26. Mai 2023, 16:47 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Nördlich von Bremen steht mit dem Bunker Valentin das größte Mahnmal unseres Landes an den Zweiten Weltkrieg. Einst sollten hier U-Boote fabriziert werden, doch dazu kam es nie. Es ist ein Ort, der einem auch heute noch Schauer über den Rücken jagt. Denn bei seinem Bau starben 1600 Zwangsarbeiter.
In Bremer Ortsteil Farge, im nördlichen Teil der Hansestadt, steht, direkt an der Weser gelegen, einer der düstersten Orte Deutschlands. Heute ein Mahnmal an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs, ragt mit dem sogenannten Bunker Valentin ein gigantischer Bau von 35.000 Quadratmetern Fläche betongrau mitten aus der Landschaft. Wie ein Fremdkörper wirkt er, und ist doch eine der wichtigsten Gedenkstätten des Landes. Wer ihn besucht, erfährt viel über ein heute kaum noch bekanntes Kapitel unseres Landes. Und ein Projekt, das 1600 Menschen das Leben kostete.
Es ist der Mai 1943, als die Nationalsozialisten an der Weser mit dem Bau eines beispiellosen Vorhabens beginnen. Im Bunker Valentin, so der Tarnname der Operation, sollen laut der offiziellen Seite des Ortes einst U-Boote für den Zweiten Weltkrieg gebaut werden. Hierfür lässt man eine verbunkerte Werft errichten, die jedem noch so heftigen Bombenangriff standhalten soll, die Wände und Decken sieben Meter dick. Geplante Fertigstellung März 1945, ab Herbst desselben Jahres soll hier alle zwei Tage ein U-Boot vom Typ XXI vom Stapel laufen.
Mehr als 1600 Menschen starben beim Bau
Bereits ab 1938 hatte die Wirtschaftliche Forschungsgesellschaft (Wifo), eine Tarngesellschaft des Reichswirtschaftministeriums, damit begonnen, die Gegend um Bremen in eine sogenannte „Rüstungslandschaft“ zu verwandeln. Eine Region also, die einzig und allein einem Zweck dient: der Kriegsführung. Der Bunker Valentin sollte das makabre Meisterstück der Nazis werden. Dafür baute man Straßen, verlegte Gleise, konstruierte Schiffsanleger. Zur gleichen Zeit entstanden diverse Lager für etwa 8000 Zwangsarbeiter, die man für die sinistren Pläne heranschaffte. Die armen Seelen stammten zunächst hauptsächlich aus Tschechien, ab dem Herbst 1941 kamen sowjetische Kriegsgefangene und solche aus ganz Europa dazu.
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Auf dem Grundgerüst bereits errichteter Tanklager für Öl und Treibstoffe sowie unterirdischer Vorratsbunker begann nun im Mai 1943 die Errichtung des Bunkers Valentin. Täglich schufteten bis zu 12.000 Menschen auf der Baustelle. Die Bedingungen für die Zwangsarbeiter waren dabei miserabel, und oft genug sogar tödlich. Laut Information der heutigen Gedenkstätte kamen bis zum Frühjahr 1945 mehr als 1600 Zwangsarbeiter ums Leben. Der Grund: Unterernährung, Kälte, Krankheiten. Nicht selten auch war der Tod eine Folge willkürlicher Gewalt durch die Aufseher auf der gigantischen Baustelle.
Tragisches Schicksal
Die Nazis trieben den Bau des Bunkers Valentin gnadenlos voran, denn er sollte das „zentrale Prestigeobjekt der neuen Marinerüstung“ werden. Deutschland hatte bis dahin im U-Boot-Krieg herbe Verluste erlitten. Man erhoffte sich nun von der neuen Werft eine Wende im Kriegsgeschick. Noch im Februar 1945, als sich die Alliierten bereits auf dem Vormarsch befanden, räumte man daher der Fertigstellung des Bunkers höchste Priorität ein. Dazu kam es jedoch nicht mehr, denn am 30.März 1945 durchschlugen zwei schwere Sprengbomben die Decke des Gebäudes.
Besonders tragisch: Angesicht der herannahenden Feinde räumten die Nazis am 10. April 1945 das Arbeitslager in Farge. Die Häftlinge mussten fünf Tage zu Fuß in das Konzentrationslager Neuengamme bei Hamburg marschieren. Dort verbrachte man viele von ihnen auf drei Schiffe, die kurz darauf von englischen Fliegern versenkt wurden. 6600 Menschen verloren an jenem Tag auf einen Schlag ihr Leben. Ein Teil der Farger Häftlinge, die weiter marschiert waren zum Kriegsgefangenenlager Sandbostel, wurden später von den Engländern befreit.
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Heute eine Gedenkstätte
Die Konstruktion des Bunkers Valentin stoppte unmittelbar nach dem ersten Bombenangriff. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges benutzten ihn die Alliierten noch eine Zeit lang als Ziel für Bombentests. Der Ort wurde aber laut der Webseite der Gedenkstätte langsam zu einem „Abenteuerspielplatz“ für Kinder. Am Ende der 1950 Jahre übernahm die Bundeswehr das Gelände, ab da nutzte die Bundesmarine ihn der offiziellen Webseite der Stadt Bremen zufolge bis 2010 als Materiallager. Bis 2015 baute dann die Landeszentrale für politische Bildung den Bunker zu dem Gedenkort aus, als der er mittlerweile fungiert. Heute ist er Deutschlands größte frei stehende Bunkeranlage.
Für sieben Euro pro Person kann man an einer Führung durch den Bunker Valentin teilnehmen. Jeweils dienstags, freitags und sonntags finden diese statt, auf insgesamt 26 Stationen lernt man dann etwas über die Geschichte des Ortes. Zudem gibt es ein Besucherzentrum und einen Multimediaguide, den man sich auch als App unter dem Suchbegriff „Denkort Bunker Valentin “auf sein Smartphone laden kann. Gruppen bis zu 25 Personen zahlen einen Beitrag von 70 Euro, Führungen in einer Fremdsprache kosten 80 Euro.