6. Februar 2021, 5:52 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Im Kalten Krieg wurde ein kleiner Ort auf der Krim-Halbinsel zum Spielball einer Weltmacht – von hier aus hätte die Sowjetunion Atomangriffe gestartet. Doch wo früher nukleare U-Boote kreuzten, befindet sich heute eines der wohl ungewöhnlichsten Museen der Welt.
Auf der Krim-Halbinsel, die zur Ukraine gehört und 2014 von Russland annektiert wurde, liegt, unweit der Hafenstadt Sewastopol, der kleine Ort Balaklawa. Nur wenige Besucher würden wohl ahnen, dass sich hier, genauer gesagt unter ihren Füßen, ein Stück Weltgeschichte zugetragen hat – und dass von hier aus auch leicht das Ende der Welt hätte eingeläutet werden können.
Es ist das Jahr 1957, zwischen den USA und der Sowjetunion tobt der Kalte Krieg, als der russische Befehlshaber Josef Stalin ordert, man solle einen geeigneten Ort suchen, an dem man die Flotte der Atom-U-Boote des Landes stationieren könne. Wegen seiner geeigneten Lage fällt die Wahl nach jahrelanger Suche auf Balaklawa, wie „Business Insider“ berichtet: Die Stadt liegt in einer engen Bucht abgeschirmt vom offenen Meer, und damit auch ausreichend versteckt vor allzu neugierigen Blicken.
Sicher auch bei einem Atomangriff
Sofort wird die Stadt abgesperrt und als Hochsicherheitsgebiet klassifiziert, die Arbeiten an dem U-Boot-Hafen beginnen unter dem Decknamen „Objekt 825“. Insgesamt vier Jahre arbeiten sich hier Mensch und Maschine durch den Fels, meist bei Nacht, um so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu erregen. Am Ende der Bauzeit hat man 120 Tonnen Gestein entfernt und unter dem Tavros-Berg eine gigantische, mehr als 600 Meter lange Basis ausgehoben.
Das Ergebnis ist ein unterirdischer Hafen für die sowjetische Atom-U-Boot-Flotte, insgesamt 14 Schiffe werden hier stationiert. Der Komplex ist derart massiv gebaut, dass er selbst einem Atomangriff mit einer Kraft von bis zu 100 Kilotonnen widerstehen können soll, das entspräche einer fünfmal so großen Zerstörungskraft wie die Hiroshima-Bombe.
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Militärische Sperrzone
Balaklawa wird damit zu einer der zahlreichen verbotenen Zonen in der Sowjetunion, die der Kriegsführung bzw. deren Vorbereitung darauf dienen. Bewohnt wird der Ort fortan quasi nur noch von Mitarbeitern des Projekts, und deren eigene Familien brauchen eine offizielle Genehmigung, um ihre Angehörigen zu besuchen.
Während des Kalten Krieges fuhren die Atom-U-Boote immer wieder mit der im nahen Sewastopol stationierten Schwarzmeer-Flotte Missionen, vor allem aber dienten sie als Trumpf für den Fall, dass es tatsächlich zu einer atomaren Auseinandersetzung gekommen wäre – eine wirksame Einschüchterung des großen Feindes USA, der seinerseits Atom-Raketen in der nicht weit entfernten Türkei positioniert hatte. Im Falle eines Angriffes hätten hier bis zu 1500 Soldaten sowie die Bewohner von Balaklawa Schutz gefunden.
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Vom Kriegsbunker zum Museum
Glücklicherweise kam es nie zu diesem ultimativen Showdown und so war der U-Boot-Hafen in Balaklawa noch bis 1993 in Betrieb, erst dann wurden die Boote verlegt und die hier gelagerten nuklearen Raketen und Sprengköpfe entfernt. Die Sperre rund um den Ort Balaklawa wurde aufgehoben, sodass mit den Jahren hier wieder „normales“ Leben einkehrte. Der einst so streng geheim gehaltene und so gut gesicherte Komplex lag derweil brach, nahezu unbewacht und vergessen.
Im Jahr 2000 schenkte nach Angaben von „Business Insider“ Russland seinen ehemaligen Stolz der ukrainischen Marine, und das Verteidigungsministerium des Landes eröffnete hier schließlich im Jahre 2002 ein Schifffahrts-Museum. Besichtigen kann man heute einen Teil des mehr als 600 Meter langen Komplexes sowie zum Beispiel Büro- und Aufenthaltsräume des Personals, und auch einen ehemaligen Lagerraum für Nuklearwaffen (heute natürlich ohne Waffen).
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Auch kann man mit Ruderbooten auf den Wassern fahren, in denen einst die mächtigen sowjetischen Zerstörer schwammen. Das Museum scheint weiterhin geöffnet zu sein, wie relativ aktuelle Bewertungen auf dem Portal „Tripadvisor” nahelegen, und auch ein Artikel zum Thema Dark Tourism auf einem einschlägigen Blog berichtet über einen Besuch dort im März 2020. Auf der Seite „Discover Ukraine” finden sich neben Informationen zu dem Museum auch die Öffnungszeiten und Eintrittspreise.