Rica (32)
2. Panama (56)
3. Dominikanische Republik (76)
4. Jamaika (80)
5. Kuba (86)
6. Trinidad und Tobago (88)
7. Haiti (111)
8. El Salvador (113)
9. Guatemala (115)
10. Honduras (119)
11. Nicaragua (135)
12. Mexiko (137)
Costa Rica recht friedlich
Trotz politischer und sozialer Unruhen bleibt Costa Rica weiterhin das friedlichste Land Zentralamerikas und zeigt insgesamt sogar Verbesserungen im Friedensstatus. Gleichzeitig stiegen im vergangenen Jahr die Mordzahlen von 11,9 auf 12,3 pro 100.000 Menschen. Und wegen der Krise im Nachbarland Nicaragua wuchs die Zahl an Migranten in Costa Rica: etwa 55.000 der 70.000 nicaraguanischen Flüchtlinge suchten Zuflucht in Costa Rica. Verbessert haben sich neben Costa Rica auch die Dominikanische Republik, Trinidad und Tobago, Guatemala und Honduras.
Honduras mit großen Fortschritt
Honduras hat von allen 163 untersuchten Ländern sogar die fünftgrößten Fortschritte in Sachen Friedensentwicklung gemacht. Hier gab es Verbesserungen in allen drei GPI-Bereichen, das ist besonders auffällig hinsichtlich des politischen Terrors und bei den Todesfällen durch internationale Konflikte. Das Land litt im vergangenen Jahrzehnt unter einem vergleichsweise riesigen Ausmaß internationaler Auseinandersetzungen sowie Gewalt, war dem in den vergangenen fünf Jahren aber Schritt für Schritt entwachsen. Mit dem Abnehmen krimineller Gangaktivitäten ist auch die Mordrate in Honduras zurückgegangen, Todesfälle wegen internationaler Konflikte sanken auf Null.
Auch der Terrorismus im Land geht zurück und mit ihm die daraus resultierenden Todesfälle. Gleichzeitig steigt die Polizeirate und die Zahl an Inhaftierungen. Die Index-Analysten weisen darauf hin, dass trotz aller Verbesserungen weiterhin viel Konfliktpotenzial da ist. Honduras hat die vierthöchste Mordrate der Welt, innenpolitische Spannungen und Migrationsströme bedrohen die Beziehung mit den USA und weiterhin ist das Level der Gewaltkriminalität hoch.
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Panama instabil
Das zweitfriedlichste Land in der Region, Panama, erlebte ebenfalls ein Jahr voller Unruhen, die schließlich zu einem Abfall seines Friedens führten. Die Regierung versuchte, die Rechte von Randgruppen in der Gesellschaft zu mindern, was zu politischer Instabilität führte und sich auch im verschlechterten Wert der Konfliktintensität widerspiegelt. Laut der GPI-Analyse leitete die Regierung von Laurentino Cortizo zu Beginn der Amtszeit eine Verfassungsreform ein. Während die durch den Prozess beim Gesetzgeber ging, hätten die Abgeordneten an mehreren Stellen zusätzliche, „höchst kontroverse Änderungen” angestoßen, wie es im Index heißt. Treibt die Regierung ihr Reformbestreben weiter voran, erwartet das IEP weitere Einschnitte in der politischen Stabilität des Landes.
Mexiko verschlechtert sich weiter
Mexiko bleibt das unfriedlichste Land der Region und verschlechtert sich weiter. „Es hatte eines seiner tödlichsten Jahre in der Geschichte”, heißt es im GPI, mit einem Anstieg der Mordrate um 28,7 Prozent von 19,3 auf 28,8 Morde pro 100.000 Menschen (Anm. d. Red.: Hinsichtlich des Anstiegs widersprechen sich der Global und der Mexiko Peace Index. Darin, dass die Rate 2019 bei rund 28 pro 100.000 liegt, stimmen sie aber überein). In letzter Zeit hat die Aktivität der Kartelle an der Grenze zu den USA zugenommen, nachdem die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie zu Konflikten zwischen den Kartellen geführt hatten. Die Gewalt hat große Auswirkungen auf die Wirtschaft Mexikos: 4,57 Billionen Pesos (umgerechnet etwa 176 Milliarden Euro) Verlust verzeichnet das Land 2019. Über die Ergebnisse des Mexico Peace Index hat TRAVELBOOK ebenfalls berichtet.
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Nicaragua am meisten abgefallen
Nicaragua ist von allen zentralamerikanischen Ländern am meisten abgefallen. Der Staat steht auf dem vorletzten Platz in der Region, auch weil die Zahlen der Todesfälle aufgrund interner Konflikte und die Wahrscheinlichkeit gewaltsamer Übergriffe zugenommen und sich der Wert des politischen Terrors verschlechtert haben. Schätzungsweise 70.000 Menschen flohen vor der Verfolgung durch die Regierung. Die soll hunderte politische Gefangene gefoltert haben, als Reaktion auf die weitreichenden Proteste im Jahr 2018 gegen Reformen der sozialen Sicherheit.
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Vermehrt gibt es außerdem kriminelle Aktionen paramilitärischer Gruppen, die das Geschäftsleben massiv stören. Rund 3300 Hektar Land (Stand: April 2019) waren von diesen Gruppen illegal besetzt. Und auch auf den Sicherheitsbereich hat die Krise Auswirkungen, etwa hinsichtlich der politischen Stabilität. Hier war auch der sogenannte „Nicaraguan Investment Conditionality Act” (NICA) ein Faktor, der die US-Exekutive ermächtigt, Sanktionen gegen Nicaraguaner zu verhängen, von denen sie annimmt, dass diese Menschenrechte verletzt oder Korruption betrieben haben. Parallel dazu bereitete sich die Organisation of American States darauf vor, diplomatischen und ökonomischen Druck auf das Land auszuüben.