6. November 2020, 11:36 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Es ist ein bizarrer Bau, der auf einem Berg mitten in Bulgarien steht: ein kommunistisches Denkmal, das 1981 zur 1300-Jahr-Feier der bulgarischen Staatsgründung eröffnet und nur acht Jahre genutzt wurde. Heute ist der Zutritt zwar verboten, aber wer will, kommt dennoch hinein – und sieht dem Kommunismus beim Zerbröseln zu.
Ein Ufo, natürlich. Was sollte es sonst sein? Schließlich sieht das Ding nicht nur so aus, wie man sich eine fliegende Untertasse seit Star Trek & Co. vorstellt, auch der Ort spricht dafür. Denn drumherum ist – nichts. Ein paar kaputte Straßen, sonst nur Landschaft, so weit das Auge gucken kann. Einen solchen Ort können sich nur Außerirdische aussuchen.
Oder: bulgarische Kommunisten. Denn natürlich handelt es sich bei dem bizarren Bau nicht um ein Souvenir aus dem All, sondern um ein Monument aus Menschenhand. Und es steht auch nicht ohne Grund mitten in der Landschaft: 1868 kämpften hier in den Wäldern um den Berg Busludscha unter der Führung von Chadschi Dimitar bulgarische Rebellen gegen die türkischen Besatzer. 1891 traf sich eine Gruppe Sozialdemokraten, träumte von einer besseren Zukunft – und gründete die kommunistische Partei Bulgariens.
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Bau soll mehr als 7 Millionen US-Dollar gekostet haben
Um diesem Gründungsakt zu ehren, setzte die kommunistische Partei das Busludscha-Denkmal in die Pampa. 1974 begannen die Bauarbeiten. Zahlreiche Soldaten wurden zum Helfen verpflichtet, viele Freiwillige packten mit an, 60 bulgarische Künstler schufen die XXL-Wandbilder. Am Ende soll der Bau mehr als 7 Millionen US-Dollar gekostet haben.
Eröffnet wurde er im Jahr 1981 zur 1300-Jahr-Feier der bulgarischen Staatsgründung. Hernach diente er als eine Art „Tempel“ des Kommunismus, wurde für große Zeremonien und Zusammenkünfte genutzt. So trafen sich hier zum Beispiel immer im Juli/August Tausende Parteimitglieder, um die Gründung ihrer Partei zu feiern.
Doch lange sollte der Bau nicht genutzt werden: Bereits acht Jahre nach der Eröffnung bröckelte das kommunistische System – und danach auch das Monument. Nichts wurde unternommen, um den Verfall zu stoppen. Seit Jahren gammelt der frühere Protzbau vor sich hin – auf eine so melancholische wie fotogene Art und Weise. Der Putz blättert von den Wänden, Parolen fallen in ihre Einzelteile, durch das Dach fällt der Regen, rieselt der Schnee.
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Keiner will das Busludscha-Denkmal kaufen
Was aus dem Gebäude langfristig werden soll, ist ungewiss. Eigentlich sollte es der Bulgarischen Sozialistischen Partei (BSP) übertragen werden, der Beschluss des Ministerrates liegt schon lange vor. „Bis jetzt ist aber niemand von der BSP im Regionalamt vorstellig geworden, um das Übergabeprotokoll zur Übertragung der Eigentumsrechte zu unterschreiben“, erklärte bereits im Jahr 2015 eine Sprecherin vom zuständigen Regionalamt auf TRAVELBOOK-Anfrage, „und solange das nicht passiert, bleibt das zerstörte Monument Staatseigentum.“ Daran scheint sich bis heute laut verschiedenen Medienberichten nichts geändert zu haben.
Aber es ist auch kein Wunder, dass das Gebäude niemand haben will. Für die Instandsetzung oder einen Umbau wären Millionen Leva nötig. Zudem ist fraglich, ob es danach tatsächlich wirtschaftlich wäre. Als eine Architektin, die ihren Abschluss in Berlin gemacht hat, vorschlug, das Denkmal zu sanieren und als Museum zu nutzen, trat sie im Internet einen wahren Shitstorm los. Wegsprengen solle man das Teil, so die einhellige Meinung vieler Bulgaren.
Ein Ziel für Urban Explorer
So wird das Monument also weiterhin verfallen – und Urban Explorer anziehen, also Menschen, die verlassenen Orten wie diesen eine gewisse Faszination abgewinnen. Der Zutritt ist zwar verboten, aber wer will, kommt dennoch hinein. Etwa über ein kleines Fenster in einer Seitenwand. Und viele finden den Weg in das Innere des Ufos, staunen über die Bilder, die sich ihnen bieten – und halten sie fest. Manche klettern gar den 107 Meter hohen Turm hinauf.
Allerdings kommt nicht jeder in friedlicher Absicht. Einige haben statt der Kamera eine Knarre im Gepäck und zielen auf den großen roten Stern, der inzwischen schon ganz perforiert ist von den Schüssen. Nein, keine Wut auf ein untergegangenes System wird hier ausgelebt. Sondern eine Art Schatzsuche betrieben: Der Stern, so sagt man, wurde einst aus Rubinen gemacht.
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Buletten-Partys am Partei-Monument
Doch einmal im Jahr kommt das sozialistische Monument tatsächlich wieder als solches zu seinen Ehren – denn die Anhänger der Bulgarischen Sozialistischen Partei (BSP) pilgern weiterhin im Sommer her, um an die Parteigründung zu erinnern. Bis zu 40.000 Besucher steigen dann auf den Berg, singen die Nationalhymne sowie die kommunistische Internationale und stürmen anschließend das Büfett.
„Buletten-Partys“ heißen diese Zusammenkünfte im Volk, denn darum geht es dabei: Mit freiem Essen Wähler ködern, in einem der ärmsten Länder der EU. Die Ideale der Parteigründer, die sich hier einst heimlich versammelten, scheinen irgendwie nicht mehr ganz zu überzeugen.
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Anreise und Übernachtung
Das Monument liegt 13 Kilometer nördlich der bulgarischen Stadt Kasanlak. Offizielle Führungen gibt es nicht, das Betreten ist ohnehin offiziell nicht gestattet. Einheimische führen Ortsunkundige aber sicher gern hin. Das nächstgelegene Hotel, das bei Tripadvisor gut bewertet wurde, ist das Hotel Perenika in Shipka.
Hinweis: Das Robert Koch-Institut hat Bulgarien wegen hoher Corona-Infektionszahlen als Risikogebiet eingestuft. Das Auswärtige Amt warnt daher ausdrücklich vor nicht notwendigen, touristischen Reisen nach Bulgarien (Stand: 6. November 2020).