13. Mai 2020, 6:13 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Die isländische Insel Surtsey steht unter strengem Schutz, denn sie bietet ein einzigartiges Ökosystem – das erst 1963 durch einen Vulkanausbruch entstand. Dennoch sind die Westmänner-Inseln, zu denen Surtsey gehört, unbedingt einen Besuch wert.
Es ist der 14. November 1963, als im Meer vor Island plötzlich das Wasser anfängt zu brodeln, Rauch aufsteigt, ein alles überdeckender Geruch von Schwefel in der Luft liegt. Schon bald ist klar: Gerade findet ein unterseeischer Vulkanausbruch statt, in etwa 130 Metern Tiefe hat sich der Meeresboden aufgetan, dringt Lava empor. Und so kommt es, das nach einer Woche plötzlich Land auftaucht, wo vorher keines war – die Insel Surtsey, die seither zu den sogenannten Westmännerinseln zählt.
Ihr Name könnte nicht treffender sein, denn das nur wenige Quadratkilometer große Eiland ist benannt nach dem Feuerriesen Surtr aus der nordischen Mythologie, wie der US-Autor Daniel Smith in seinem Buch „Die 100 geheimsten Orte der Welt” schreibt. Insgesamt wurde sie durch zahlreiche Vulkanausbrüche über einen Zeitraum von vier Jahren geformt – und seitdem wieder von Wind, Wellen und Wetter erodiert. Betrug ihr Durchmesser einst 1300 Meter, so schrumpft sie heute immer mehr, könnte laut Wissenschaftlern bereits im Jahr 2100 wieder verschwunden sein.
Ein einzigartiges Ökosystem
So gefährlich auch ihre Entstehung war, ist Surtsey doch ein absoluter Glücksfall, nämlich für Forscher, die hier unter optimalen Bedingungen untersuchen können, wie und und in welcher Geschwindigkeit sich Leben ausbreitet. Die ersten Pflanzen siedelten sich bereits 1965 auf Surtsey an, also nur zwei Jahre nach ihrem Auftauchen. 1970 kamen die ersten Seevögel, nämlich Eissturmvögel und Trottellummen, und schon seit 1983 suchen Robben hier Schutz, um ungestört ihre Jungen aufzuziehen. Der Boden beheimatet Regenwürmer und genügend Nährstoffe, um hier auch weiterhin Pflanzen gedeihen zu lassen.
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Um dieses einzigartige Ökosystem zu schützen, gelten rund um und auf Surtsey strenge Vorschriften: Kein Mensch, außer Forscher der Surtsey Research Society, dürfen die Insel betreten. Smith schreibt: „Auch Tauchen ist im Umkreis der Insel verboten, ebenso jeglicher Eingriff in die Natur, die Einführung fremder Arten, das Mitbringen gebietsfremder Bodenproben oder Mineralien, das Zurücklassen von Abfall und der Gebrauch von Schusswaffen in einem Umkreis von 2 Kilometern.”
Bis zu fünf neue Arten pro Jahr
Bisher ist es erst zweimal vorgekommen, dass der Mensch in das fragile Ökosystem auf Surtsey eingegriffen hat: In den 1970er Jahren entdeckte man eine Tomatenpflanze, die wohl aus den Resten der Mahlzeit eines der Wissenschaftler gewachsen war. 1977 dann grub man Kartoffeln aus, die vermutlich ein paar Jungen von einer Nachbarinsel dorthin gebracht hatten. Dies blieben jedoch die einzigen Störungen – 2004 wurden so auf Surtsey unter anderem 69 Gefäßpflanzen-, 71 Flechten-, 24 Pilz- und 14 Vogelarten sowie 335 Arten von Wirbellosen registriert. Jedes Jahr kommen zwei bis fünf neue Arten dazu. 2008 wurde die Insel daher in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen.
Besuch der Nachbarinsel Heimaey
Zwar kann man Surtsey nicht besuchen, aber nur 30 Kilometer entfernt liegt Heimaey, die Hauptinsel der Westmännerinseln. Man erreicht sie mit dem Flugzeug oder per Fähre vom isländischen Festland aus, und sie ist durchaus einen Besuch wert, alleine schon wegen ihrer bizarren Form: Auf der einen Seite völlig flach, ragt an der anderen ein steiles Bergmassiv in die Höhe. Dessen Anstieg ist zwar kurz, aber sehr knackig, und vom 283 Meter hohen Berg Heimaklettur hat man einen unglaublichen Ausblick auf das Meer und die umliegenden Inseln.
Ein Besuch lohnt sich auch, um in den frühen Sommermonaten die Papageientaucher zu beobachten, die dann hier zu Millionen leben und brüten. Wer will, kann zudem sein Glück auf einem der exklusivsten Golfplätze der Welt versuchen, allerdings landen verhauene Bälle dann gerne schon einmal im Meer. Wegen ihrer Form liegt die Insel häufig in dichtem Nebel, was ihr Auftauchen wie aus dem Nichts bei einer Fährfahrt noch spektakulärer macht – beim Wandern, vor allem, ist deshalb auch unbedingt Vorsicht angebracht, denn das Wetter kann jederzeit und sehr schnell umschlagen.
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Ein Vulkan und ein Piraten-Überfall
Im Übrigen haben Vulkane die Westmännerinseln nicht nur erschaffen, sie haben auch schon viel Zerstörung angerichtet: So brach 1973 der Eldfell aus, der größte Vulkan auf Heimaey, und wütete mehrere Monate lang, wobei er 400 Häuser zerstörte –die Westmännerinseln erhielten daraufhin den Spitznamen „Pompei des Nordens”. 1627 kam es hier laut der Webseite der isländischen Regierung zu einem wahrlich skurrilen geschichtlichen Ereignis, als sich türkische Piraten in die isländischen Gewässer verirrten und 400 Menschen gefangen nahmen, die sie als Sklaven verkauften – die meisten von ihnen stammten von den Westmännerinseln.
1635 erklärte sich der dänische König schließlich bereit, ein Lösegeld für die gefangenen Landsleute zu zahlen, und so konnten sich 35 Überlebende tatsächlich wieder auf den Heimweg machen, mit Umwegen über Frankreich, Deutschland und Dänemark. Heute leben etwa 4000 Menschen auf Heimaey, und hier findet auch das beliebteste isländische Festival statt, das Þjóðhátíð, zu dem laut der Seite „Arctic Adventures”, die auch zahlreiche nützliche Informationen zu den Inseln bietet, jedes Jahr im August 20.000 Menschen kommen.
Diesen und 99 weitere spannende Orte finden Sie im Buch „Die 100 geheimsten Orte der Welt“ von Daniel Smith, erschienen am 12. Mai 2020 im riva Verlag, 19,99 Euro.