6. November 2024, 12:31 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten
Vor 87 Jahren verschwand die legendäre US-amerikanische Pilotin Amelia Earhart über dem Pazifik und wurde für tot erklärt. Manche sagen, dass sie beim Sturz in den Ozean starb, andere, dass sie von japanischen Soldaten gefangen genommen wurde. Hoffnung auf Aufklärung gab es dann erneut seit Anfang dieses Jahres: Ein ehemaliger Geheimdienstoffizier der US-Luftwaffe hatte ein Sonarbild im Pazifik aufgenommen, welches das Flugzeug von Amelia Earhart zeigen und das Rätsel um ihr Verschwinden lösen sollte. Nun hat er jedoch bestätigt, dass es sich bei seiner einst vielversprechenden Entdeckung lediglich um einen Felsen handelte.
Amelia Earhart war die erste Frau, die den Atlantik in einem Flugzeug überquert hat und schon zeitlebens ein Idol der US-amerikanischen Frauen. 1937, im Alter von nur 39 Jahren, wollte sie als erste Frau die Erde am Äquator mit dem Flugzeug umrunden. Doch während dieses Unterfangens verschwand sie auf mysteriöse Weise. Vor einigen Monaten glaubte ein Pilot dann einen Durchbruch in der Aufklärung des Rätsels geschafft zu haben. Ein mittels Sonar aufgenommenes Bild des vermeintlichen Flugzeugs der Pionierin sollte Aufschluss über das Verschwinden von Amelia Earhart geben. Nun stellte sich jedoch heraus, dass die Aufnahme kein Flugzeug zeigt.
Übersicht
- Rückschlag nach vermeintlichem Durchbruch bei der Suche nach verschwundenem Flugzeug
- Neue Sonarbilder zeigen: Vermeintliches Flugzeug war eine Felsformation
- Earharts letzte Stunden
- Funksprüche sollen von Earharts verzweifelter Lage zeugen
- Französischer Likör und ein zerrissener Damenschuh
- Knochen auf dem Weg nach Fidschi verschwunden
Rückschlag nach vermeintlichem Durchbruch bei der Suche nach verschwundenem Flugzeug
Gemeinsam mit ihrem Navigator Fred Noonan verschwand Amelia Earhart am 2. Juli 1937 irgendwo über dem mittleren Pazifik spurlos. Hobbyforscher Tony Romeo gehört zu einer langen Reihe von Menschen, die versucht haben, das Rätsel um ihr Verschwinden zu lösen. Kurze Zeit sah es sogar so aus, als hätte er bei seiner Suche nach Eartharts unverkennbarem Flugzeug, der Lockheed 10-E Electra, Erfolg gehabt. Von einer rund 100-tägigen Seereise, für die er ganze 11 Millionen Dollar investierte, kehrte er im Dezember 2023 mit einem Sonarbild zurück, das seiner Meinung nach das verschollene Flugzeug in den Tiefen des Ozeans zeigte. In einem Interview mit „Business Insider“ verriet der ehemalige Geheimdienstoffizier der US-Luftwaffe, dass er schon immer von der Geschichte von Amelia Earhart fasziniert gewesen sei.
Romeos Expedition begann demnach im September 2023 in Tarawa, einem Atoll im Pazifischen Ozean. Die 16-köpfige Forschungscrew untersuchte mit einer 9 Millionen Dollar teuren unbemannten Hightech-Tauchdrohne eine Fläche des Meeresbodens von mehr als 13.000 Quadratkilometern. Etwa einen Monat nach Beginn der Reise zeichnete die Tauchdrohne ein Sonarbild eines flugzeugförmigen Objekts auf – ungefähr 160 Kilometer vor der kleinen, unbwohnten Insel Howland Island. Das Team entdeckte das Bild jedoch erst am 90. Tag der Reise, wodurch sich eine Rückkehr zu genaueren Betrachtung als unpraktisch erwies.
Neue Sonarbilder zeigen: Vermeintliches Flugzeug war eine Felsformation
Infolgedessen behaupteten Experten, dass der Ort, an dem das Bild aufgenommen wurde, geografisch genau dem Ort entspricht, an dem Earharts Flug vermutlich abgestürzt ist. Andere wiederum sagten, man könne erst sicher sein, wenn man klarere Aufnahmen mit der Seriennummer des Flugzeugs hätte. Romeo fügte damals gegenüber „Business Insider“ hinzu, dass er plane, in das Gebiet zurückzukehren und zu versuchen, bessere Bilder mit autonomen oder Roboter-Tauchbooten zu machen. Diese wären mit Kameras und Sonar ausgestattet und würden näher an das Objekt herankommen, das mehr als fünf Kilometer unter der Oberfläche ruht.
Am vergangenen Freitag (1. November.2024) bestätigten Tony Romeo und sein Team von Deep Sea Vision laut der „New York Post“ schließlich, dass sich der vermeintliche Durchbruch nach der Aufnahme neuer Sonarbilder lediglich als eine Felsformation in Form eines Flugzeugs herausgestellt hat. In einem Statement sagte Romeo, welcher all seine Gewerbeimmobilien verkauft hat, um die Suche zu finanzieren: „Obwohl dieses Ergebnis nicht unseren Erwartungen entspricht, setzen wir unsere Suche für weitere 30 Tage fort, um mehr als 1.500 Quadratseemeilen abzudecken“. Trotz des Rückschlags zeigt er sich positiv gestimmt: „Die weltweite Resonanz auf unsere erste Entdeckung war wirklich inspirierend, ein Zeugnis für Amelia und die Anziehungskraft ihrer unglaublichen Geschichte.“
Earharts letzte Stunden
Earharts Route sollte sie von Miami über Puerto Rico, Venezuela und Brasilien über den Atlantik nach Senegal führen. Weiter gehen sollte es über den Sudan, Äthiopien, Indien, Myanmar und Papua Neuguinea, immer am Äquator entlang. Die letzte Etappe auf dem Weg zu ihrem finalen Ziel Hawaii sollte die gefährlichste werden, führte die Strecke doch vollständig über den Pazifischen Ozean. Auf dem Weg über die riesigen Wassermassen wollte Earhart nur noch einmal anhalten, nämlich auf der damals zu den USA-Territorien gehörende Insel Howland Island in der Nähe des heutigen Kiribati. Doch die Pilotin sollte ihr Ziel nie erreichen.
Ihre letzten Funksprüche waren verzweifelt: Sie und Noonan fanden die Koordinaten der Insel nicht, der Sprit ging aus, der Funkkontakt brach ab. Als es keinem Schiff im Umkreis gelang, den Kontakt wieder herzustellen, wurde umgehend eine riesige Schiffsflotte auf die Suche nach Earhart geschickt. Damals war es die teuerste und aufwendigste Rettungsaktion in der Geschichte der US-Navy, mit dutzenden Kriegsschiffen und Flugzeugen im Einsatz. Doch vergeblich. Wenige Wochen später wurde Earhart von ihrem Ehemann für tot erklärt. Die wahrscheinlichste Todesursache: Das Flugzeug stürzte in den Pazifik und die beiden Piloten starben beim Aufprall oder durch Ertrinken. Einige abenteuerliche Theorien gehen davon aus, dass Earhart und Noonan von japanischen Soldaten gefangen genommen wurden (1937 herrschte bereits der Pazifikkrieg). Dafür gibt es jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Die dritte Theorie geht davon aus, dass Earhart und Noonan notlanden konnten – und zwar auf der Insel Nikumaroro.
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Der größte Verfechter dieser Theorie ist Ric Gillespie von der International Group for Historic Aircraft Recovery (TIGHAR). Seit Jahrzehnten rekonstruiert der Historiker und ehemalige US-Soldat den Tag, an dem Earhart verschollen ist und die darauf folgende Woche. Er sammelt Beweise und führt Expeditionen, um die letzten Tage im Leben der Pilotin zu ergründen. Gillespies Theorie: Amelia Earhart ist nicht in den Ozean gestürzt, sondern konnte auf Nikumaroro notlanden, das nicht weit von Howland Island entfernt liegt.
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Das Atoll liegt nur ganz knapp über dem Meeresspiegel, es ist nur 6 Kilometer lang und 2 Kilometer breit. Am weißen Sandstrand wuchert ein Dschungel aus Palmen. Der Urwald umringt eine innere Lagune mit flachem, strahlend blauen Wasser. Die kleine Insel wird vollständig von einem Korallenriff umringt, das es vor den Meereswellen schützt. Nach Gillespies Theorie landete Earhart auf diesem Riff, schaffte es an Land zu kommen und dort ein paar Tage zu überleben. Nachts, wenn die Ebbe kam, schwamm sie zum Flugzeug und versuchte mehrere Tage lang, Notfunksprüche abzusenden.
Funksprüche sollen von Earharts verzweifelter Lage zeugen
Diese Sprüche sind keine Spekulation Gillespies, sondern wurden nachweislich auf mehreren US-amerikanischen Militärstationen empfangen und nach Dutzenden Berichten auch im US-amerikanischen Radio gehört. So berichteten mehre Frauen, mitten in einer Radioübertragung zu Hause im Wohnzimmer auf einmal Earharts Hilferufe gehört zu haben. Bei den Behörden gingen damals mehr als 120 solcher Meldungen aus Privathaushalten und den offiziellen Suchtrupps ein, von denen mehr als die Hälfte als glaubwürdig eingeschätzt werden und sich inhaltlich decken. Von allen gehörten Funksprüchen gibt es sorgfältige, schriftliche Transkriptionen. Mehrere der Militärstationen gingen damals davon aus, dass die Sprüche von Nikumaroro – das damals noch Gardner Island hieß – ausgingen. Gillespie hat alle Sprüche über die Jahre gesammelt und aufwendig analysiert. Den Bericht zu seinen Funden hat er online frei zugänglich gemacht.
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Die Funksprüche zeichnen ein Bild von Earharts verzweifelter Lage: In einem Funkspruch berichtet sie, wie das Wasser um das Flugzeug steigt und steigt, und dass sie nicht mehr lange durchhalten könne. In einem anderen erklärt sie, dass ihr Navigator Noonan schwer verletzt sei und dringend medizinische Hilfe benötige. In einem weiteren Funkspruch hat Earhart angeblich sogar ihre Koordinaten durchgegeben. Die Hörerin, die dies zufällig aufschnappte, soll den Zettel aber verloren haben.
Gillespie ordnet die Sprüche in seinem Bericht an und kommt zu dem Schluss, dass der Wechsel aus den Intervallen, in denen Earhart stumm blieb und denen, in denen sie funkte, darauf hinweist, dass Earhart immer nur während der Ebbe die Maschinen des Flugzeugs anschaltete, um funken zu können. Außerdem beschrieben die Sprüche, die in den ersten paar Tagen durchgegeben wurden, das Flugzeug als „von Wasser umgeben“, während die nächsten Sprüche bereits Hilferufe sind, in denen Earhart davon berichtet, dass das Flugzeug halb an Land, halb unter Wasser sei. In den letzten registrierten Funksprüchen wird bezeugt, dass das Flugzeug fast vollständig im Ozean versunken sei.
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Französischer Likör und ein zerrissener Damenschuh
Es gibt neben den Funksprüchen noch andere Indizien, die für Gillespies Theorie sprechen: Eine Woche nach dem Abbruch des Funkkontakts durchsuchten Navy-Piloten von der USS Colorado aus Nikumaroro und fanden mehrere Anzeichen dafür, dass erst vor Kurzem jemand an der Küste sein Lager aufgeschlagen haben musste. Darüber hinaus fanden sie jedoch keine Teile vom Flugzeug.
Ein Jahr nach Earharts Verschwinden besiedelte eine kleine Gruppe von Briten das bis dahin unbewohnte Eiland Nikumaroro. 1940 fanden diese Siedler Teile eines Damenschuhs, eine leere Sextantenkiste (Navigationsgeräte, die auch im Flugzeug gebraucht werden) und eine Flasche einer französischen Likörmarke, die Earhart nach eigenen Aussagen gerne trank. Auch der Schuh konnte später einer Marke zugeordnet werden, die auch Earhart trug. Im selben Jahr wurden außerdem ein menschlicher Schädel und ein Skelett auf der Insel gefunden.
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Knochen auf dem Weg nach Fidschi verschwunden
Doch im Fall von Amelia Earhart waren die Wissenschaftler und Wahrheitssucher ständig von Pech verfolgt: Als die Knochen zur genaueren Untersuchung nach Fidschi transportiert werden sollten, gingen sie verloren. Jedoch sind mehrere Fotos von dem Skelett und dem Schädel vorhanden. Einige Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Knochen eher denen eines Mannes ähneln, andere weisen darauf hin, dass Earhart für ihre Zeit mit mehr als 1,70 Meter sehr groß für eine Frau war, starke Oberarme und kaum ausgeprägte Hüften besaß.
2018, mehr als 80 Jahre nach Earharts Verschwinden, veröffentlichte der US-amerikanische Anthropologe Richard Jantz eine Studie, in der er die Fotos und die damaligen Analysen mit modernen Methoden auswertete. Er kam zu dem Schluss, dass die Knochen sehr wohl Earharts sein könnten. Die Studie wurde jedoch auch kritisiert, da alte Fotos nicht als ausreichende Quelle betrachtet werden können.
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Außerdem bleibt die große Frage: Wenn Earhart wirklich auf Nikumaroro gelandet ist und überlebt hat, wo ist dann ihr Flugzeug? Gillespie und die TIGHAR fanden zwar bei einer ihrer Expeditionen auf der Insel ein Metallteil sowie ein Stück Plexiglas, die zu Earharts Flugzeug passen könnten, jedoch konnte die tatsächliche Zugehörigkeit nie zweifelsfrei belegt werden. Mehrere Tauchaktionen rund um die Insel scheiterten bislang an technischen Problemen.
Die Howlandinsel, in deren Nähe das kürzlich entstandene Sonarbild von Tony Romeo aufgenommen wurde, liegt mehrere Hundert Kilometer weiter nördlich von Nikumaroro. Sollte es sich tatsächlich um das verschollene Flugzeug von Earhart handeln, dürfte die Theorie mit der Notlandung auf Nikumaroro jedenfalls hinfällig sein.
So bleibt das Ende der Flugpionierin Amelia Earhart immer noch ein Rätsel.