23. Juni 2023, 15:30 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Touristen, die durch Pekings Straßen laufen, werden kaum ahnen, dass sich unter ihren Füßen eine riesige unterirdische Stadt befindet. In Dixia Cheng oder Nuclear City, wie die Stadt auch genannt wird, sollen 10 bis 18 Meter tief unter der Erde schätzungsweise rund eine Million Menschen leben. Was über die Stadt, die Ausländer nicht betreten dürfen, bekannt ist.
Peking (Beijing) ist eine asiatische Metropole der Superlative. Knapp 22 Millionen Menschen leben dort. Und es werden stetig mehr. So verwundert es nicht, dass Chinas Hauptstadt mittlerweile aus allen Nähten platzt, der Wohnraum knapp und für viele unbezahlbar ist.
„Normalsterblichen“ bleibt daher oft nur eine Möglichkeit: unter die Erde zu ziehen. Und genau das haben unterschiedlichen Berichten zufolge schätzungsweise schon rund eine Million Menschen in Peking getan. Sie leben in der unterirdischen Stadt Dixia Cheng, die auch Nuclear City genannt wird und 10 bis 18 Meter tief unter der Erde liegen soll. Wie es sich in der Stadt lebt und warum es sie überhaupt gibt – TRAVELBOOK gibt einen Überblick.
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Luftschutzbunker aus den 1970er-Jahren
Nur wenige Touristen, die durch Pekings Straßen laufen, wissen, dass unter ihnen eine riesige Stadt liegt. Eine Stadt, die sich aus Tausenden von Luftschutzbunkern zusammensetzt. Entstanden sind die Bunker in den 1970er-Jahren zum Schutz vor einem möglichen sowjetischen Atomangriff. Daher wird Dixia Cheng auch Nuclear City genannt.
Eingänge zu Pekings unterirdischer Bunkerstadt gibt es zwar einige, doch sind diese oft schwer zu finden und werden streng bewacht. Ausländern ist das Betreten der Stadt strikt untersagt. Aktuelle Informationen über Dixia Cheng gibt es kaum.
Heimliche Fimaufnahmen
Vor einigen Jahren gelang es jedoch einem ausländischen Reporter-Team von Galileo.tv, die „verbotene“ Stadt unbemerkt zu betreten und dort heimlich zu filmen. Entstanden ist eine knapp 15-minütige, 2018 veröffentlichte Dokumentation über das Leben in Dixia Cheng – über Menschen, die bis zu knapp 20 Metern tief unter der Erde in nur wenigen Quadratmeter großen Zimmern hausen. Schlafen, arbeiten, kochen – alles auf minimalem Raum, ohne Tageslicht und ohne Heizung. Eins der Zimmer, das in der Dokumentation gezeigt wird, ist gerade einmal vier Quadratmeter groß.
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20 Euro Miete pro Quadratmeter
Dennoch hat das Leben unter der Erde seinen Preis. Umgerechnet 20 Euro Miete pro Quadratmeter bezahlen die Bewohner von Dixia Cheng dem Bericht zufolge für ein Zimmer. Nicht selten verschlingt die Miete ein Drittel oder gar die Hälfte des gesamten Monatseinkommens.
Für viele Menschen in Peking gibt es ob des knappen und teuren Wohnraums jedoch kaum eine Alternative, als eins der Zimmer im „Keller“ der Stadt zu beziehen. Zumindest vorübergehend. Bis man vielleicht einmal mehr Geld verdient oder so viel zusammen gespart hat, dass man sich ein kleines Häuschen in der Provinz leisten kann.
Wie es aktuell in Pekings Bunkerstadt aussieht, lässt sich mangels öffentlich zugänglichem Bild- und Videomaterial nur schwer sagen. Der Galileo-Film von 2018 zumindest zeigt überwiegend renovierte und saubere Flure. Ein anderes Bild hingegen vermitteln etwa Fotos auf Instagram wie die des Users „factsuntold“, veröffentlicht am 28. Oktober 2021:
Arbeiten in der unterirdischen Stadt
Ihrer Arbeit als Taxifahrer, Verkäufer oder Büroangestellte gehen die meisten Bewohner von Dixia Cheng über dem Erdboden nach. Einige aber haben sich dem Galileo-Bericht zufolge ihr Geschäft auch unter der Erde in der Bunkerstadt eingerichtet, einen Friseursalon oder ein Restaurant beispielsweise. Die Geschäfte scheinen für einige sogar recht lukrativ zu sein, wie zwei Beispiele in der Dokumentation zeigen. Insbesondere dann, wenn die Kunden auch von „oben“ kommen.
Eine Bunkerstadt, erbaut zum Schutz vor einem Atomkrieg
Als die Bunkerstadt in den 1970er-Jahren erbaut wurde, schätzte die chinesische Regierung Berichten zufolge, dass der Komplex die gesamte Bevölkerung Pekings beherbergen könnte, damals etwa sechs Millionen Menschen, berichtet „New York Post“. In dem rund 85 Quadratkilometer großen Bunkerkomplex soll es laut „Atlas Obscura“ auch Schulräume für Kinder, Freizeiteinrichtungen wie ein Kino, Läden, Restaurants und selbst eine Rollschuhbahn gegeben haben. Des Weiteren fanden sich in der Bunkerstadt Kammern für Getreide und Waffen. Mehr als 90 Zugänge soll die Stadt einmal gehabt haben, viele davon versteckt hinter Häusern und in Geschäften.
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Zeitweise durften auch Touristen die Bunkerstadt besuchen
Allerdings wurde die unterirdische Stadt Dixia Cheng glücklicherweise zu keiner Zeit für ihren ursprünglichen Zweck genutzt und geriet in Vergessenheit, wie „Atlas Obscura“ weiter berichtet. Bis Teile der Geisterstadt im Jahr 2000 als Touristenattraktion geöffnet wurden – und kurzzeitig dort auch Führungen stattfanden.
2008 wurde Dixia Cheng wegen Renovierungsarbeiten geschlossen – und anschließend privaten Vermietern übergeben. Die wiederum vermieteten die Räume an Wohnungssuchende weiter. So füllte sich die unterirdische Geisterstadt nach und nach mit Leben – und bewahrte wohl manch einen vor einem Leben auf der Straße.