20. Dezember 2021, 6:29 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Baia an der Westküste Italiens war einst ein Ort der Ausschweifungen und Exzesse für die römische Oberklasse. Bis der Ort sprichwörtlich versank, weil das Meer ihn verschluckte. Noch heute kann man aber die Ruinen der antiken Stadt im Wasser bewundern. Doch niemand weiß, wie lange noch.
Im flachen Meerwasser vor der italienischen Küstenstadt Pozzuoli, etwa 30 Kilometer entfernt von Neapel, liegt das Atlantis von Italien. Die Rede ist von der versunkenen Stadt Baia, die auch unter einem anderen Namen bekannt ist: das „Las Vegas des Römischen Reichs“. Denn bis vor etwa 2000 Jahren war Baia ein Ort unvorstellbarer Ausschweifungen und Exzesse, erbaut für die römische Oberklasse. Hierher kamen die Superreichen, um Geschäfte abzuschließen, sich in den Thermen der Stadt zu erholen, oder einfach um zu feiern.
Wie die „BBC“ berichtet, liest sich die Liste der illustren Gäste hier wie ein „Who is Who“ des römischen Imperiums. Demnach hatte der berühmte Schreiber Cicero genauso einen Zweitwohnsitz hier wie der Dichter Vergil und der Philosoph Plinius. Der Legende nach soll die ägyptische Königin Cleopatra nach der Ermordung ihres Liebhabers Julius Cäsar im Jahre 44 vor Christus von Baia aus ihren Häschern entkommen sein. Und der römische Kaiser Claudius wurde hier von seiner eigenen Frau vergiftet, damit deren Sohn Nero den römischen Kaiser-Thron besteigen konnte.
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Lustgärten und Thermalbäder
Der große Trumpf von Baia waren seine Thermalbäder, die durch vulkanische Aktivität in der Erde unter Baia über heißes Heilwasser verfügten. Auch das milde Klima an der Westküste Italiens trug seinen Teil dazu bei, dass die römische Upper Class den Ort für sich entdeckte. Mit Mosaiken gepflasterte Plätze, Häuser aus Vulkanstein und private Lustgärten wie das heute immer noch in Teilen existierende Nymphaeum von Kaiser Claudius zeigen, wie luxuriös es in Baia wohl zugegangen sein muss.
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Allein, soviel Dekadenz konnte den Göttern nur missfallen, und so ereilte den Sündenpfuhl Baia denn auch sein Schicksal. Durch die vulkanische Aktivität in der Gegend hob und senkte sich die Erde hier im Laufe der Jahrhunderte immer wieder, und Baia versank langsam in den Fluten des Mittelmeeres. Noch heute liegen seine Ruinen in dem durchschnittlich sechs Meter tiefen Wasser, und so hat der Ort einen neuen Beinamen erhalten: das Atlantis von Italien.
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Italiens Atlantis ist für Touristen geöffnet
Die versunkene Stadt geriet erstmals wieder in den 1940er Jahren in den Fokus der Öffentlichkeit, als einem Piloten eine Luftaufnahme der Ruinen im flachen Wasser gelang. Geologen begannen daraufhin, sich für Baia zu interessieren. Erst in den 1960er Jahren aber wurde die Anlage per U-Boot erstmals offiziell erforscht.
Die Untersuchungen, die Fotografen, Taucher und Historiker seitdem gemacht haben, begründeten den Ruf von Baia als „Las Vegas des Römischen Reiches“. Denn anhand von 3D-Scan-Technologie ließen sie die antike Stadt am Computer in all ihrem Luxus wieder auferstehen. Seit 2002 ist der Ort als geschütztes Unterwasser-Gebiet auch für den Tourismus zugänglich. Man kann sich Baia dabei auf verschiedene Weisen nähern. Zum einen besuchen Glasboden-Boote regelmäßig den Ort, dank derer man quasi einen Überblick erhält. Wer noch näher heranmöchte, kann entweder tauchen oder schnorcheln.
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Wird Baia endgültig untergehen?
Viele der Statuen, die man auch heute noch unter Wasser entdecken kann, sind allerdings Replika. Die Originale befinden sich in einem Museum an Land. Genau wie ein heute über dem Meeresspiegel liegender Teil von Baia. Dieser wurde in den 1950er Jahren von Amedeo Maiuri ausgegraben, der auch die Ruinen von Herculaneum und Pompeij erschloss. Wer aber das Baia unter Wasser einmal mit eigenen Augen besuchen möchte, sollte sich besser beeilen.
Denn Wissenschaftler haben für die Region in der Zukunft weitere vulkanische Aktivität vorausgesagt. Dadurch könnten die bislang noch erhaltenen Ruinen von Baia endgültig zerstört werden. Zudem wäre das Tauchen oder Schnorcheln dann gegebenenfalls zu unsicher, als dass man hier noch Tourismus zulassen dürfte. Und so steht zu befürchten, dass Baia, das Atlantis von Italien, eines Tages für immer untergehen könnte.
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