14. April 2022, 12:21 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
In der Stadt Tucson im US-Bundesstaat Arizona gibt es einen Ort mitten in der Wüste, wo mehr als 4000 Flugzeuge scheinbar einsam stehen. Was es mit „The Boneyard“, wie der Ort auch genannt wird, auf sich hat – und warum die trockene Hitze für die Maschinen so wichtig ist.
In Tucsons karger Wüstenlandschaft stehen sie, die rund 4400 Flieger, bei denen man auf den ersten Blick denken könnte, jemand hätte sie hier einfach abgestellt und vergessen. Es ist ihre akribisch genaue Anordnung, die jedoch sofort gegen diese Theorie spricht. Die Flieger sind in verschiedene Bereiche eingeteilt, sortiert nach Typ und Farbe. Die Abstände der Flügel scheinen auf den Millimeter genau bei allen Fliegern gleich zu sein. Und das alles an einem Ort, der einen düsteren Rufnamen hat: „The Boneyard“ – der Friedhof.
Es hat etwas Militärisches, und dieser Anschein trügt nicht, handelt es sich doch bei den Maschinen um Luftfahrzeuge der US-Streitkräfte, und bei dem Feld um den nach eigenen Angaben größten Flugzeug-Friedhof der Welt. Dieser wird hier schon seit mehr als 75 Jahren von der zur US-Luftwaffe gehörenden 309th Aerospace Maintenance and Regeneration Group (AMARG) betrieben. Der Ort ist unter Luftfahrt-Fans längst eine Legende, und auch Hollywood dreht hier regelmäßig.
Das größte Ersatzteillager der Welt
Die 309th Aerospace Maintenance and Regeneration Group befindet sich auf dem Gelände der Davis-Monthan Air Force Basis. Laut der offiziellen Webseite des Ortes wurde sie bereits kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges gegründet, um die ersten ausgemusterten Maschinen zu lagern. Im Mai 1946 kamen die ersten Maschinen nach Tucson; zunächst mehr als 600 Langstreckenbomber, die B-29 Superfortresses, sowie 200 Transportflieger, die C-47 Skytrains. Letztere sind hierzulande vor allem als „Rosinenbomber“ bekannt. Zur Zeit der Berliner Luftbrücke wurden sie von den Alliierten eingesetzt, um West-Berlin unter anderem mit Lebensmitteln zu versorgen. In den Jahren darauf folgten viele weitere zum Teil ausrangierte Maschinen der US-Luftwaffe, der US-Marine, aber auch der NASA, die auf „The Boneyard“ auf ihre Verschrottung warten.
Fast jeder Flugzeugtyp, den die US Air Force seit dem Zweiten Weltkrieg geflogen hat, findet sich hier. In den mehr als 75 Jahren Existenz haben sich zahlreiche Maschinen angesammelt, hinzu kommen noch knapp 6000 Motoren und 340.000 Einzelteile von sämtlichen Flugzeugtypen aus sieben Jahrzehnten Luftfahrtgeschichte. Denn eigentlich ist die AMARG kein Friedhof, sondern das wohl größte Ersatzteillager der Welt. Viele Flugzeuge werden zerlegt und dienen somit als Ersatzteillager für andere Flieger.
Laut eigener Webseite hat die 309th Aerospace Maintenance and Regeneration Group seit den 70er Jahren über 1000 Flugzeuge restauriert und wieder in Dienst gestellt. Hier durchgeführte Wartungen und/oder Reparaturen spielten eine wichtige Rolle während zahlreicher Missionen der US-Luftwaffe der vergangenen Jahrzehnte. Auch zivile US-Behörden wie die Küstenwache und der Forest Service erhalten hier überholte Maschinen.
Auch interessant: Die Super-Jacht, die gleichzeitig ein Flugzeug ist
Wüste bietet optimale Voraussetzungen
Was mit einem Flieger passiert, der „The Boneyard“ erreicht, um hier dauerhaft gelagert zu werden, steht detailliert auf „airplaneboneyards.com“. So entnehmen die Mitarbeiter erst einmal alle Waffen, Schleudersitze und Datenträger, die sich an Bord befinden, bevor die Maschinen gewaschen werden. Die Kraftstoffsysteme werden geschützt und der Flieger mit einem Lack versehen, der ihn vor Sonne, Staub und Hitze schützt.
Die Hitze ist übrigens einer der Gründe, warum die Flugzeuge in die Wüste gebracht werden. Denn die Sonora-Wüste in Tucson in Arizona, die nicht nur für ihre meterhohen Kakteen, sondern auch für ihre staubtrockene Landschaft, die hohen Temperaturen und die geringe Luftfeuchtigkeit bekannt ist, bietet ideale Voraussetzungen. Die Maschinen setzen kaum Rost an, und auch der Boden ist von Natur aus hart, weshalb die tonnenschweren Flieger leichter bewegt werden können.
Hollywood liebt den Friedhof
Die Dimensionen des Flugzeug-Friedhofs in der Wüste sind beeindruckend: Die alten Flieger lagern auf einer Gesamtfläche von gut zehn Quadratkilometern. Das entspricht 1430 Fußballfeldern, wie die „BBC“ berichtet. Wer von oben auf das riesige Gelände sieht, erkennt, dass dieses in verschiedene Bereiche unterteilt ist. Während auf dem einen Teil nur die Flieger stehen, die hier dauerhaft gelagert werden, und auf dem anderen die, die für ihren nächsten Einsatz fit gemacht werden, gibt es auch eine ganz besondere Reihe: die sogenannte „Celebrity Row“. Sie zeigt nur die bedeutsamsten Maschinen.
Hier finden etwa historisch bedeutsame Kampfflugzeuge ihre letzte Ruhestätte. So zum Beispiel die gesamte Flotte der Boeing B-47 Stratojet. Bis auf 30 Stück, die in Museen ausgestellt sind, wurden hier alle Maschinen dieses Typs demontiert. Auch ausrangierte B-52-Bomber aus der Zeit des Kalten Krieges finden sich hier – genauso wie die berühmten F-14, die schon 1986 eine Rolle in dem Hollywood-Action-Klassiker „Top Gun“ spielten.
Auch interessant: Boliviens Friedhof der alten Züge
Überhaupt liebt die Filmstadt den Ort. Die 309th Aerospace Maintenance and Regeneration Group war in der Vergangenheit bereits Schauplatz für zahlreiche Blockbuster, zum Beispiel als Kulisse in „Transformers: Die Rache“ aus dem Jahr 2009. So verwundert es nicht, dass „The Boneyard“ zu einem Touristenmagneten in Arizona wurde, den man auch als Zivilist besuchen kann.
Klapperschlangen und Giftspinnen
Das nahe gelegene Pima Air&Space Museum bietet Führungen über das Gelände an. Unter anderem sind Touren mit dem Elektro-Shuttle oder Gruppenführungen zu Fuß verfügbar. Früher gab es auch Bustouren direkt zum Gelände der 309th Aerospace Maintenance and Regeneration Group. Diese hat die Air Force jedoch mittlerweile wegen „Sicherheitsbedenken“ eingestellt.
Luftfahrt-Fans dürfte das aber wohl kaum abschrecken, denn man kann die beeindruckende Sammlung der alten Maschinen immer noch aus etwas größerer Distanz bestaunen. Laut der Webseite „AMARG Experience“ sollte man bei einem Besuch aber einiges beachten. Zum einen die teils extreme Hitze, die im Sommer in der Wüste von Arizona herrscht. Daher empfiehlt die Webseite einen Aufenthalt zwischen Oktober und April, wenn es nicht ganz so heiß ist.
Wichtig sei deshalb auch Sonnencreme und ein ausreichender Vorrat an Trinkwasser. Nicht zuletzt solle man aufgrund der Größe des Geländes festes Schuhwerk mitbringen. Zudem warnt die Seite vor Klapperschlangen und Skorpionen sowie giftigen Spinnen, die in der Gegend vorkommen können. Für einen Besuch des riesigen Areals solle man übrigens mehrere Tage einplanen, so die Empfehlung.