22. Januar 2023, 15:19 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Sie ist sehr viel größer als das weltberühmte Machu Picchu, aber kaum bekannt. In den Bergen um Cuzco thront mit Choquequirao eine mindestens ebenso beeindruckende Ruinenstadt der Inka-Herrscher. Trotzdem gibt es hier kaum Touristen – denn der Weg dorthin führt nur über einen mehrtägigen Fußmarsch. Das könnte sich allerdings bald ändern.
3100 Meter über dem Meeresboden liegt hoch über dem Apurímac-Tal einer der wohl spektakulärsten Orte von ganz Peru. Nur 30 Kilometer Luftlinie entfernt von Cuzco thronen hier in den zerklüfteten Bergen der Anden die Ruinen von Choquequirao. Oft als Schwesternstadt des legendären Machu Picchu bezeichnet, dürfte der Ort dennoch den wenigsten Peru-Touristen bislang überhaupt ein Begriff sein. Das hat viel mit der Lage der verlorenen Stadt zu tun.
Denn im Gegensatz zu Machu Picchu, wo Busse ganze Ladungen von Touristen direkt vor dem Eingang absetzen, ist Choquequirao laut „BBC“ nur sehr schwer zugänglich. Wer die Inka-Ruinen besichtigen möchte, muss dafür einen mehrtägigen Fußmarsch auf sich nehmen. Ein Trek, der als einer der schwersten in ganz Peru gilt. Denn wer Choquequirao mit eigenen Augen sehen möchte, muss dafür mehrere tausend Höhenmeter auf schwer zugänglichem Terrain überwinden.
Der Reiseblogger Malte Führing hat sich mit dem Besuch dort im Dezember 2021 einen 15 Jahre alten Traum erfüllt. Damals war er das erste Mal in Peru, sagt zu TRAVELBOOK: „Da stand Choquequirao schon im Reiseführer als rätselhafte Inkaruine. Mitten in den Bergen, nur erreichbar durch einen tagelangen Fußmarsch. Das klang nach Abenteuer – und seitdem wollte ich hin. Allerdings blieb damals nur Zeit für den Inkatrail nach Machu Picchu. Auch toll, aber schon damals ziemlich überlaufen. Dieses Mal habe ich mich getraut.“
Nur ein paar Dutzend Besucher pro Tag
Und während Machu Picchu täglich mehrere tausend Menschen besichtigen, hat Choquequirao in der gleichen Zeit gerade einmal ein paar Dutzend Besucher. Dabei ist die Anlage „Lonely Planet“ zufolge etwa dreimal so groß wie ihre berühmte Schwester. Die „Wiege des Goldes“, wie der Name aus dem Quechua übersetzt bedeutet, beeindruckt auch durch ihre spektakuläre Lage hoch in den Anden. Von hier aus hat man einen beeindruckenden Ausblick, der über das Apurímac-Tal und zahlreiche Gipfel reicht.
Führing bestätigt: „Im Vergleich zu Machu Picchu sind die Besucherzahlen verschwindend gering. Und so kann man fast alleine durch die alten Gemäuer streifen – wenn man den Weg dorthin gemeistert hat. Denn die Strecke hat es in sich: Von Cusco sind es fünf Stunden Fahrt bis zum Wärterhäuschen in Capuliyoc. Dann führt ein steiler und steiniger Pfad 1500 Meter hinab zur Brücke über den Río Apurímac – und im Zickzack wieder 1500 Höhenmeter hinauf. In den Ruinen warten dann etliche weitere steile Abschnitte. Insgesamt sind das also knapp 3600 Höhenmeter in vier bis fünf Tagen. Das muss man wollen.“
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Bislang bloß 30 Prozent der Anlage freigelegt
Die Anlage selbst, wohl um das Jahr 1445 erbaut, verfügt über ein ausgeklügeltes System von Wasserkanälen und wurde vermutlich unter astrologischen Gesichtspunkten in einer Linie mit seiner Schwesternstadt Machu Picchu erbaut. Die Terrassen des Hauptplatzes von Choquequirao sind verziert mit steinernen Abbildern von Lamas. Wissenschaftler rätseln allerdings bis heute über die genaue Bedeutung der Stadt für die Inka-Herrscher. Vermutet wird, dass die Festung den Inkas als Tor zur Amazonasregion diente und religiöses sowie kulturelles Zentrum war. Möglicherweise war Choquequirao auch noch eine Weile ein Rückzugsort für die Inkas, nachdem sie Machu Picchu wegen der Ankunft der Spanier Ende des 16. Jahrhunderts verlassen hatten.
Auch über die wahre Größe von Choquequirao kann nur gemutmaßt werden. Denn obwohl erste Ausgrabungen bereits in den 1970er-Jahren begannen, sind bis heute nur etwa 30 Prozent der Anlage freigelegt. Der Rest ist nach wie vor vom dichten peruanischen Dschungel überwuchert. Reichlich skurril angesichts der Tatsache, dass Choquequirao laut „BBC“ erstmals bereits 1710 von dem spanischen Abenteurer Juan Arias Díaz entdeckt wurde. Zum Vergleich: Nach dem Fund von Machu Picchu durch den Amerikaner Hiram Bingham 1911 begannen umfassende Erschließungen bereits im darauffolgenden Jahr.
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Ärger um eine Seilbahn nach Choquequirao
Doch mit der Ruhe könnte es auch in Choquequirao schon bald vorbei sein. Bereits seit Jahren wird über den möglichen Bau einer Seilbahn spekuliert, die zahlende Touristen in nur 15 Minuten hinauf zu der Anlage bringen könnte. Denn natürlich wollen vor allem die umliegenden Gemeinden aus dem bisher brachliegenden touristischen Potenzial von Choquequirao Profit schlagen.
Laut der peruanischen Zeitung „Gestion“ sollte die Seilbahn eigentlich längst fertig sein, denn die Idee dazu entstand erstmals bereits vor über 10 Jahren. Doch ein Streit zwischen den Regionen Cuzco und Apurímac um den genauen Standort (und damit die Einnahmen) verhinderten weitere Schritte. Nun könnte es eine skurrile Lösung geben: Denn laut neueren Plänen soll die Seilbahn nun doch kommen – und zwar mit zwei Kabelsträngen. Einer würde dann von Cuzco aus nach Choquequirao führen, einer von Apurímac. Auf diese Weise profitierten beide Regionen. Die Vision von der Seilbahn ist dabei alles andere als günstig und soll etwa 260 Millionen US-Dollar kosten. Aktuell sieht es aber so aus, als würde Choquequirao zumindest noch einige Zeit bleiben, was es ist: die unbekannte Schwesternstadt von Machu Picchu.